Texte mit Schlagwort‘dystopie’



retrowahrheit

blaue eckige kuehltruhenreihe. davor ein monitor mit nachrichtenbildern. in ihm stadtmeldungen. statt dyson-sphaeren werden bloss schuttrutschen in den angrenzenden fabriken im akkord gebaut. demolierwut? ha ha, sagt der auspacker im supermarkt. er schaut wieder kurz zum aufsteigenden kalten dampf, um davon aesthetisch verwirrt, aber dann unbeeindruckt die pappschachteln weiter in das eisfach zu stapeln. pizzadreck, denkt er und zerreisst ploetzlich das innere geistige mosaik. er vergisst sein komplettes leben. besser dies, als nichts zu fressen. der auspacker ignoriert die rauschende menschheitsgeschichte zugunsten seiner gegenwart, in der die haende mehr der kaelte, als dem angeblich erhaltenswerten zusammenhang fuehlen. der clinch von oeffentlicher und privater erzaehlung. der auspacker braucht keinen namen. im supermarkt wird er nicht danach gefragt. karton um karton. haehnchenteile mit rosa abbildungen, auf denen die erzwungene petersilie mit auf dem teller liegt. serviervorschlag aus scham? vielleicht sollte man nur nach rezeptvorschlaegen leben. trugschluss. nach dem aufreissen versinkt die falsche phantasie. die zusammengefrorenen fleischteile liegen orange in plastik und realisieren sich nun tumultartig, entbloessen die unzulaenglichkeit des realen. kurz wird das offensichtliche eingestochen. klein a. vulgaer ist bloss der eigene schock, sich beim erkannten selbstbetrug zu ertappen, denkt der auspacker, um danach eilig im verdraengten zu verschwinden.

im markt sind die gangreihen fruehmorgens noch leer. niemand summt. bloss unscharfe bewegungen der kunden. alles ist in hypnotischer hochgeschwindigkeit gedreht. die wenigen schreiten wie durch ein mausoleum. sie drehen sich auf den hacken und achten alles in unterdrueckter erregung, sind froh den toten gegenstaenden als verzehrer zu begegnen und verzeihen sich dabei schubweise die lust, strafen und beleidigen sich sonst mit verzichtsgesichtern. auf der foerderbahn der kasse ist der striptaese der lebensfuehrung hingegen schon reine gewohnheit. im stehen trinkt der auspacker einen kaffeeersatz aus dem maschinenspender. strahlende produktion. zehn minuten spaeter. backstage die taegliche palettenbefreiung. so viele ertraeumen sich einen blick hinter die fernsehstudiofassade, so wenige meiner arbeit zuzuschauen, denkt auspacker und schneidet mit dem teppichmesser die bunten plastikrippen der verschweissten ware durch. er trennt einen regenbogen. falsch, da dies sich aendert , denkt auspacker. es gibt sendungen ueber ordnungsdienst und zaehlerleser. der auspacker will auch woanders arbeiten. er wuerde sich anstrengen. bewerbungen wuerde er schreiben. alsbald. anbei schicke ich ihnen meinen lebenslauf. dem auspacker ist seine situation klar. er befindet sich hier, wie ein migrantenkind, bereits in zementierten fiktionen des staatapparats. es gibt fuer ihn programme. auspacker fragt sich, aus welchem grund die politiker eigentlich immer nur beste fuer alle wollen und es behaupten? niemand fragt sie. der auspacker denkt an sein bewerbungsgespräch zurueck. an die ueberheblichkeit des armseligen filialleiters. die politiker sollten jedes jahr ihre motivation oeffentlich aussprechen, denkt auspacker und lacht ueber die geschmacklosen tiere auf den cornflakespackungen des discounters.

die papierpresse wird jetzt beladen. piktogramme weisen den weg. achtung! ein lkw faehrt draussen ab. kaltlichtgewitter der deckenroehren. alle leben sich selbst, denkt auspacker, und lassen sich dabei gern taeuschen. er freut sich auf den feierabend, da er die abgelaufenen lebensmittel dann wegschmeissen darf. auspacker muss dann oft grundlos vor dem abschliessbaren container lachen. noch nicht freuen, denkt er mahnend und tritt durch metalltueren in den supermarkt zurueck. auspacker sieht sofort, wie sich die verspiegelte tuer des kontrollraums oeffnet und zwei finger seines leiters wuetend an die decke zeigen. einge videokameras sind schon seit zwei tagen defekt. kuemmer dich doch selbst darum, du faules arschloch, denkt auspacker.

er steckt sich einen induktionshoerer ins ohr. eine wissenschaftssendung laeuft. der mond entfernt sich jedes jahr um 4 cm von der erde. wieso wird diese flucht von niemanden bedauert? im konservenlaufgang runzelt auspacker trotzdem die stirn, als ein anzugtraeger ihn direkt anspricht oder anzusprechen scheint. auspacker kann sich nicht konzentrieren. wenigstens beginnt der tag im radio stetig und immerwaehrend sicher. spricht der kunde, das radio oder meine stimme? denkt auspacker. es gilt als charmant meine sendungen zu ende zu hoeren, sagt der radiomoderator ihm jetzt ins ohr. der auspacker irrt jedoch gewaltig. der etikettenversunkene kunde hat ihn in seiner meditation gar nicht wahrgenommen. in wirklichkeit fuehlt sich der kunde nur aus den augenwinkeln dem kitteltraeger ueberlegen und geniesst stattdessen. treffsicher landet deshalb ein statement in seinem einkaufswagen. [pn]

gefaehrder

selbst die bodenflaeche stiess ihn jetzt ab. mirek ging das gekuehlte treppenhaus hinauf, waehrend eine lautsprecherstimme verhaltenshinweise in den raum blies. die taschen niemals stehenzulassen, sondern immer nur in den eigenen haenden zu halten, war ihr befehl. nichterbrachte zugehoerigkeiten wuerden sofort geahndet werden. die stimme war seicht und betoerend, gehoerte also zweifelsfrei einer fetten und haesslichen frau. mirek war sich sicher. mit der unbandagierten hand zog er den schulterriemen des rucksacks fester, um stufe um stufe einzeln zu steigen. neonlichtroehren an graubetonierten waenden, zwischendurch zahlenschilder, die hinter den schallisolierten tueren die geraeusche des kaufhauses verschluckten. bullaugen aus panzerglas. statt anspannung nur langeweile im herzen. mirek schuettelte den edding um gehend eine linie achtlos gerade auf die feingekoernte wand zu zeichnen. wir wollen alle etwas hinterlassen, dachte er. andere kehlen durchschneiden. wieviel hast du noch von uns, wenn du kommst, jesus?

unsicher, wieso er an diese esoterische figur dachte, drueckte er unbequem zielstrebig die tueren zur hoechsten ebene auf. not macht erfinderisch. sofort gab ihm die pneumatik ihre kraft hinzu. einige anzeigen zeigten in nebenraeumen ein gruenes licht. gummidichtungen rieben an den raendern dafuer ab. ein tuerpfleger kommt bestimmt. es gibt heute fuer alles eine typenbezeichnung.

der laerm im transitgang war jetzt so stark, dass mirek ihn ins unterbewusstsein schieben musste. dumpfes fade in. quietschende sohlen auf marmorimitat. hunderte von gespraechen gleichzeitig zerstueckelt. der anstrengende ton des bienenstocks. ekelerregend. viele menschenstimmen klingen selten harmonisch, sind immer ein ungelenker kompromiss. doch ein zuviel ist immer gut. emotionalisierter dreck selbst beim starren auf die computerladebalken. screen shit. mirek floss jetzt gluecklich in der menschenmenge mit. wie ein morsches treibholz auf der wasserflaeche. die atmosphaere machte ihn vollends besoffen. innerlich schmatzte er vor begeisterung. nicht das schoene bunte. das sichere war bewunderswert. mirek verstellte seinen gang. jetzt war er endlich noch gleicher. die freude krampfte ihm dafuer die linke hand fest zu. in der von architekten offenflaechig gestalteten passage stand eine soldatenschulter an jeder ecke. dazu soldatenschelte in den umherrirrenden biologischen augen. alles war bloß gut gemeint. an ihren seiten schwebten dauerfilmende videodrohnen. die gibt es noch nicht. bewegungsscanner schon. trotzdem besser zu boden schauen. wem dies zu schnell ist, sollte sich stets lieber selbst, statt anderen etwas beweisen. so dachte mirek und sah sich in den glatten flaechen tausendfach gespiegelt. viel gute sauberkeit, lachte er auf. darauf koennen wir zu recht stolz sein. [pn]

wollen mitten finden

schlechte filme beginnen mit erwachen. schlechte geschichten mit personenbeschreibungen. schlechte menschen sind mit regelwerken behangen. sie machen sich laecherlich indem sie ihre scheuklappen bei jeder begegnung neu straffen und am scharfen sichtrand vorbeischauen. artig und gefraessig zugleich. akkordeonmusik begleitet die schritte. objekt und betrachter muessen ploetzlich eckig gehen, damit verstaendlichkeit in alle elemente zurueckgeschuettet wird. die entstehenden wirklichkeiten strahlen parallel aneinander vorbei. alle bekannten worte werden zum formulieren von wahrheiten verbraucht. vielleicht sind wir innen beschaedigt und wuerden unter anderen umstaenden aufmerksamer sein, genauer sprechen und tuechtig nachdenken?

hans stellt fest, dass ihn der eigene verstand hier im halbschlaf truegen will. er hat jetzt vor sich auf die reinen sinne zu konzentrieren. hinter den vorhaengen arbeitet die stadt wie unter granatenbeschuss. hans schlaegt muede seine augen auf. setzt sich aufrecht ins bett. er ist in kleidung eingeschlafen. graue hose mit weissem hemd und brandloechern. marschmusik im radio. hans arbeitet fuer den staat, der stark und allmaechtig ist, aber trotzdem lediglich herr ueber ein plastikreich. hans isst waehrenddessen sein fruehes brot. vor den fenstern explosionen. all der zukunftskitsch ist endlich da. hologrammbespannter werbehimmel und freischwebende wagen, die die welt vollstaendig kartographiert haben. unter gleichen roboterhieben, die hans die nahrung in fabriken bereiten. rotorenlaerm. hans schuettelt den kopf und legt das notizbuch zur seite. er schreibt seit gestern seine traeume auf. tumult und autohupen vor dem haus. diesmal hat er naiv von der zukunft getraeumt. lachend stoesst er erleichtert die luft aus. bis auf die arbeit in der ueberwachung ist alles erlogen. laehmungsgefuehle. er haelt sich erschrocken am tuerrahmen und holt den sauerstoff. hans spuert nach jahren wieder seinen herzschlag.

ein lastwagen faehrt am hochhaus vor. holzpaletten sinken knirschend in den kies. die moebelpacker heben jetzt einen weissen fluegel von der pneumatischen hebeflaeche. der besitzer steht verstoert einige meter abseits und schlaegt seinen kragen hoch, als es zu regnen beginnt. eilig wird die plastikabdeckung verstaerkt. dazu schallender arbeiterjargon. in einem halbkreis um die entladung sind menschen auf die knie gesunken. die traenen steigen ihnen in die augen. ihre kinder zerren ungeduldig an den ausgestreckten armen. die freudenschreie werden unterdrueckt. niemand von ihnen hat ein instrument gesehen. in andacht verfroren achten sie nicht auf regenstiche.

