Alle texte in ‘kriegstagebuch’



invasion

smog. wir schaben ihnen manchmal noch die gesichter mit den spaten ab, um ihnen die wuerde zu bewahren. vor jedem stich schaut mein nebenmann mich seltsam an, als koennte ich etwa seinen fuss lenken, den er auf die schaufelkante tritt. er weint vielleicht dabei. ich weiss es nicht, schaue zu oft zu boden. mittlerweile sitzen die soldaten auf den stotternden lkws. sie lachen nicht mehr. in ihren uniformen wirken sie dafuer schon zu konkret. sie sind wohl hungrig, wie wir. der strassenzug ist bald gesaeubert, denke ich und greife einer aufgedunsenen frau an die knoechel, um sie zum buergersteig zu ziehen. gruenes traegerloses kleid. in meiner hand zerbricht ein knochen unter ihrer haut. sauer liegt mir ein geschmack im hals. dysfunktionale geraeusche. die dolmetscher warnen uns unaufhoerlich durch die megaphone. sie sprechen schlechtes muedes deutsch. kleine geste begleiten ihre wuensche. missbrauch von wissen, selbst dort. im hintergrund brennt bunt die heimatstadt. gebaeude schmelzen gallertartig unter hitzestrahlern, die innenraeume zerreiben sich samt inhalt, wirbeln zwischen panzerketten. nur durst jetzt, sie geben uns zu trinken. fabrikneue trinkflaschen der cola company. ich streiche ueber das matte graue plastik. you can´t beat the feeling. kegelblitze am gestauchten himmel. ich sehe den nebenmann nicht mehr. schuesse fallen ploetzlich, doch niemand zuckt. mein turkey ist seit tagen vorbei. ich sollte den besatzern dafuer dankbar sein. wir gehen in tausendfuesslerkolonnen. am naechsten checkpoint liegen tote hunde breit verstreut. der mond wirkt zu gross. optische taeuschung aufgrund der hochhaueser am bildrand. diese strassenecke ist kaum zerstoert. die leuchtreklamen funktionieren sogar. wir werden zum schlafen in eine schule hineingetrieben. die scheiben sind intakt. vor wochen hat hier noch niemand an krieg gedacht. vor vierundvierzig tagen stand ich nervoes in deinem zimmer und suchte dir unterwaesche aus dem schrank. ich war nochmal in die wohnung gekommen, um meine restlichen sachen zu holen. als ich gerade photos dramatisch von den waenden nahm, rief mich einer der nachbar an, um mir zu sagen, dass du mit einer nierenentzuendung im krankenhaus liegst. ich schaemte mich kurz , da ich angenommen hatte, dass du an diesem morgen bei einem anderen mann im bett bist. eigentlich ging mich das damals nichts mehr an. entscheidung. scheidung. wegscheidung. ich dachte ueber worte nach und wusste gleichzeitig nicht, was ich fuer dich packen sollte. die ganze zeit das gefuehl mich beeilen zu muessen. alles wirkte wie eine schlechte filmszene. nachlaessig und allein fuer den effekt komprimiert. mein wagen sprang vor dem haus natuerlich nicht an. eigentlich war es ein warmer fruehlingstag. trotzdem hatte ich grundlos einen regenschirm mitgenommen. zur klinik war es nicht weit. ahnungslose passanten um mich herum. zu fuss durch den park. eine deiner taschen in meiner hand. die gaenge im krankenhaus gewohnt trostlos und leer. dein zimmer irgendeine hunderternummer. vor der gruenen tuer zoegere ich mit dem anklopfen. du richtest dich blass auf, als ich eintrete. keine schwaeche zeigen. duell. du bist von tabletten benommen und bietest mir eine davon an. ich nehme sie, ohne darueber nachzudenken. altmodische glasflaschen mit mineralwasser stehen auf dem beistelltisch. du oeffnest ein fenster. der geruch im raum ist dir unangenehm. ich sehe deine bewegungen. wir reden ein wenig und trinken den geschmacklosen kaffee, der fahrbar in grossen kannen auf dem flur steht. sind uns ambivalent. halbfreude. schoen bist du. beschuetzenswert. der regenschirm rutscht mit einem knall vom stuhl. wir gehen die flure entlang, in denen man schlurfende pantoffeln erwartet. es ist jedoch leise. die wenigen krankenschwestern wirken wie nonnen. das krankenhaus muss frueher ein kloster gewesen sein. im fahrstuhl lachen wir ueber ein plakat, dass seniorenmusik bewirbt. wir lachen nur um platz zu schaffen. die cafeteria hat nicht wirklich geoffnet. deshalb koennen wir nicht zu mittag essen. klassisch. du hast fruchtkompott. mein apfelkuchen ist klebrig und zu suess. wieder kaffee. das lokalradio spielt schlager. was sonst. einige handwerker essen torte im stehen. sie lehnen sich an das austellungsglas hinter dem die krankenhausportionen quark eingeschlossen sind. die dosenmandarinen sinken ein, bilden eine mikroskopische korona. einer der blauen flirtet mit der thekenfrau, reibt sich die sahne aus dem bart. sie traegt tatsaechlich ein haarnetz. du willst, dass ich dich nicht mehr besuche. ich rauche und nicke. klopfe mit den fingern die erwartung aus dem koerper. falte die wachspapierserviette unter deinen blicken, um sie danach unter den teller zu stecken. man kann durch die jalousien auf das kiesbedeckte flachdach schauen. draussen frieden. ich kontrolliere die uhr, dabei will ich bei dir bleiben. du trinkst etwas stilles wasser. dein blick ist wertestarr. deine augen kullern nicht. zitronenflocken kleben an der innenwand vom glas. deine lippen sind jetzt grenzenlos. du schuetzt dich selbst. wir spielen jetzt rollen unter getrennten praemissen. ich setze alles ein, um nichts zu fuehlen. eine oberflaechensituation entsteht. spaeter drehe ich beim abgehen des flures den regenschirm in schwuengen, lasse ihn kreisen. werfe damit die zerrende spannung ab. autobahnrueckblick. ich hasse jetzt, dass ich dich damals hinter der zifferntuer verschwinden lasse.
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piloten