hans weint, als er den fluegel aus seinem fenster sehen kann. damals hat er das gerede auf den hausfluren nicht ernst genug genommen. er schlaegt sich zur strafe mit der faust ins gesicht und muss den kopf ueber die kuechenspuele halten, da blut duenn aus der nase fliesst. er aergert sich, dass er jetzt gezwungen wird ueber dem becken zu bleiben. gleichzeitig ist er froh darueber sofort gehandelt zu haben. nichts soll im inneren als reue zurueckbleiben. er schaut zur uhr und ins becken zu den blutwirbeln, die im wasser verschwinden. minuten seines lebens vergehen. er mueht sich dabei ruhig zu bleiben und zaehlt die fliesenlfugen.

ledergurte finden position in glaenzenden karabinerhaken. der fluegel steigt langsam im regen. zeigefinger strecken sich. der vorsteher arbeitet ausschliesslich in grossaufnahmen. qualtitaet bringt geld und macht selbst reiche schwach. er hat bei dem gedanken einen steifen. dieser vorplatz ist seine verdiente buehne. wohlwollend dreht er mit dem koerper zuegige halbkreise um sich dem herbeigestroemten fensterpublikum entgegen zu drehen. eine hand waescht schliesslich die andere. muskelspannung dank tv-erfahrung. durch das staendige scheibenoeffen drehen sich sonnenreflexionen ueber den platz, die gesichter dabei uebersteigen. zuschauer oeffnen darin erste bierflaschen. die kronkorken werden meist heruntergeworfen. es macht keinen unterschied. alles findet seinen platz. [pn]

das gefuehl sich selbst die hand zu geben

gewerbegebiet. die wagentueren stehen offen. emmas schuhe stampfen auf dem parkplatzboden. sie dreht sich eng im licht der frontscheinwerfer. details. die jeans reicht ihr ueber die schuhe. nur du traegst diese hosen, denkt georg und muss ihre unterarme festhalten. trotzdem findet sie ihn. schlaege treffen ins gesicht. emmas ring schneidet ihm warm die lippe auf. er nimmt die wunde in den mund. emma reisst sich schlagartig los. georg kann nur die knisternde jacke in bewegung hoeren. im wagen liegt der brief immernoch auf der ablage. laternenlicht von oben. er kann ihre reflektierenden augen kurz zwischen den haaren sehen. sie hat einen schal um den kopf gebunden. ihre ohren werde schnell kalt. scheibenwischer kippen trocken hin und her. ein helles polizeauto faehrt im hintergrund vorbei. der fahrer hupt, als er die szene entdeckt. beamte steigen jetzt mit schnellen schritten aus. ein fernsehteam folgt ihnen mit kopflicht und eingeschalteter kamera. sie werden sich nicht die kleidung vor trauer einreissen. gleich sind sie da. georg stellt fest, dass er lautlos weint. er sieht emmas ruecken in der silbergruenen diskojacke atmen. immer wieder muss er darauf den schriftzug lesen.

dieselmotorlaerm. nicht auf den ruecksitz schauen. emma raucht mit tauben fingern. jetzt ist es egal. boese blumen wachsen ihr im hals hinauf. emmas kopf steckt im schraubstock. sie schaut nicht zum eingeschlagenen fenster, vor dem georg empfangbare sender im rauschen sucht. er ueberdreht. zugluft faellt geruchlos in den fahrenden wagen. halt irgendwo an, sagt emma. georg hat die absicht zu nicken, stattdessen nur ein abgebrochens wort, das wie ein ja klingen soll.

leichter schneefall. meinst du, dass sie hier videokameras haben? sie schaut auf die andere strassenseite. emma hofft, dass es endlich im fond schreit. dann koennte sie ihre handlungen noch aufhalten. das kind ist still. georg sagt nein. er zwingt sich zu beherrschen und oeffnet als erster die tuer. scherben knirschen unter seinen fuessen. er muss um den wagen zur beifahrertuer herumgehen. als er sich herunterbeugt, um emmas bein per hand herauszustellen, stoesst sie ihn erbost von sich fort. schnee faellt ihm kalt in den kragen. emma nimmt die sporttasche vorsichtig vom ruecksitz. georg folgt ihr mit abstand, als sie die leere strasse ueberqueren. vor der klappe sehen sie sich seit langer zeit wieder in die augen. er denkt an muelleimer. emma hebt das warme buendel aus der tasche heraus. wie verabredet legen sie es gemeinsam in das bettchen, das dem gewicht leicht nachgibt. eine bunte spieluhr haengt darin. stiller alarm. der raum dahinter ist kahl, eine einzelne triste tuer an der wand. als sich georg umdreht, sieht er wie emma auf der strasse die spuren im weiss verwischt.

vier haende zittern. wir koennen nicht mit dem bus dahinfahren, sagt sie im flur, mach einmal etwas richtig. emma haelt eine kleine jacke. georg nimmt einen hammer aus der werkzeugkiste und geht auf die strasse herunter.

[pn]

antikrimi

dies ist die beste aller moeglichen welten, sagt der dealer, als wir durch das birkenwaeldchen zum depot gehen. selbst unter seiner kapuze scheint er sich fuer die mediengerechte hornbrille zu schaemen, die er tage zuvor von seiner schwester geschenkt bekommen hat. die buergerliche veraengstigung amuesiert mich. ich sehe jedoch nur manchmal teile seiner gesichtsplatte, er dreht den kopf oft zu den seiten, um im geist nach markierten baeumen zu suchen. mein blick in die kronen wirkt wie eine hollywood vietnam postkarte, spaete nebel drehen sich dort oben. weisser atem auch vor uns, als rauchten wir staendig. ich beisse die rissigen zaehne aufeinander. sie fuehlen sich sandig an. belz hat einen schweren ast aufgehoben und beginnt abwesend die gabelungen abzubrechen. meine haende in den hosentaschen kommen mir ploetzlich nutzlos vor.

als wir den waldweg verlassen schaltet er das mitgebrachte radio aus. tragbares privates, sagt der dealer, das ist die grosse gegenwart! erst jetzt sehe ich, dass er mit einem gps-geraet navigiert. jeder ist heute steuermann. ich verurteile ihn nicht. ich war auch nie bei den pfadfindern. vergeblich versuche ich mich an die moosregel zu erinnern, mit der man die himmelsrichtung feststellen kann. faustregel, daumenregel. durchschnitt. bolz schleudert den ast ins dickicht hinein. mir ist schlecht. ich frage mich, ob wir den wagen vorhin wirklich abgeschlossen haben, aergere mich ueber die zurueckgelassene wasserflasche.

natuerliche knallteufel. unsere schuhe treten auf hartgefrorene erdstuecke, die sich knackend oeffnen und weiches inneres entlassen. anscheinend hat alles eine oberflaeche. der dealer erzaehlt jetzt etwas ueber die letzte documenta. von der renaissance gottes und falscher befangenheit vor sich selbst. er ist toleranzmuede, wie so viele unserer generation. wenn es nach ihm ginge, wuerde er sich am haertesten bestrafen. ohne zu wissen, was er bereits geschluckt hat, fuehle ich trotzdem ekel vor seiner falschen euphorie in mir aufsteigen. ich kann nur noch an die packung denken und krieche deshalb in mich zurueck, ziehe dabei die tuer lautlos zu. immerhin hat belz aufgehoert sich staendig das gesicht zu reiben. seine telefone klingeln im minutentakt. er drueckt die kunden immer wieder weg. ich muss an schlaeger denken, die opfer von sich schubsen und dabei komm her! schreien.

waldgeraeusche durch temperaturwechsel. the sound of nature, wie belz sagt. wir graben abwechselnd mit blossen haenden und teilen uns die letzte zigarette dabei. der dealer hat vergessen, wie tief der stoff liegt. als mensch ist er sich seiner staendig bewusst. seine koerperhaltung wirkt immer gestellt. belz raucht die kippe nass, rueckt sich die brille auf die nase zurueck. eine unangenehme hektik liegt in der szene. unter meinen fingernaegeln wird es kalt. ausser einem tristen ohrwurm ist mein kopf leer.

nachdem wir uns ein briefchen geteilt haben, schweigen wir erwartungsgemaess. belz wirft portionen in seinen rucksack. er merkt nicht, dass er duemmlich summt. wir verwischen das loch und gehen weiter. auf einer lichtung finden wir abgeschnittene baumstaemme, die mit neonmarkierungen uebersaeht sind. holzfaellergeheimnisse. fuer alles gibt es eine subkultur. ich habe lust zu lachen, schaffe es aber nicht richtig. wir setzen uns, finden jedoch nichts zum zuruecksinken. die staemme sind zu glitschig und zu rund. ich hasse es high zu sein. die gefuehle und ideen stroemen in mich zurueck. einerseits und andererseits. dampf steigt vom waldboden. ein passendes bild fuer meine lebensvermutungen. in entfernung hoere ich eine unsichtbare autobahn. belz richtet beim gehen die schultern auf. ein arm haengt schlaff an ihm herab.

der dealer zeigt mir seine verklemmte faust. die finger haben sich tief ins fleisch der handflaeche gebohrt. belz lacht und sagt, dass er epileptiker ist. einbeinig balanciert er jetzt im gruen und fischt aus seiner jacke etwas pulver heraus, um es auf die wunde zu streuen. wunde, fragt er, oder wunder ? ich schwitze. belz beginnt mich zu stoeren, gleichzeitig habe ich mitleid mit ihm. ich sollte mir diesen trost eigentlich fuer mich selbst aufsparen, denke ich. das gehen tut wieder gut, obwohl es mich vor augenblicken langweilte. der dealer ist aus meiner sicht verschwunden.

als ich ihn wiederfinde, steht er am rand einer illegalen muellkippe. dutzende plastiktueten liegen zwischen halbgeoffneten kuehlschraenken, zerissenen einkaufswagen und buntem glas. es raschelt vor ratten. die sonne ueber uns ist ruhig geworden. belz steht ebenfalls atypisch still vor einigen kleidungsstuecken, die im dreck liegen. es macht mich nervoes soetwas zu finden, sagt er, ohne sich umzudrehen. gut. ich koennte sein gesicht jetzt sowieso nicht ertragen. irgendwie bin ich erleichtert. wenigstens bringt ihn seine angst noch zum schweigen. aufgeweichte werbeprospekte bedecken den boden. ich frage belz, ob er manchmal eine der lachenden personen darin sein moechte. nein.

lass uns gehen, bevor wir hier noch einen toten finden, sagt belz. schaum klebt in seinen mundwinkeln. sein drogenrucksack wirkt jetzt wie ein schultornister. ich sehe belz mutter foermlich im kuechenfenster stehen und ihm hinterherschauen. manchmal vergisst sie seine brote einzupacken und laeuft dann auf die strasse hinaus. es ist belz damals peinlich. heute denkt er nicht daran.

meine beine sind im stehen eingeschlafen. der dealer setzt sich stumm auf seine eigenen hacken. er hat stressschatten im gesicht, bereitet deshalb eine frische portion vor. eine sehnsucht nach bedingungsloser wirklichkeit beginnt in mir zu wachsen. ich sehe mich bereits klar und deutlich bei zukuenftigen richtigen handlungen, waehrend ich es gleichzeitig verstehe fehlern geschickt aus dem weg zu gehen. es ist doch alles recht einfach. in vorbereitung auf den lichtdurchlaessigen neubeginn schaue ich auf mein telefon, um erst einmal den wochentag zu erinnern. ein duesenjaeger zerkratzt ueber uns den himmel. der dealer reisst sofort den kopf nach oben und will beinah einsteigen. ich habe das starke gefuehl bereits an diesem ort gewesen zu sein. als ich belz gaehnend beruhigen will, erkenne ich hinter ihm, unter blauen muellsaecken, einen fahlen duennen koerper. gleich sage ich es belz und werde mit dem finger darauf zeigen. [pn]

ruebenfeld

regen laeuft an den sechs meter hohen fenstern ab. die waende holzbedeckte flaechen. dunkel lackierte maserungen sind vollstaendig darin eingeschlossen. glattpoliert reizen sie zum anfassen und darueberstreichen, als koennte so ein besseres verstaendnis entstehen. ein trugschluss, der sich immer wieder fuehren laesst. die museumsbesucher verschraenken ihre arme auf dem ruecken. kontemplative teufel. sie zwingen sich innerlich zum bremsen, bevor sie fortgerissen werden. die bilder und skulpturen zaehlen nicht. blosse ankerpunkte zum verweilen und herantreten. die meisten schweigen, fluestern fast, nur manchmal benutzen sie die stimme. echozirkel beim betrachten und vergegenwaertigen. koepfedrehen in der wellenform. all das licht, das faellt, vergeht. konsistenzpruefungen. meinungen werden fuer bereits gehandeltes getauscht. der irrglaube, dass die beurteilung eigentstaendig ist: ich kann das besser. das gerechte lachen. die neue wirklichkeit ist denjenigen zu echt, die sich nach alter glaubwuerdigkeit sehnen. nostalgie? manchmal eine doppeldeutige chance. retrospektiven liegen zu nah, dicht bei der mattscheibe. bessere televisionen. dort beliebtheitstabellen. wann schreitet aber der fortschritt selbst fort? schleifenexistenz. alltag, sagen die kollegen und haben recht kein drama daraus zu machen. da muss man schliesslich durch. den beteiligten fehlt der mut fehler zu begehen, denkt der pfleger, um sich schnell zu beschwichtigen. die lust zu scheitern ist gering. der pfleger kann es verstehen. er will auch auf die richtige seite und schaut schon immerzu herueber.

er merkt, dass er den eintritt bereits bezahlt hat. er hat vergessen seine abscheu mit der regennassen jacke in der garderobe abzugeben. das soll ihm keine ausrede sein. dies ist jetzt bloss eine freizeit. fest verschraubt. zu schade zum verschwenden. er will auftanken. im beruf wirft er gelbsuchtgetraenkte einwegskalpelle in plastikeimer. nicht die gesamte zeit.

er hat sodbrennen. kollateralschaden. im krankenhaus: einwegoperationen von einwegkoerpern. schon mal patientenkolonnen gesehen? dem kartenabreisser haengt die haut um die augenoeffnungen herunter. der pfleger kennt den namen dieses geburtsfehlers nicht. er aergert sich und will es bei gelegenheit nachschlagen.

letzte woche haben sie einer alten frau einen reissverschluss eingenaeht. der krebs fuellte sie gewissenhaft mit blut,eiter und scheisse. das gewebe hielt die taeglichen oeffnungen zur bauchspuelung nicht aus. jeder mensch ist einzigartig. schlagartiges zitat. der pfleger lacht vor dem naechsten austellungsstueck. nicht ueber die antiquitaet, sondern bewusst ueber die fussbodenfugen davor. er will sich staendig zuvorkommen, um den zufall zu verwirren.

die angehoerigen im krankenhaus sahen die liebe oma immer nur bis zum hals mit weissgewaschener bettwaesche zugedeckt. sie liegt im koma, sagten die aerzte. oma schlaeft, sagten die enkel. und sie lebt. hurra. volle wucht. wir tragen unsere leichen bereits mit uns, denkt der pfleger ploetzlich. langweilt der kampf mit uns selbst, hacken wir die anderen klein. ein gemaelde laesst ihm doch noch die gedanken stolpern.

der pfleger laesst dies auessert ungern zu. es gibt kein ausserhalb. chirurgen rauchen oft schwarz und kette. na und? das nie endende probieren aller situationen macht die zunge muede. mal fuer fuenf minuten die fresse halten. zeilensprung um zeilensprung. erst tatsaechlich erlebtes laesst sich erheblich wiederkauen. der pfleger denkt nicht gerne nach. stagnation legt sich um ihn wie eine ungeschickte liebhaberin. statt kokonehrfurcht muss jedoch beleidigt werden. die bequemlichkeit siegt jetzt. feinaufgeloeste datenstroeme. bildschirmdurst, statt firstlifeverrecken. digitale slums mit blattgold im trinkwasser. langsam,langsam mit den jungen pferden! wer sich so verhaelt kann weder rechnen, noch mit geld umgehen.

der naechste hohe mattgraue betonraum. in den glaskaesten sind echte christliche reliquien aufgebaut. bruchstuecke der dornenkrone in einem prunkvollen goldschrein. daneben ein stueck vom kreuz. bitte nicht beschaedigen. es ist unangenehn, dass der raum, den diese gegenstaende einnehmen, selbst schon eine erwartung ist. hiervor wird jedoch nicht gekniet. weder innen noch aussen. stattdessen aseptisch gewartet. das christentum ist eine wartende maschine, denkt der pfleger. was wird jesus sagen, wenn er wiederkommt und alle diese kreuzanhaenger um die haelse baumeln? hoffentlich versteht er es nicht falsch.

der pfleger beobachtet die anwesenden, die dicht bei den vitrinen stehen. schliesslich wird suchend darum gekreist. erst dumm, dann richtig. aufenthaltsgravitation, bis zum ende der oeffnungszeiten. dieser glaube im kopf muss ernsthaft gefallen, um zu wirken. abseits davon ein potential fuer eine abgenutzte erinnerung, daneben rezeptoren fuer die erkenntnis eine augenblicksvorstellung zu besitzen. die zeit schiebt gleichzeitig alles unvorhersehbar voran. es gibt hier keine energiekrise.

der pfleger sitzt jetzt auf einem hellbraunen lederquader. er sieht die raumaufsicht regungslos in der ecke stehen. jede halbe stunde tauschen die wachen die raeume. diese summe aus sich ueberschneidenden parallelogrammen erzeugt in dem pfleger kopfschmerzen. der betrachter verdirbt jeden ort mit seiner anwesenheit. in diesem moment durchschreitet der museumsangstellte die halle, mit der absicht dem pfleger zu sagen, dass dessen kopfschmerzen fuer ihn irrelevant sind und es bleiben werden. [pn]

erklaere den hunger der welt meinem sohn & erklaere dem hunger der welt meinen sohn

statt spritzen oder hundescheisse, liegen plastikverpackungen von suessigkeiten im spielplatzsand. niemand hebt sie auf, solange das fernsehen keine bedrohungsszenarien daran formuliert. die medien berichten nicht ueber ereignisse, sondern beobachterinteressen. parallele fusstellung. ein kinderspielplatz ist kein guter ort um moral zu verdauen. ich schaue von der zeitung auf und sehe caspar an den roten seilen der kletterspinne hochsteigen. eine vorsichtige mutter faellt mir ein, die ihrer tochter hier einst einen sturzhelm aufsetzte. das kleine maedchen hat sich mit dem kinnband stranguliert. die zeitungen druckten damals ein verschwommenes, mit teleobjektiv aufgenommenes, photo auf die frontseiten. die scheinbare zurueckhaltung erwies sich als reine notwendigkeit, da der reporter aus dem fahrenden wagen herausschiessen musste. er war zu einem wohnungsbrand unterwegs. ich falte die zeitung zusammen, die ich als unterhaltung gekauft habe und versuche den gedanken erfolglos auf mich anzuwenden. im hintergund bekommt caspar ein apfelachtel aus einer transparenten tupperdose geschenkt. die fremde frau nickt meine erlaubnis aus der ferne ab. in geteilten fruechten koennen keine rasierklingen stecken, denke ich. pferdeschwanz ist ein merkwuerdiges wort fuer eine frisur. pony? sie haelt den behaelter dicht am ruecken, als sie mit den kindern spricht. zu hunden soll man sich ebenfalls herunterbeugen. oft verstehe ich die elternsolidaritaet nicht. sie scheint wie das vorbeilassen artgleicher pkws beim reissverschlussprinzip, endet im falsch verstandenen besitzdenken. die apfelfrau schaut wieder zu mir, diesmal ohne fruchtfragen. ein windstoss entkleidet die baeume dramatisch hinter ihr. der brief von dir steckt in meiner manteltasche und sticht mir in die seite.

caspar veliert spaeter einen seiner kleinen handschuhe. wir drehen deshalb eine runde ueber den umzaeunten platz. kinderkleidung ist immer zu bunt, als ob farben immer gute laune schaffen wuerden. die gestalter, die sich darauf spezialisieren, wirken meist selbst zurueckgeblieben. froehliche bienen und baeren sind wie parteiabzeichen auf pullover und jacken aufgedruckt. die erzwungene niedlichkeit provoziert nur ein abfaelliges verhalten gegenueber menschen, die noch zu schwach sind grosse arme festzuhalten. es soll gewaehrleisten, das jeder seinen sichtbaren status bekommt. verhaltenshilfen, die sich fortlaufend durch ein leben ziehen. kategorienbaeume fester betrachtungsweisen wachsen. muendigkeitsversprechen werden eingezogen. ich bleibe stehen und falte den brief, damit meine bitterkeit sich ebenfalls halbiert. caspar schweigt konzentriert bei der suche. wir stehen jetzt dicht bei der blonden apfelfrau, die kreuzwortraetsel per bleistift loest.

tausende kilometer entfernt entern dunkelhaeutige piraten im golf von anden ein tankschiff. schwer bewaffnete mittzwanziger, aufgepeitscht vom kathkauen. mit geschwollenen backen klettern sie aus den schnellboten. die reedereien empfehlen den besatzungen glasflaschen an deck zu zerschlagen, da die eindringlinge oft barfuss auf das schiff kommen. die armen bastarde. ich muss ueber das poetische bild nachdenken, als ich den fernsehbeitrag sehe. auf dem fussballfeldgrossen deck laufen unterbezahlte asiaten in dichter reihe und lassen scherbenteppiche zurueck. verschweissen stahltueren, richten hochdruckwasserstrahlen auf die baeuche der verzweifelten. sie sind selbst verzweifelt, da sie ihre familien alle vier monate sehen. sie stehen an der modernen akustischen kanone, die schmerzhaften laerm nach unten verteilt. die piraten tragen schon lange stofflappen in den ohren. der konflikt bleibt unter armen. der kapitaen kann aus seiner adlerperspektive oft nur schwer erkennen, wer zu seiner besatzung gehoert. manchmal nimmt er ein fernglas zu hilfe, waehrend er den vorfall meldet. am horizont erscheinen gruene armeehubschrauber, die schauen, aber nicht handeln duerfen.