keine angst vor dem ueberwachungsstaat. du hast angst vor mir, sagt jaegle und schaut mich an. es ist eng in der umgebauten concorde. im hinteren abschnitt des flugzeuges haben wir brom in schweren metallfaessern geladen. wir sind bereits seit tagen in der luft. alle sechstausend kilometer fuellt eine zwillingsmaschine unsere fluegel auf. jaegle schaut auf ein verschweisstes bullauge. jucken dir auch derart die ellenbogen? sie verlaesst die kniehocke und nimmt dabei keinen arm zur hilfe. eindrucksvoll in diesen schweren anzuegen. sie schlaegt mit dem handschuh gegen mein visier. bietet mir mit getoentem helm in einer eindeutigen bewegung die paarung an. auf dem boden, denke ich. die naechste stunde verbringe ich im lernschlaf. eine meldung des bordcomputers weckt mich. stumm stehen wir an den nahrungskabeln, um uns einzuklemmen. schneiders ablauf muss wieder durchgeschossen werden. er schaut zuviel fern in seinem helm. verbringt den gesamten flug nur in sich selbst. die hydraulik seines anzuges kontrolliert leise und vollstaendig seine glieder. er liegt im stehen. hoert oldies dabei. ich habe erst vierzig prozent abgegeben, um mich besser auf meine arbeit konzentrieren zu koennen. jaegle fuettert ueber ein terminal den testaffen. im neonkasten sitzt h4 hinter plexiglas, frisst mit schlaffer hand die schwarzen pellets, die hineinfallen. ich stehe in der naehe. ein teil von mir liest datenmengen aus. die restlichen anteile nutze ich, um mit jaegle ueber die hypnotischen bewegungen von giraffen zu sprechen. sie hat angeblich schon mit dieser art gearbeitet. ich gehe wortlos in neid ab, um mich bei der zentrale zu melden.