die apfelfrau bietet mir blauen tee aus einer thermoskanne an, fordert mit einer geste ein hinsetzen dazu. mein kopf ist noch wuetend leer. deshalb sage ich ihr, das thermoskanne eigentlich ein firmenname ist, der zum synonym fuer hitze- und kaeltespeichernde baelter geworden ist. wahrscheinlich will ich das sie ihre handlung bedauert. ihr blick faellt ringsuchend auf meine haende. ich strecke meine finger dabei. sie erroetet leicht. immerhin. wir trinken das lauwarme abwechselnd aus dem unhandlichen deckelbecher. welches ist ihres? frage ich ploetzlich und beisse mir auf die zunge. sie wischt sich eine straehne fort. die restlichen haarwellen rollen fuer eine zugabe zurueck. meine tochter ist tot, antwortet sie und schuettet den becher mit definierten bewegungen sauber. caspar kommt mit beiden handschuhen zurueckgelaufen, bleibt aber stehen, als er uns sieht. kinder sind konsequent aufmerksam, nicht nur wenn ihnen danach ist.

autohupen. ich schaue nach vorne und sehe beleuchtete werbewagen auf der strasse entlangfahren. der beruf der fahrer ist es die koepfe von fremden vollzustopfen. banale kritik, denke ich. spaeter muss ich nahrungsmittel kaufen, um sie selbst in oeltaschen zu stecken. turn turn turn, singen die byrds auf dem piratenmutterschiff. meine nervenzellen sind ueberreizt und erschoepft. die apfelfrau schuettelt leicht die stirn, um mir die leeren worte von den lippen zu nehmen. caspar steht jetzt emphatisch daneben und beruehrt leicht ihren arm. als ich sie erleichtert laecheln sehe, stehe ich auf, um caspar von der bank wegzuzerren. nicht jeder moment darf zum makabren klischee verkommen. das hat diese frau nicht verdient. niemand verdient tausendfach gesehenes um sich zu haben. obwohl ich mich nicht mehr umdrehe, glaube ich zu wissen, dass sie mich versteht. [pn]

cargo

die geschwindigkeit der arbeiter beim ziegellegen. niemand kann derart lange in der anspannung leben. das augenreiben veraendert nicht die welt, es bleicht nur die konturen. nichts erfahrbares mehr, alles wird zurueckgelassen, mulipliziert die alptraeume. stellvertretertode, rodungen von wertvollem holz, ich scheiss auf das artensterben. was geht es mich an. meine art vergeht, meine gefahren enden. leeres geschwaetz. begegnungen voll von rechtschreibfehlern. koerpererfahrung belebt. sommersprossen. zwei winter pro jahr. ich verkomme zu einer maschine und wehre mich kaum. der menschliche arbeitsvorgang wird mechanisch. worte zu wiederholen ist fahrlaessig. die welt wirkt wie ein grosses haben-wollen, sagen die geschwaechten. alle anderen werden still vor dem einschlafen. keine feinde finden. feinde aus sich selbst heraus klonen. teilnehmer und elemente sind kugelsicher. das zuschauen nicht mehr frenetisch. es wird als verpflichtung erlebt. die einen verrotten in ihrem hunger, andere verlegen ihr portemonaie. dinge passieren, sind meist gelungene spitzen. erschrecken ueber das bereits geschehene. dazu willkuer in den gesichtsausdruecken auf der strasse. kometen auf dem buergersteig. eine angst in allen, die dressur zuzugeben. spaesse werden staendig erfunden, schlagen ins gemuet wie granaten. fiktion der fiktion. fluchtschlaf ins private. na und? bereits gesehen und zu boden gehalten. wieso kann die welt nur durch hinzugabe verbessert werden?

ein ausgebleichter wunderbaum haengt am rueckspiegel. der fahrer redet schon ueber eine stunde auf mich und klio ein, waehrend der lastwagen die makellose autobahn hinabfaehrt. so spricht niemand, denke ich. vor uns ist in einem holzrahmen ein familienphoto des fahrers eingesteckt. nach dem einsteigen hat klio grundlos versucht die gesichter auszukratzen. wir bemerkten es alle aufmerksam, bis sie aufhoerte.

als ich mich ueber die tatsache wundere, dass man als insasse eines fahrzeugs staendig das gefuehl hat, sich immer nur in die gleiche richtung zu bewegen, wird der fahrer unerwartet still. pleotzlich finster. er nimmt beide haende vom steuer, um sich die dicken arme zu kratzen. schuppenregen faellt auf die gummimatten. die gleiche oder dieselbe? ich kann mich nicht mehr konzentrieren, schaue auf die holzkugelmatte seines sitzes. der fahrer versucht clever zu sein, sagt, dass er bei seinem vortrag figurenrede benutzt hat. das alles sei nicht seine meinung. klio hat glueck, ihr entgeht diese peinlichkeit. sie schlaeft mit dem kopf am fenster. deine freundin ist dumm, sagt der fahrer. ich sehe ein gruenes schild in der frontscheibe und freue mich kurz. die naechste raststaette ist noch zwoelf kilometer entfernt. sie ist nicht meine freundin. wir fahren nur zusammen per anhalter. ich antworte, da selbst die kommenden fuenf minuten jetzt lang werden. der fahrer schaltet endlich das radio ab, das die ganze zeit viel zu leise und unverstaendlich gespielt hat. in einer lautstaerke, die stoert, ohne wirklich abzulenken. rohe, eckig gepflanzte birkenwaelder ziehen vorbei. sie ist dumm, wiederholt er und drueckt jetzt konsequent auf das gaspedal. ich sehe erst jetzt, dass er barfuss faehrt. schlagloecher setzen ein. klio erwacht. sie greift erschrocken an das armaturenbrett. ihre knoechel werden weiss. der fahrer lacht dumpf auf. ich versuche, klio zu beruhigen und rieche den wunderbaum aus falscher zitrone und minze dabei. klio ist abwesend. sie drueckt ihren koerper bloss an die seitentuer. hinter uns beginnt die kaffeemaschine aus glas zu zittern.

ich ueberlege, bin aber gleichzeitig zu muede, um in schuld zu verfallen. klio nickt mir liebevoll von der seite zu. ich halte das teppichmesser in der jackentasche umschlossen, presse meine finger in die plastikrillen des griffes. ich hasse, wenn es warm wird. der fahrer glaubt, die situation zu beherrschen. eine ausfahrt verschwindet. wir rasen an vollgestellten parkplaetzen und grellen grillrestaurants vorbei. die lichter blenden uns unterschiedslos. fuer einen moment fuehlen wir, dass die naechsten schritte abwendbar und unnoetig sind. dass wir auch genausogut dort gemeinsam ueber einer tasse kaffee sitzen koennten. jeder wuerde eine belanglose wahrheit erzaehlen, wie man es nur vor fremden tut. der fahrer koennte klio vaeterlich aus der hohen fahrerkabine helfen, um mir danach kurz anspornend auf die schultern zu klopfen. klio haette ihm, aus einer falschen annahme, ein laecheln geschenkt, um ihn aufzumuntern. ich haette vielleicht etwas ueber den beeindruckenden tanklaster gesagt, den er hartnaeckig von a nach b fahren muss. alle gefahrlosen rollen haetten in einer kulisse von reisenden belegt werden koennen.

stattdessen warte ich bis wir die hundertzehn kilometer erreichen. klio oeffnet dann beinah lautlos die tuer, als ich die perforierte klinge im hals des fahrers abbreche. wir loesen unsere gurte, die surrend geschluckt werden. zzzzzzzt. dieser moment wirkt irreal. mattgraues asphaltfliessband zu ihren fuessen. schreiend bedeckt der fahrer seinen frisch entdeckten fremdkoerper. seine stimme blubbert frech. kameraauschnitt. ich stosse klio wie in einem zaubertrick hinaus. sie verschwindet sofort, bleibt immernoch stumm. der kopf des fahrers faellt weinend auf die hupe. er hat keine absicht mehr, nach vorne zu schauen. eine zeitung spiegelt sich in der scheibe. automatische schlangenlinien setzen ein. ich muss an sizilien denken, wo ich an der kueste sass und mich im selben augenblick schon virtuell bei google maps sah. verdammte vogelperspektive. verdammte computer. ich gebe dem fahrer im nachhinein recht. das leben ist jetzt keine fabel mehr. er versucht, das rostfreie edelstahl vergeblich aus seinem muskelfleisch zu ziehen. das messer kostet einen euro, faellt mir ein. ich schaue ihm kurz zu und rutsche auf flauschigem fell zur windschluckenden tuer. kruemel beruehren meine haut. sein wagen wird gleich nicht in einem eindrucksvollen feuerball vergehen. der fahrer wird nur im erhitzten metall zerquetscht werden, womoeglich dank der kolossalen medizintechnik sogar ueberleben. ich hoere die suessen sirenen zu seinen ehren schon singen. unbekannte retter werden sich selbstlos um ihn kuemmern.

waehrend ich falle wird meine zeit stereotypisch gezerrt. ich bedaure, dass ich klio so wenig kannte. sie wirkte sehr nett und eigenstaendig. man kann sich leider nie sicher sein. wir haetten uns wahrscheinlich schnell belogen. der fahrer sollte jedoch gluecklich und zukunftsgerichtet denken. jeder irrsinn hat die chance auf eine verfilmung.

[pn]

mars

walzer. das wort wirkt, als fehlte in ihm ein buchstabe, obwohl es es doch vollstaendig ist. dieser turniertanz wird in einem gebaeude ausserhalb der stadt in einer generalprobe aufgefuehrt, als wir woanders aus der ubahn steigen, ohne uns umzuschauen. der schnellste tanz des welttanzprogramms. die plakate dafuer haengen ueberall. vor den gelben kachelwaenden bleiben wir stehen. am ende der rolltreppen bellen die schaeferhunde bereits, werfen sich in die halsketten hinein. du korrigierst wortlos deine halterlosen struempfe, damit wir schneller durch die kontrollen kommen. es faellt mir wie immer schwer, mich zu beherrschen, als die soldaten uns abtasten. sie fahren mit lederhandschuhen an deinen beinen entlang. mein rollstuhl wird pro forma durchsucht. zumindest werden die gewehre an diesem kontrollpunkt vorschriftsgemaess nach unten gehalten. sie riechen jedoch an allen fluessigkeiten, die wir bei uns tragen. die gesichtsscanner arbeiten elektronisch, der anwesende offizier ist betrunken. kein wunder bei seinem job. blechern stossen sie uns zu den anderen wartenden. dichte familien stehen duldsam beieinander, ihre kinder spielen mit den abfaellen, die sie in transparenten tueten bei sich tragen. die durchsagen schlucken das duenne lachen. du wirfst wieder eine pille ein. ich stecke die daumen in die faeuste und presse, bis ich das gefuehl habe, dass sie bald brechen. in einer silberwand sehe ich, dass du mir bald die haare schneiden musst.

als wir an die oberflaeche gehoben werden schlaegt regen gegen das plexiglas der fahrstuhlkabine. triste volksmusik spielt ununterbrochen. in diesem abschnitt sind die strassen ueberdacht. die verwaltung hat hier viele baeume gepflanzt, ohne zu ahnen, dass diese auch schatten werfen. du behaeltst deine sonnenbrille trotzdem die gesamte zeit auf. deine augenfarbe habe ich schon laengst vergessen. du schiebst mich hart an den holzverschlagenen schaufenstern vorbei. als ob wir es eilig haetten. mein zungenschnitt ist schlecht verheilt. ich kann dir deshalb nicht sagen, wie mir es vor der zugfahrt graut. sie haetten den transrapid auch in grossdeutschland bauen sollen, denke ich und fuehle die beine, die ich nicht mehr habe. als du mir die infusion oeffnest, fallen dir die sproeden haarlocken ins gesicht. koeterblond nennst du das, wie deine mutter immer sagte. mir wird warm, du spielst mir vorgefertigte aufnahmen auf dem rollstuhlbildschirm vor. ich kann kaum die finger heben. das morphium fuellt mir jede ader aus. ich bin ueberrascht, als du lachst, waehrend der glashimmel fuer eine werbung abgedaempft wird. jeder konflikt hat eine richtige seite, sagen sie. ich hasse das morphium, weil ich mich darin oft an das laufen erinnere. immer wieder sage ich dir, dass du mich einfach in einen graben schieben sollst, wilde fuechse wuerden es schon beenden. du schuettelst den kopf. es scheint dir irgendetwas daran zu liegen, mich zu behalten. auf der strasse schenken sie uns einen gruenen heliumballon, den du sofort als markierung am rollstuhl befestigst. undeutlich schlafe ich ein.

als ich aufwache fahren wir bereits im zug. den urinbeutel hast du schon geleert. das schienengeratter im gang ist besonders laut. es zieht furchen in meinen verstand. durch die fenstergitter sehe ich den roten sand gespiegelt. ab und zu ein blasses dorf im hintergund, ohne strom und fliessend wasser. es ist mir unverstaendlich wie dort menschen leben koennen. du stehst die ganze zeit, um mich zu provozieren. manchmal spannst du dabei sogar deine schenkelmuskel rhythmisch, damit ich ihre kontraktionen sehen kann. glaub mir, ich weiss, dass du beine hast. als du mir etwas nektar gibst, kommt der schaffner vorbei. immerhin traegt er einen schnauzer. da mein hals mit kaltem rotz gefuellt ist, tritt statt lachen nur ein versuch aus meinen mund heraus. du traegst jetzt ein gelbes kleid, mit v-auschnitt. ich kann es aus den augenwinkeln sehen. der schaffner klappert mit den augen, nickt dann in meine richtung. ich zucke mit den armen. er schliesst trocken sein maul, als er die kriegsversehrtenmedaille an dem rollstuhlruecken entdeckt. deine hand legt sich sofort demonstrativ auf meine kuenstliche schulter. als ich deine haut das letzte mal beruehrte, fuehlte sie sich ledern an. so sehr du dich auch bemuehst, sie zu cremen und zu pflegen, sie wird nie mehr zart werden.

die monde stehen jetzt weit oben. du zeigst mir spater photos von deinem zukuenftigen leben. ich schaue sie aufmerksam an. mein gedaechtnis ist zu sechzig prozent gestoert. obwohl ich dir immer wieder die gleichen fragen stelle, bleibst du geduldig. angststoss. vor den fenstern schiesst goldenes pulver aus der zugartillerie weit in die felder hinein. du gibst mir einen zungenkuss durch die plastikmaske. immerhin bin ich eine lukrative art geld zu verdienen. [pn]

sonnenauf- und untergang verlieren ihre funktion

sanfte vanitas im reproduktionszyklus. er wird falsch verstanden. in-a-gadda-da-vida. die eitelkeiten aufgerissener haut. elektrische sicherungen springen heraus. der mann wechselt deshalb die schaedliche gluebirne in der deckenlampe. seine hautschuppen liegen danach auf dem kirschholzparkett. ein imitat. sie hat ihren unterkoerper wieder zugedeckt. mit der nazidecke, wie sie sagt. nur weil der stoff braun ist. in der raumecke bewohnen duenne spinnen ihre netze. brauchbares wird fuer eine zukunft zurueckgelegt. grzech schaut der erwartung der tiere zu und zieht sein unterhemd wieder an. er beneidet die spinnen kurz um ihre hoffnungen, schuettelt den kopf innerlich und dreht sich zu der frau zurueck. ihre haende riechen nach kaltem espresso. grzech muss ploetzlich an gott und seine propaganda denken. im winter bleiben die fenster und jalouisen verschlossen. es ist zu warm, wirklichkeit reicht nicht mehr als nahrungsmittel. im radio fluechten eine million menschen vor einem hurricane. das vorstellungsvermoegen endet abrupt. was ist eine wettervorhersage? maentel und stiefel kommen durch sie von dachboeden und kellern an die oberflaeche. binaercodes meteorologischer computer kleiden den menschen. grzech kann nicht mehr laenger in seiner phantasie bleiben. er wird in seinen koerper gespuelt. statt notwendiger fragen ist ein hochfrequenter ton in ihm entstanden. sie presst ihre beine zusammen. hoer auf, sagt sie in einer angst, wenn grzech dumme versprechen haelt. [pn]

raketenland

beim atmen spuere ich jetzt die neue innenform der lungen. eine plastiktuete in der brust mit grausamer eigenresonanz. insgesamt berechtigt. ich mache haken auf die liste. schmerz des pankreas. ich verstehe nichts von medizin, riskiere ein dicke lippe vor den anwesenden aerzten. beuge mich weit in die angestaubten gesichter, die vor der mattscheibe stecken. zaunphaenomene, sagen die studierten. ich schweige betroffen, hebe stattdessen die hand zum olympischen gruss. dafuer gibt es keine kuesse, sondern trockene nackenschlaege. uniformierte schleifen schlaeuche in die halle hinein. ihre abzeichen blitzen streng. selbst die alten halten sich jetzt breit und abseits, starren mich bloss an, als kaltes wasser auf mich abgeschossen wird. im hintergrund geht heimlich eine zigarette unter den doktoren herum. sie versuchen mir bereits seit wochen eine lungenentzuendung zu verpassen. kostbare sendezeit verstreicht. spaeter wird mir etwas nahrung gereicht. erniedrigende kunststueckchen fuehre dankbar dafuer aus. manche klatschen sogar. einschaltquote stimmt. erstaunlich frisch fuer soviel leid. ich lache oft aus ehrlichem schmerz. der koerper missversteht sich langsam selbst. schade um seine gruendlichkeiten. ich schlafe unfreiwillig dann. sie schlagen mich ins koma. davor lachen sie wahrscheinlich. ich hoere beim fallen immer schlecht. der kiefer davon schon zugeschraubt und sproede. jahre vergehen. sie pflegen mich bemueht und intensiv. musik wird live gespielt, tanz soll das erwachen animieren. erst effekte. beleidigungen folgen, wenn monate ereignislos vergehen. die schuld wird fluessig an mich verfuettert. schokolade oder vanillie. kontrastschwache anzeigen protokollieren die verbliebene vitalitaet. in meinen adern fliessen potente gifte. maschinen zirpen um das bett. manchmal laden beben erdplatten unter spannung auf. egal. erster wiederaufbau. die ganzen absichten sind auf papier geschrieben. antik und pflichtbewusst. es kreist immernoch atom um atom. darunter strings vielleicht, die energetisch schwingen. boomende stadt trotz allem. volt und watt. wir koennen nie vollstaendig verstehen. deshalb werde ich gebaut. aber, sagen die aerzte, in jeder zukunft gibt es geld. neue ideen. ein neuer therapieansatz. nach elf operationen atme ich wieder eigenstaendig. undankbarkeit ist uebrig. ein alter prozess, der leere zweifel schafft. es wird bald elektrisch geschnitten. ich erfahre es zuletzt. mit offener schaedeldecke deute ich auf karten. lese worte von einem bildschirm herunter. werde gebeten gesichtsausdruecke zu deuten. die sprache geht mir dabei leiernd abhanden. erneut gelaechter, da der koerper synaptisch reagiert. medizinerhumor. zur strafe werde nach der operation in narkose versetzt. zwei pfleger schieben mich auf dem flur hin und her, lassen das bett mit ueblem schwung gegen die waende fahren. selbst in den gurten festgeschnallt falle ich oft fast heraus. gravitationserlebnis. sie machen endlich pause, gehen fort. der fremde wille wirkt. eine stunde lang steht mein bett neben dem arbeitenden reinigungsroboter, der unfaehig ist vorbeizufahren. endlosschleife seiner metallischen bitte den weg freizumachen. ich starre zur decke, versuche ihn zu ueberhoeren. dann dritter montag. ich erkenne die halle still wieder. viele aerzte sind faltenfrei gestorben, aus reiner muedigkeit. der weg ist weit zur perfektion. alte werte, aber neue apparate aufgestellt. ich staune. eine faszination liegt selbst in dunkler wiederholung versteckt. das geheimnis ist in der kontruktion selbst einen punkt zu finden, der einzigartig ist. nach einem auschnitt zu suchen, der damit unbekannt und oberflaechlich metaphysisch wirkt. ich habe dann starken, beinah goettlichen durst. die glasflasche, erst freundlich gereicht, wird mir laut drehbuch ploetzlich gegen die zaehne geschlagen. es gelingt. [pn]