spaeter steht jaegle an den anzeigen des bromwerfers. ich erkenne, dass sie sich im anzug noch selbst bewegt. dann spuere ich einen druckausgleich. der nachbrenner zuendet. wir steigen durch die schallmauer auf siebzehn kilometer. verspruehen elf tonnen ueber oslo. die videomonitore zeigen die hinter uns entstehenden kondensstreifen. rotbraunes eis wird in den himmel gerissen. die hormonpumpe gleicht mich aus. anscheinend hat der computer schwankungen in der gruppendynamik festgestellt. jaegle gefaellt mir jetzt sogar noch besser. der autopilot wird abgeschaltet, als ich ins helle cockpit steige. die anzeigen justieren sich neu. melatonindaempfer, sagt ein stimme begeistert hinter mir. jaegle folgt bereits. wir duerfen nicht auffallen. sie wiederholt es immer wieder. nachrichtenupdate. neues kartenmaterial. schneider ist ganz versessen die koordinaten einzugeben. sein tatendrang irritiert. die kanonen pumpen unermuedlich brom. ich frage mich, wie ihre haut riecht. nach der veraetzung wird sie ebenfalls neue teile brauchen. ihre morphindosis wird seit tagen erhoeht. als sie naeherkommt nehme ich ihr profil vom schirm. ich versuche sie abzulenken. wir gehen im netz spazieren. kaufen ein paar kleidungsstuecke. ihr ebenbild ist merkwuerdig. ich verstehe den zierrat nicht. ich frage mich, ob es ihr eigener scan ist oder nur ein avatar. ich habe schon lange keine echte frau mehr nackt gesehen. sie will nicht. sie sagt, dass sie mit mir nicht tanzen geht, da menschen keine pfauen sind. ihr einwand ist interessant. ich sage ihr foermlich, dass dies nur ein test war. tanzen sei im konfliktfall verboten. sie schweigt und wechselt in sekundenbruchteilen ihr kleid. der andauernde takt der farben stresst meine augen. ihre absicht ist offensichtlich, macht deshalb muede. die baeume werden neu geladen. freiflaechen entstehen. kaputte vektoren um uns herum. bots tauchen auf. unter ihnen elektronische haendler. unsere firewall kickt jetzt energisch. reiner eklektizismus unserer gefuehle. jaegle sieht mich wuetend an. sie aktiviert einen ausgang und verlaesst das areal. ich setze mich in der simulation auf den boden und beginne nacheinander die gesamte landschaft zu entfernen.

der ton der wirklichkeit bricht langsam wieder ein. schneider lacht hysterisch. turbinenhintergrundrauschen. der dumpfe nachbrennerschub koppelt mich ab. neue anweisungen werden vom bordcomputer verteilt. ich sehe jaegle immernoch ausgeschaltet und klar an der wand stehen. sie bleibt mit beschlagenem visier noch drinnen. kursaenderung. das flugzeug steigt ab. im heck quaelt schneider h4 mit elektroschocks. ich filtere das affenkreischen aus dem ohr und muss ueber nachahmungstriebe nachdenken. waehrend ich programmiere, werfen sich affenpranken gegen die scheibe. duenner rauch steigt in der box auf. ich amuesiere mich still ueber den verzweifelten tanz des echten affen. habe ich mich womoeglich in schneider getaeuscht? nanobots saeubern sofort den speichel vom sichtfenster. jaegle erwacht. als sie schneider vor dem tobenden tier sieht, faellt mir ihr name endlich ein. ich gebe die befehle durch. [pn]

himbeergeraeusch

ihre fingerkuppen schaut er an, folgt mit dem auge dem kanal in ihrer haut, dreht sich in der spirale. zum memorieren bleibt ihm keine zeit. er wirft ihr einen luftkuss zu, der sich im gestruepp vor dem haus verfaengt, so wie die maenner hier im stacheldraht. erde spritzt fontaenengleich, sein herzschlag folgt dem bombenschlag, die dicken tropfen fallen vom himmel. enfernt. ihr ist als sei ein schatten durch den raum gelaufen, sie kann nicht an ihn denken, dann laueft er los, damit es vorbei ist.die haende stecken in der erde fest, er zieht sich hoch, spuert rasen an der wange und dreck unter den naegeln. bienenschwaerme irren umher, beissen und toeten willkuerlich.