invasion

smog. wir schaben ihnen manchmal noch die gesichter mit den spaten ab, um ihnen die wuerde zu bewahren. vor jedem stich schaut mein nebenmann mich seltsam an, als koennte ich etwa seinen fuss lenken, den er auf die schaufelkante tritt. er weint vielleicht dabei. ich weiss es nicht, schaue zu oft zu boden. mittlerweile sitzen die soldaten auf den stotternden lkws. sie lachen nicht mehr. in ihren uniformen wirken sie dafuer schon zu konkret. sie sind wohl hungrig, wie wir. der strassenzug ist bald gesaeubert, denke ich und greife einer aufgedunsenen frau an die knoechel, um sie zum buergersteig zu ziehen. gruenes traegerloses kleid. in meiner hand zerbricht ein knochen unter ihrer haut. sauer liegt mir ein geschmack im hals. dysfunktionale geraeusche. die dolmetscher warnen uns unaufhoerlich durch die megaphone. sie sprechen schlechtes muedes deutsch. kleine geste begleiten ihre wuensche. missbrauch von wissen, selbst dort. im hintergrund brennt bunt die heimatstadt. gebaeude schmelzen gallertartig unter hitzestrahlern, die innenraeume zerreiben sich samt inhalt, wirbeln zwischen panzerketten. nur durst jetzt, sie geben uns zu trinken. fabrikneue trinkflaschen der cola company. ich streiche ueber das matte graue plastik. you can´t beat the feeling. kegelblitze am gestauchten himmel. ich sehe den nebenmann nicht mehr. schuesse fallen ploetzlich, doch niemand zuckt. mein turkey ist seit tagen vorbei. ich sollte den besatzern dafuer dankbar sein. wir gehen in tausendfuesslerkolonnen. am naechsten checkpoint liegen tote hunde breit verstreut. der mond wirkt zu gross. optische taeuschung aufgrund der hochhaueser am bildrand. diese strassenecke ist kaum zerstoert. die leuchtreklamen funktionieren sogar. wir werden zum schlafen in eine schule hineingetrieben. die scheiben sind intakt. vor wochen hat hier noch niemand an krieg gedacht. vor vierundvierzig tagen stand ich nervoes in deinem zimmer und suchte dir unterwaesche aus dem schrank. ich war nochmal in die wohnung gekommen, um meine restlichen sachen zu holen. als ich gerade photos dramatisch von den waenden nahm, rief mich einer der nachbar an, um mir zu sagen, dass du mit einer nierenentzuendung im krankenhaus liegst. ich schaemte mich kurz , da ich angenommen hatte, dass du an diesem morgen bei einem anderen mann im bett bist. eigentlich ging mich das damals nichts mehr an. entscheidung. scheidung. wegscheidung. ich dachte ueber worte nach und wusste gleichzeitig nicht, was ich fuer dich packen sollte. die ganze zeit das gefuehl mich beeilen zu muessen. alles wirkte wie eine schlechte filmszene. nachlaessig und allein fuer den effekt komprimiert. mein wagen sprang vor dem haus natuerlich nicht an. eigentlich war es ein warmer fruehlingstag. trotzdem hatte ich grundlos einen regenschirm mitgenommen. zur klinik war es nicht weit. ahnungslose passanten um mich herum. zu fuss durch den park. eine deiner taschen in meiner hand. die gaenge im krankenhaus gewohnt trostlos und leer. dein zimmer irgendeine hunderternummer. vor der gruenen tuer zoegere ich mit dem anklopfen. du richtest dich blass auf, als ich eintrete. keine schwaeche zeigen. duell. du bist von tabletten benommen und bietest mir eine davon an. ich nehme sie, ohne darueber nachzudenken. altmodische glasflaschen mit mineralwasser stehen auf dem beistelltisch. du oeffnest ein fenster. der geruch im raum ist dir unangenehm. ich sehe deine bewegungen. wir reden ein wenig und trinken den geschmacklosen kaffee, der fahrbar in grossen kannen auf dem flur steht. sind uns ambivalent. halbfreude. schoen bist du. beschuetzenswert. der regenschirm rutscht mit einem knall vom stuhl. wir gehen die flure entlang, in denen man schlurfende pantoffeln erwartet. es ist jedoch leise. die wenigen krankenschwestern wirken wie nonnen. das krankenhaus muss frueher ein kloster gewesen sein. im fahrstuhl lachen wir ueber ein plakat, dass seniorenmusik bewirbt. wir lachen nur um platz zu schaffen. die cafeteria hat nicht wirklich geoffnet. deshalb koennen wir nicht zu mittag essen. klassisch. du hast fruchtkompott. mein apfelkuchen ist klebrig und zu suess. wieder kaffee. das lokalradio spielt schlager. was sonst. einige handwerker essen torte im stehen. sie lehnen sich an das austellungsglas hinter dem die krankenhausportionen quark eingeschlossen sind. die dosenmandarinen sinken ein, bilden eine mikroskopische korona. einer der blauen flirtet mit der thekenfrau, reibt sich die sahne aus dem bart. sie traegt tatsaechlich ein haarnetz. du willst, dass ich dich nicht mehr besuche. ich rauche und nicke. klopfe mit den fingern die erwartung aus dem koerper. falte die wachspapierserviette unter deinen blicken, um sie danach unter den teller zu stecken. man kann durch die jalousien auf das kiesbedeckte flachdach schauen. draussen frieden. ich kontrolliere die uhr, dabei will ich bei dir bleiben. du trinkst etwas stilles wasser. dein blick ist wertestarr. deine augen kullern nicht. zitronenflocken kleben an der innenwand vom glas. deine lippen sind jetzt grenzenlos. du schuetzt dich selbst. wir spielen jetzt rollen unter getrennten praemissen. ich setze alles ein, um nichts zu fuehlen. eine oberflaechensituation entsteht. spaeter drehe ich beim abgehen des flures den regenschirm in schwuengen, lasse ihn kreisen. werfe damit die zerrende spannung ab. autobahnrueckblick. ich hasse jetzt, dass ich dich damals hinter der zifferntuer verschwinden lasse.
[pn]

piloten

keine angst vor dem ueberwachungsstaat. du hast angst vor mir, sagt jaegle und schaut mich an. es ist eng in der umgebauten concorde. im hinteren abschnitt des flugzeuges haben wir brom in schweren metallfaessern geladen. wir sind bereits seit tagen in der luft. alle sechstausend kilometer fuellt eine zwillingsmaschine unsere fluegel auf. jaegle schaut auf ein verschweisstes bullauge. jucken dir auch derart die ellenbogen? sie verlaesst die kniehocke und nimmt dabei keinen arm zur hilfe. eindrucksvoll in diesen schweren anzuegen. sie schlaegt mit dem handschuh gegen mein visier. bietet mir mit getoentem helm in einer eindeutigen bewegung die paarung an. auf dem boden, denke ich. die naechste stunde verbringe ich im lernschlaf. eine meldung des bordcomputers weckt mich. stumm stehen wir an den nahrungskabeln, um uns einzuklemmen. schneiders ablauf muss wieder durchgeschossen werden. er schaut zuviel fern in seinem helm. verbringt den gesamten flug nur in sich selbst. die hydraulik seines anzuges kontrolliert leise und vollstaendig seine glieder. er liegt im stehen. hoert oldies dabei. ich habe erst vierzig prozent abgegeben, um mich besser auf meine arbeit konzentrieren zu koennen. jaegle fuettert ueber ein terminal den testaffen. im neonkasten sitzt h4 hinter plexiglas, frisst mit schlaffer hand die schwarzen pellets, die hineinfallen. ich stehe in der naehe. ein teil von mir liest datenmengen aus. die restlichen anteile nutze ich, um mit jaegle ueber die hypnotischen bewegungen von giraffen zu sprechen. sie hat angeblich schon mit dieser art gearbeitet. ich gehe wortlos in neid ab, um mich bei der zentrale zu melden.

spaeter steht jaegle an den anzeigen des bromwerfers. ich erkenne, dass sie sich im anzug noch selbst bewegt. dann spuere ich einen druckausgleich. der nachbrenner zuendet. wir steigen durch die schallmauer auf siebzehn kilometer. verspruehen elf tonnen ueber oslo. die videomonitore zeigen die hinter uns entstehenden kondensstreifen. rotbraunes eis wird in den himmel gerissen. die hormonpumpe gleicht mich aus. anscheinend hat der computer schwankungen in der gruppendynamik festgestellt. jaegle gefaellt mir jetzt sogar noch besser. der autopilot wird abgeschaltet, als ich ins helle cockpit steige. die anzeigen justieren sich neu. melatonindaempfer, sagt ein stimme begeistert hinter mir. jaegle folgt bereits. wir duerfen nicht auffallen. sie wiederholt es immer wieder. nachrichtenupdate. neues kartenmaterial. schneider ist ganz versessen die koordinaten einzugeben. sein tatendrang irritiert. die kanonen pumpen unermuedlich brom. ich frage mich, wie ihre haut riecht. nach der veraetzung wird sie ebenfalls neue teile brauchen. ihre morphindosis wird seit tagen erhoeht. als sie naeherkommt nehme ich ihr profil vom schirm. ich versuche sie abzulenken. wir gehen im netz spazieren. kaufen ein paar kleidungsstuecke. ihr ebenbild ist merkwuerdig. ich verstehe den zierrat nicht. ich frage mich, ob es ihr eigener scan ist oder nur ein avatar. ich habe schon lange keine echte frau mehr nackt gesehen. sie will nicht. sie sagt, dass sie mit mir nicht tanzen geht, da menschen keine pfauen sind. ihr einwand ist interessant. ich sage ihr foermlich, dass dies nur ein test war. tanzen sei im konfliktfall verboten. sie schweigt und wechselt in sekundenbruchteilen ihr kleid. der andauernde takt der farben stresst meine augen. ihre absicht ist offensichtlich, macht deshalb muede. die baeume werden neu geladen. freiflaechen entstehen. kaputte vektoren um uns herum. bots tauchen auf. unter ihnen elektronische haendler. unsere firewall kickt jetzt energisch. reiner eklektizismus unserer gefuehle. jaegle sieht mich wuetend an. sie aktiviert einen ausgang und verlaesst das areal. ich setze mich in der simulation auf den boden und beginne nacheinander die gesamte landschaft zu entfernen.

der ton der wirklichkeit bricht langsam wieder ein. schneider lacht hysterisch. turbinenhintergrundrauschen. der dumpfe nachbrennerschub koppelt mich ab. neue anweisungen werden vom bordcomputer verteilt. ich sehe jaegle immernoch ausgeschaltet und klar an der wand stehen. sie bleibt mit beschlagenem visier noch drinnen. kursaenderung. das flugzeug steigt ab. im heck quaelt schneider h4 mit elektroschocks. ich filtere das affenkreischen aus dem ohr und muss ueber nachahmungstriebe nachdenken. waehrend ich programmiere, werfen sich affenpranken gegen die scheibe. duenner rauch steigt in der box auf. ich amuesiere mich still ueber den verzweifelten tanz des echten affen. habe ich mich womoeglich in schneider getaeuscht? nanobots saeubern sofort den speichel vom sichtfenster. jaegle erwacht. als sie schneider vor dem tobenden tier sieht, faellt mir ihr name endlich ein. ich gebe die befehle durch. [pn]

vorspann

da wird etwas ins leere geworfen. in eine staubfreie umgegebung. sie haben das tageslicht erneut verpasst, denkt sie. das laufen in die nacht hinein bedeutet nichts. darf man nehmen, was man will? ich verstehe das nicht. nochmal. sie hoert die elektrostatische ladung im nebenzimmer. der ton des fernsehers ist abgeschaltet. sie bleibt auf der schwelle stehen. danke. die dunklen moebel sind mit plastikfolien abgedeckt. der deckenvenitaltor dreht sich gluecklicherweise. sie hat einen toten hier erwartet. stattdessen reibt sie in einem negativen gebet ihre handruecken aneinander. in ihren augen spiegelt sich der wunsch zu gehen. sie setzt sich in diesen schoenen raum. dies ist das land der kalten haende. sie faellt in sich zusammen. die moeglichkeiten verschieben ihr das puzzle. denken auf vorrat macht hier keinen sinn. sie steht jetzt und streckt sich. das schale leben fuellt sie wieder aus. eine gaensehaut geht ihr ueber den ruecken. ihr ichfeld um den koerper expandiert. sie greift nicht mehr ins leere, sie steht mit nackten fuessen auf der schwelle und handelt jetzt in wirklichkeit. [pn]

kontrollueberzeugung

`beim luegen fuehle ich mich wie eine hure`, sagt emily und blaettert dabei lustlos durch die illustrierte. die bilder sind ihr nicht bunt genug. die zeitschrift ist von 97. emily lacht ueber die frisuren der models. mit dem kugelschreiber malt sie ihnen die augenhoehlen aus. die spitze reisst papierlagen hinter sich her.

`wenn das der erste stock ist`, sagt sie und zeigt auf die oberste seite,
`dann fahre ich jetzt in den keller.`

`du bist ein schlaues maedchen, emily.` die blonde frau hat sich vom fensterwischen abgedreht. vor der scheibe halten zwei polizeireiter.

`du kannst dir noch ein eis nehmen.`

`du weisst doch, ich hab kein geld.`emily setzt ihre kapuze wieder auf.

die blonde zeigt in die ecke des ladens. emily steht auf.
`weisst du, mein vater kann nicht lesen.` sie nimmt eine weisse verpackung aus der plastiktruhe. der verschluss zischt kurz. ein polizist ist draussen abgestiegen und kontrolliert einen obdachlosen. er haelt den ausweis mit zwei fingern fest und reicht ihn seinem vorgesetzten hoch. die worte werden von der scheibe geschluckt. die blonde bittet emily hinter den tresen zu gehen und einen knopf zu druecken. emily kleckert etwas eis auf ihren pullover.

`drueck jetzt den blauen knopf.`die stimme der frau ueberschlaegt sich wuetend. hektik draussen. die fenster des ladens verspiegeln sich. emily zieht die augenbrauen hoch. pferdewiehern. etwas schlaegt hohl gegen das fenster.

`kannst du lesen?` emily reibt das eis in die kleidung. die blonde stellt den aufgehaengten fernseher lauter. immer mehr balken in der anzeige. volksmusik droehnt durch den raum. emily sieht sich in der spiegelflaeche. sie aergert sich ueber den fleck und die ueberfluessigen kalorien. draussen schreie. grotesker peitschenknall. die glaeser in den vitrinen zittern. die blonde konzentriert sich schweigend auf den bildschirm. `kennst du dieses lied, emily?`

pferde im galopp.

`ich muss nach hause, bevor es dunkel ist, tante.`

`gleich.`sagt die blonde und greift den putzeimer. `male noch ein paar minuten etwas aus, ja ?`

emily nickt. der kugelschreiber ist leer. emily kratzt augen aus. als sich die schleuse oeffnet, faellt der blonden ein, dass sie emily sagen will, dass sie das wort nicht mehr benutzen soll.

[pn]

muenchhausen-by-proxy

holzcity. im baumarkt vor den schrauben. ein skin mit fluoreszierendem headset spricht anscheinend mit seiner besseren haelfte. die stimme ist auffallend leise. `miss es bitte nochmal aus, schatz.` er stellt ein bein federnd auf die warenablage, laesst sie nachgeben. seine kopfhaut glaenzt nicht, sie wirkt matt und gepudert. abgeflachter hinterkopf. seine mutter hat ihn als baby nicht genug auf die seiten gedreht. ich fahre das regal dicht neben ihm ab. greife verpackungen heraus. im hintergrund ziehen kunden drahtkabel von der trommel, nehmen mass, kneifen gewuenschte laengen ab. der geruch im markt ist charakteristisch. jeder mitarbeiter hat bereits nach wochen kopfschmerzen. ich ueberhole den skin und hoere ihm jetzt mit dem ruecken zu. ein endlosvideo erklaert leierrnd duebelsorten, versperrt mir den telefoninhalt. sein schatz beginnt vielleicht zu weinen. `beruhig dich.` der tonfall des skins wird unertraeglich sanft. macht uns zuhoerer im gang befangen. selbst der abteilungsleiter, der hinzugetreten ist, zieht ein fragendes gesicht und verschwindet wieder.

als ich beginne das interesse zu verlieren, bricht ploetzlich das schraubenregal entzwei. fluegel, kaefig und hut-muttern. triwing, sechskant, phillipsschrauben. vierzig sorten stuerzen auf den abwaschbaren boden.

der skin und ich springen zurueck. eine kettenreaktion. regalwaende kippen von uns weg, legen sich schiebend gegeneinander. hobel und bohrmaschinen gleiten von ihnen ab. begraben ahnungslose unter sich. schreie mischen sich unter das stahlkonzert. die neonroehren fallen aus. ich fuehle, wie mich eisenwaren streifen. dann sehe ich das schwache licht an seinem schaedel. dankbar folge ich dem skin. lege mich geschmeidig in die kurven. reisse mir beim stolpern die kleidung auf. renne dem gluehwuermchen hinterher. es aendert sein tempo andauernd und boshaft. die regale fallen immernoch. dumpfe dunkelheit. menschen weinen um eingeklemmte koerperteile und zerdrueckte freunde. sie bedauern tiefe einschnitte. soetwas passiert doch nur im film und im ausland. in kasachstan zum beispiel. eine lautsprecherstimme bittet um das bewahren der ruhe. die folgende rueckkopplung laesst dutzende von armen synchron zu den ohren greifen. beissender geruch erreicht mich. feuerfarne wachsen an den wellblechwaenden. cobaltblauer plastikrauch legt sich als firnis auf die haut. lackverbrannte ohnmachtsangst. das headsetlicht versinkt. ich steige ueber menschenberge. fuehle haende an den hosenbeinen zerren. in panik wird gelacht.

draussen sirenen. hoffnung auf rettungswagen, wie kinder auf den eismann. hinlaufen. klimpernde groschen in der hand. auch wenn er nur drei aufgetaute sorten hat. es schmeckt, weil es anders ist. woher kommt dieses ploetzliche sommergefuehl? ich weiss nicht, ob ich noch in bewegung bin und muss an ambrose bierce denken. dann sehe ich das kleine licht doch noch. es scheint aufzusteigen, als haette der skin sich emporgeworfen. seine staerke aus der ernaehrung des helden. bier oder wasser. verschiedene wege zum selben ziel. alles eine aneinanderreihung. es wird mir zu bewusst. selbst auf der flucht finde ich zeit fuer widerspureche: ich lenke meinen koerper nicht geschickt genug. an einem berg aus umgeworfenen rasenmaehern muss ich halten. die klingen drehen sich hitzethermisch. unfaelle sind unsere luxuskriege, denke ich. wir ueberlebenden sammeln uns an dieser letzten barriere und schauen uns an, suchen nach loesungen und einem anfuehrer, der deutliche worte spricht. `ich habe damals ueber den elften september und seine bildgewalt gestaunt.`sagt eine frau weinend und unaufgefordert neben mir. `diese zu boden stuerzenden koerper mit angstkreisenden armen.`sie beisst achtlos ihre lippe auf. `als sei das fluegelschlagen ein ausdruck des lebens und nicht des sterbens.` zum ersten mal an diesem vormittag bin ich ueberrascht. [pn]

marathonmoench

eine gerade ist die kuerzeste verbindung zwischen zwei punkten. beim lesen des satzes zieht der moench die stirn zusammen. die folgenden seiten sind herausgerissen. blitze schlagen ihm loecher in den blick, als er den ratgeber auf den plastikboden gleiten laesst. moench komar steht auf und schaltet den plattenspieler aus. spinner-musik. die nadel haengt trocknend in der letzten rille. seine einsicht : wieso habe ich die gedankenleere begonnen? er dreht sich mit dem oberkoerper zur wand, sucht eine flaeche in der er sich spiegeln kann. am vortag hat ein kunde nach der beichte aus verzweiflung die fensterscheibe eingerissen. kalte luft sticht am pappkarton vorbei in das zimmer. fogging-effekt an den seiten des wohnkartons.

komar hechelt bei jeder bewegung seines schwammigen leibes. draussen fallen duenne nadelstreifen. ein turm aus rauch waelzt sich am horizont entlang. komar biegt eine ecke der pappe zur seite und spuckt hinaus. er wechselt auf eine andere aussicht an der konsole. gruene huegelkuppenwueste, statt endzeit. kontrolle des eigenbildes. die wortkombination schiesst ihm in den kopf. komar will die ratgeberhetorik trainieren.

nachrichten aus der bocs. ungenauigkeit manifestiert sich durch die lautsprecher in den waenden. ladybot gibt die zahlen der verbliebenen baeume bekannt. motivationsansprache und durchhalteparole. traenenwetter. der porno des abends wird angekuendigt. ladybot hat ausgeschlagene zaehne. ein techniker stuetzt ihren hinterkopf mit einem eisenstab. er duckt sich hinter den moderationstisch, seine schultern ragen trotzdem ins bild und verdecken die traditionskarte europas. truppenbewegungen werden in bunten farben auf das display projiziert.

komar sortiert seine buecher, blaettert nebenbei durch eine biographie hitlers. strenger alter hitler! er lacht. die gabel stochert blind in der nahrungsklappe. alles aus einer wand! mit dem aermel der kutte wischt er sich das fett vom mund, laesst stuecke des kalbfleisches an sich abrutschen. in der konserve bleibt nur die gelbe gelatine zurueck. nach dem gebet wird uriniert. komar stellt sich auf die graue neutralplatte. die selbstreinigung glaettet den boden, entzieht die gerueche. luftfiltersymphonie, waehrend die abfaelle abgebaut werden. bot bot nanobot! komar streckt den mittelfinger aus. er kleidet sich in der nebenkammer an. hier ist das kreischen des phantasie-pornos leiser und kaum zu hoeren. komars lange finger greifen nach der bekleidung: gesichtssack, enge brille und trittstiefel.

die h-wache im aufzug sitzt in ihrem kaefig. komar stellt sich in eine enge menschenreihe. vierhundert personen fahren im gedimmten licht zur bodenebene hinab. eine hydraulische frau justiert neben komar leise ihr skelett. zischend steigen kleine wolken aus den kuenstlichen gelenken, ihre endorphinen schuebe bringen komar aus dem takt. laehmung vier? seine frage ist beinah unhoerbar. der druckausgleich presst alle lungenfluegel ein. die masse seufzt.

weibchen, denkt komar. sie streckt ihm die hand eckig entgegen. izzi, sagt sie dazu. ihre gesichtsplatte glaenzt und zeigt ein wunschbild aus komars gehirn. moireeffekt. es wird von stoerrischen linien druchzogen. komar ist dankbar und wundert sich ueber die blaesse seiner konstruktion. das gesicht einer pornobraut. die passagiere ekeln sich ueber die romanze. komar zeigt ihr als ausgleich sein profil und woelbt den sumobauch nach aussen. die kutte spannt sich. fahrstuhlzangen schnappen ein. izzi lacht. ihre linke schulter ist abgerutscht. es stoert ihn kaum. er ist benebelt.

die herde entweicht durch die aufzugstuer. h-wache treibt die menge an. er zerrt schreiend seine stimme, haelt eine hand an den offenen hals, um die pulsierenden baender zu baendigen. dreihundertdreissig trippelschritte bis zum ausgang. kontrolle um kontrolle. izzi schlaegt eine schneise. komar greift die henkel ihres anzugs und zieht sich auf izzis ruecken auf. sie beugt sich nieder. hydraulik pumpt. komar schwebt. wie am fliessband gleiten sie den gang herunter und werfen sich durch die expresstore nach aussen. [pn]

vicodin

als sie aufwacht ist der raum noch voller dunst. automatisch springen die filter an, die luft wird getauscht. guten morgen, guten morgen, die stimme wiederholt die worte in einem langgezogenen stueck. sie denkt an einen alten tag , in der schule, sie weiss nun, dass man das geraeusch der kreide schon im kopf erwartet, einige sekunden frueher, bevor die kreide an der tafel reisst. sie stellt die schwachen beine auf den boden. es regnet, faellt in stecknadeln. sie hat kein brot im haus, trinkt einen kaffee. ihre medikamente nimmt sie mit einem glas saft vom vortag. er ist warm, das kann sie nicht ausstehen. in ihrem mantel ist nichts, sie stellt fest, dass sie noch platz hat. auch beim atmen macht es ihr keine probleme. ihre haare sind wirklich schoen. sie denkt es sich, obwohl sie den traum vergessen hat. deshalb nimmt sie beim herausgehen zwei lange messer und steckt sie in die innentaschen.