auf dem feld ist es leiser, als im graben , passagiermaschinen sind im himmel, manch‘ insasse auf den plastiksitzen eingebrannt. die sonne scheint laechelnd herunter, ihr ist es gleich, dass insekt um insekt aus loechern kriecht um sich zu waermen. sie hat sich schulden machen lassen, blendet die schuetzen, nimmt positionen ein, in einem fuer sie unverstaendlichen konflikt. beim laufen zeigt das bajonett nach vorne. der mann ist jetzt beherrscht, hat sich in einem flur versteckt. in bunter kleidung sitzt er , eingepackt, mit werbung auf helm und gewehr. die scheiben der knie schon lockergelaufen, mit anderen soldaten warten sie , dass drohnen kommen, die sie sehend machen. er kann sich an seinen namen nicht erinnern, ein jeder juri hat doch seine natascha, der nebenmann stoesst ihm die zigarette ans auge, weil er beim sprechen nah herankommt, seine eigene zunge im mund behalten muss. blutig seine art und eingerissen sein gesicht, alle muessen kuenstlich ueber seine witze lachen und haben angst, dass er erfaehrt, dass keine sanitaeter kommen vor dem morgengrauen. wieder paukenschlaege und pfeiftoene in den ohren, sie blicken um sich und wissen nicht , was sich bewegt hat, welcher koerperteil jetzt zucken will vor angst. ein alter hat sich benaesst, die anderen schauen weg, schweigen nicht lange darueber. der hauptmann tritt hinzu, kommt durch ein unsichtbares loch gekrochen, hat umgebungskarten mitgebracht. haelt sie, als sei dies schon ein triumph. der erste schritt ist immer der schwerste. sein kommentar ist trocken, er hat sich eine miene einstudiert am morgen. an einem spiegelstueck stand er vor der wagen. der motor lief. die nutte zog sich das hoeschen hoch. hier im distelkeller ist nichts rosa, die einschlaege pressen uns zusammen, staub zieht durch die entglasten fenster, wie ein boeser geist. ein neuling hat glueck gehabt. ist schreiend aufgestanden, als erinnere er sich an seine schulzeit, tief in seiner schulter steckt jetzt eine scherbe. sie kennen alle den grund fuer seinen euphorie. es fliegen gegenstaende, die keine absicht dazu hatten. die maenner werden mit einem befehl durch die ritze in der wand gepresst, ladehemmungen, kugelblitze und schussgefecht drinnen. von der decke verteilen offene kabelenden stromschlaege. ein mann wird in einer tuer eingeklemmt. da kein platz an den seiten ist wird parteiuebergreifend hindurchgeschossen. ein spaziergaenger am waldrand wuerde in dem haus kinder vermuten, die feuerwerk platzen lassen. eine eule sitzt auf einer astgabel und ruht sich aus. sie hat eine maus gegessen, das laesst sie zehren und muede werden. [pn]

nachbarfischbewegung

als die futuristen mit wut im augenwinkel das einschliessen der sonne in einen betonkubus einforderten, gelang es ihnen nicht von der zerstoerung der natur zum ueberziehen der armbinde eine atempause zu lassen. tropfend vom saft der heilsversprechen erstarrte ihre stimme und kein neues kunstlicht fiel auf die maschinenszenerie, keine beschleunigenden botschaften, nur leichenberge stapelten sich im himmel auf. [pn]

rotor

liebste […] die schutzbeduerftigen schreiten voran. die jungen, die nichts geworden sind, werden nichts mehr. sie koennen kaum die beine heben, bleiben in der erde stecken. nadelregen faellt. die offiziere lassen sich von huren zusammenklappen. vom feldherrenhuegel erscheinen die maenner wie punkte, sie zerfallen, sfumato. letzte woche waren wir zu hause, bei den frauen aus angst. zum glueck hat keiner kinder. im generalskarton: porzellantassen werden fuer die tiere geliefert. dieses weiss schreit uns an, schlaegt uns die zaehne aus der fresse. unsere vorgesetzten zoegern beim sprechen, haben einen sekundenatem, wenn sie uns verschleudern. jemand hat ein akkordeon mitgebracht, doch wir hoeren lieber das radio. dort werden uns tausend kuesse versprochen. die zahlengitter auf den landkarten erobern wir. planquadrat um planquadrat. allein die farbe rot erregt. die huren tragen rouge und lippenstift, den will ich verschmiert sehen am kinn der kameraden, die in die granaten laufen. aufgehaengte leiber um stacheldraht und panzerketten gelegt. so viel pulverdampf, dass man nicht atmen kann. frontpriester segnen unsere gewehre, pruefungen, die bestanden werden sollen. wir kennen den feind nicht. ich schlafe schlecht, weil immer neue zuege kommen, aus denen schlotternd maenner aussteigen. bleich bei der ankunft, bleich beim wegfahren. ich sage dir, die sind nicht mehr als draehte oder zwiebelschalen. kuesse dich aus erbarmungsloser entfernung, […]