draussen ist es hell. als waere ein film ueberbelichtet worden. zwei oder drei blenden. an der ecke trinkt sie ihren zweiten kaffee. wirft angewiderte blicke an die passanten. fast alle tragen weisse augen. huebsch, huebsch. die messer druecken nicht. sind angenehm an der haut. die ist ebenfalls schoen, das sagt ihr spiegel. in dem styroporbecher schwimmen fliegen, gleich zwei. der kaffee ist billig, aber sie laesst ihn stehen. die jahreszeiten wurden abgeschafft, es wird gezaehlt. es ist alles eine nummer. die dystopie ist wirklichkeit, kam schleichend. so dass alle sie gefressen haben. das fernsehen steckt man sich noch nicht in den schaedel, man ist noch nicht soweit. konventionell brennt es sich auf die retina. gefressen wird immernoch aus der tuete und mit heissen wasser gekocht. sie ist erstaunt ueber ihre kritikfaehigkeit. sie kann noch denken. wagen fahren vorbei, an ihnen pulsieren die bilder. es ist relativ still. heute muss ein konzerntag sein, denn es sind mehrere sonnen an den himmel projeziert. von ihrer position kann sie drei sehen. der kellner kommt vorbei und wischt den tisch wieder weiss. er traegt weiss, die waende sind weiss, seine augen. er fragt ,ob sie kaffee will. eine digitaluhr an der wand zeigt absteigende zahlen. solange ist der kaffee frei. sie schaut ihn nicht an. schaut auf die strasse. er wartet, dann dreht er ab.

vorbei an den fontaenen, die u-bahn ist schon seit wochen gesperrt. das gehen tut ihr gut. sie fuehlt, dass die klingen warm geworden sind. sie ueberholt. sie hat magenschmerzen und geht in eine pharmazie, die medikamente sind kostenlos und ohne geschmack. draussen schreit eine menschenmasse, doch nur wenige drehen ihren kopf. als sie heraustritt sind schwarze rettungswagen vorgefahren. und graues militaer. sie sperren die strasse und den platz, weil ein lastwagen umgefallen ist. auf dem boden um die unfallstelle liegen weisse puppen aus prozellan. dort wo die haut des tankes beschaedigt ist sinkt weisser dampf auf die strasse. die menschen werden mit stockschlaegen zurueckgedraengt. es ist ein stickstofftransport. einige augenblicke spaeter sind die hubschrauber am himmel. ihre rotoren sind gewaltig, aber lautlos. sie werfen nur schatten. sie schliesst den mantel und zieht die maske ueber das gesicht. schnee faellt in grossen mengen. puppen, die um diese uhrzeit fettbecher loeffeln oder ihre kleidung richten, schwere aktenkoffer tragen, gefuellt mit geldscheinen oder abfall. nur das affengesicht kann er nicht abstreifen. die kiemen in der maske sind verklebt. sie muss sie oeffnen. an ihr vorbei treiben die wagen. gekochtes farbiges wasser laueft an den haeusern hinab. sie glaenzen so stark, dass keiner in den himmel schauen kann. es gibt dort nichts zu sehen.

eine gruppe kinder kommt aus einem schnellrestaurant. sie sind nicht von hier, denkt sie und sieht die abzeichen an ihren jacken. nur eine werbeaktion. flugzeuge werden mit hungernden gefuellt und in den staedten gefuettert. die gesichter sind starr, mit beruhigungsmitteln aufgeschwemmt. augen klein und grau. jetzt folgen die kameras und der grinsende clown, in den letzen jahren schon oft seinefarbe geaendert. ihr ist schlecht. sie zieht die maske ganz herunter. der schnee gefriert auf ihrer haut, dann will sie sitzen. dort.

das lenkrad dreht sich zu weit nach links. der fahrer steuert gegen. sein aufgeschwemmter koerper ist in die schale eingeklemmt. als der wagen kippt zieht er funkenschlagend eine spur unter sich her, schlaegt kuessend gegen die betonpfaehle. unter der spur , zwei frauen eingeklemmt, nichts weiter. nur noch flecke. die parallele hat zwei loecher in zwei koerper geschlagen, aus dem tank quillt die fluessigkeit genauso wie aus dem mann in der kabine. er lebt noch , als sie ihn verlaesst. auf dem asphalt gefrorenes gewebe, als waere eine turbine angestellt. spaeter atmen sie schwer als sie mit schaufeln die flachen koerper schnell verstecken. adrenalin wird ihnen zugefuehrt. der polizist  der vorne steht, hat heute geburtstag.

sie hat zwei stunden gewartet. das herz ist in die richtige richtung gewandert. sie trommelt einen rhythmus auf die glaskacheln, auf denen sie sitzt. jetzt endlich kommt der stotterer, er hat einen schwungvollen gang. von weitem sieht er, wie er gaehnt. er sagt nicht gerne seine saetze. als er naeherkommt sieht sie seine schmutzige gesichtsmaske. lass sie bitte auf, draengt sie. sie kann sehen, wie er unter ihr laechelt. zwei sonnen sind ausgeschaltet worden. es ist dunkel und feucht. die silben aus seinem mund sind ihr gebet. wissen ist truegerisch. alle verhalten sich auffaellig, so kann niemand belangt werden. in der linken hand traegt er eine durchsichtige tuete mit pflanzensamen. er streut sie auf die betonflaechen. das stimmt nicht. sie schuettelt sich. er hat sie angefasst. deshalb hat sie halluzinationen. sie darf ihm nicht zunah kommen. sie bittet ihn seine handschuhe wieder anziehen. damit sie sicher sein kann. nonnen in braun spazieren vorbei. sie tragen aus religioesen gruenden keine masken, ihre haut ist grau. wasserstoff ist in der luft. sie hoert gebete zur postmoderne. es regnet wieder.fuer einen augenblick hat sie die messer, den mann vergessen. sie nimmt keine tabletten mehr. es gibt keine. morgen ist sie frei. dies ist meine zukunftsvision, die baeume sind mir egal. hauptsache es gibt luft und sei sie aus maschinen herausgeatmet. sie kratzt sich. der stotterer moechte die messer sehen, er ist begabt. sie schuettelt den kopf, zittert. nimmt einen schluck aus der wasserflasche, die sie gekauft hat. nur eine pause. der stotterer laechelt. er weiss , dass er nichts weiss. er ist ein moderner prometheus. es ist egal, da es keine ideale gibt. es wird zuviel gesprochen. hoehe toene folgen niedrigen. es ist eine frage der frequenz. keine katastrophenmeldungen mehr. kuesse sind erlaubt, auch das nachfragen. sie steht auf. der stotterer ist gegangen. wuesste sie geschichten aus der vergangenheit, so duerfte ihr die angst in den nacken kriechen. binaeres lachen. stickstofflaster fahren abends haeufiger. chemie, in und um die koerper. sie dehnt sich und spuert sich einen augenblick. hoffentlich hat er sie nicht lange angefasst. es laesst nach, sie biegt ab , sie kennt die strassen, weil sie im kreis geht. ich habe ihn doch zulange angefasst, ihre gedanken sind durcheinander.

wir haben ihnen eine schlinge um den hals gelegt. das mag sie auf den ersten blick erschrecken, aber so koennen wir alle sicher sein,dass sie stehenbleiben. dies ist kein verhoer. nennen sie es anders. wissen sie, wieso wir unsere institution so genannt haben? weil es doch der direkteste weg ist allen mitzuteilen, dass die zukunft schon verloren ist, laecherlich, in den haenden weniger. stoert sie der rauch? sie sind doch noch ein kind. los, gib ihm etwas mit dem stock.

sie moechte nicht nach hause gehen. ihr ist der raum fremd. es klopft an den waenden. man moechte den fernseher einschalten. kommunikation ist erwuenscht. sie fragt sich selbst, wieso sie die umgebung beschreibt. die finger zucken. die messer liegen auf dem tisch. es ist merkwuerdig, doch es gibt beinah keine kriminalitaet. hoer auf, sagt sie jetzt laut. dann legt sie sich schlafen.

sie laueft am 332sten tag ihre kilometer herunter. auf den exerzierplaetzen der stadt herrscht das militaer. die politik hat sich abgesetzt, ihre wagen sind farbenfroh. ihre stimmen moduliert. es ist eine deplazierte geste, da jeder blick in gefallsucht ertrinkt. hatte ich freunde? sie bleibt stehen und trinkt. heute ich, ist die luft kalt? ihr kopf schmerzt. sie hat grosse pupillen , sagt der kellner in dem cafe. position eins, sie schaut am nachmittag einen film ueber ertrinkende. zweieinhalbstunden. das popcorn ist gratis und salzig. ein bedarfsarbeiter kommt auf sie zu , er hat duenne arme und einen rasierten kopf. seine uniform ist nagelneu und stinkt nachfabrik und plastik. er ist freiwilliger  sagt er und saugt die spucke durch die zaehne. er moechte mit ihr ausgehen. sie schaut nach einem informationsmast und meldet ihn der polizei. am abend wird er mit stoecken halb totgeschlagen. zuvor gibt ihr der zustaendige beamte einen zugangscode, damit sie dem geschehen elektronisch beiwohnen kann.

an den autobahnen, die aus der stadt in die naechste fuehren liegen die handelsgelaende. hohe containerstaedte. ihre waende sind aus blei, trotzdem kommen die menschen um an den matten oberflaechen zu lecken. sie probieren, ob man den dreck und den regen mit menschenkraft und ohne haende loesen kann.

war das eine schoene geschichte ? dann sei brav und geh schlafen. wir gehen noch aus. ruf uns an, wenn etwas nicht in ordnung sein sollte, wir schliessen unser erdloch mit wellblechpappe. du rufst an mit rauchzeichen. wir gehen zur containerstadt und machen unsere traeume wahr, verstehst du? wir bezwingen die realitaet dadurch, dass wir dies verwirklichen, selbst wenn wir die containerstaedte erst noch bauen muessen. und nun schlaf.

sie wacht auf und dreht sich auf die seite. an der decke laeuft der wetterbericht entlang. heute waehlt sie mit. sie ist fuer regen. gewitter. dann denke ich an nichts, das ist schoen. sie moechte jemanden kennenlernen. in ihrem roten anzug kann sie ihre maske sogar nur soweit schliessen, dass die augen natuerlich herausschauen. alles ein bisschen matt. sie stolpert beim tanzen. die programme bringen einen wochenueberblick, den sie ausstellt. es passiert. [pn]