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gleich vorbei ikonoklast

ich muss schreien, weil er weiter auf die leiche schiesst. er hoert nicht, reisst sie einfach entzwei. zittert schaumig, schaut in den horizont, will dort etwas festhalten. als schuetze kneift er die augen zusammen, verlagert die tiefenschaerfe. das hat er geuebt. das zittern nicht. ich schlage ihm auf die schulter. neben uns hebt die artillerie keller und graeben aus, hier werden keine haeuser gebaut. soldaten laufen ineinander, wie eine tuer mit fluegeln, dahinter raum an raum gehaengt. in jedem dieser raeume hat der soldat einen stuhl gestellt und schaut sich auf der leinwand eine szene seines lebens an. viele gehorchen, alle gehen durch eine phase, fast jeder hat ein bild gewaehlt, auf dem er nicht alleine ist. [pn]

begruessung durch trockene haende

tunnel und lichtkegel wechseln sich ab, dopplungen von worten sollten vermieden werden. es folgen leichte sommeranzuege aus duennem stoff, die spazierstoecke sind daheim an die wand gelehnt. am morgen hat ernst zwei eimer kohlen aus dem keller geholt, schwarzfettige haende gewaschen. selbst jetzt im sommer ist es in der hellhoerigen wohnung kalt. jetzt sitzt ernst in der strassenbahn, die pferde haben diese nacht gut geschlafen und vor kurzem die futtersaecke geleert. beschlagene hufe schlagen auf den teerboden. im wagen riecht es schnell nach fisch, papiertueten liegen in der mittagszeit auf den oberschenkeln der passagiere, kleben an den hosenbeinen. das fleisch ist zu frisch, entlaesst den rosa saft. die leeren haende werden gefaltet, ernst haelt sich aufrecht, er muss heute den gemeindevorsteher sehen, ernst traegt einen brief in der manteltasche, nach dem er ab und an fuehlt und eine ecke des zitronengelben umschlags betrachtet. am exekutionsplatz steigt niemand aus, hier hat die polizei ihre eigenen reitstaelle. es wohnen kaum buerger in der umgebung. die ulmen haben an den strassenraendern aufgehoert zu wachsen, als haetten selbst sie den toten boden verstanden. auch die pferdekoepfe schlagen aus, dass die bahn auf den schienen davon zittert. ernst verlaesst an der naechsten haltestelle die bahn, er laueft den huegel zum rathaus hinauf, vorbei an den buden der kleinen haendler und handwerker. in diesem teil der stadt ist elektrizitaet vollstaendig verboten. es ist eine schrulle des buergermeisters, der lieber hunderte von brieftauben von den grossen fenstern des gebaeudes aufsteigen laesst. sie sind dressiert nicht auf die strassen zu koten. so muehen sich die menschen nicht einmal den blick zu heben, wenn die voegel stuendlich die sonne verdecken und grobe schatten auf den boden und in den park werfen, der weitlaeufig um das rathaus angelegt ist. bis heute hat das geld nur fuer einige tuempel gereicht, nicht fuer den prachtsee, auf dem der buergermeister feine damen mit sonnenschirmen in booten treiben lassen wollte. nun werfen stechmuecken ihre larven in das stehende wasser, machen einen aufenthalt durch laerm und attacken ins gesicht unmoeglich. ernst legt den blick zur seite, da er einen bekannten in der menge erkannt hat. dieser steckt den kragen hoch und sagt:

solange kein blut in rotz oder der pisse ist, kannst du kaempfen.

dann schlaegt er ernst als offizier auf die schulter. ernst findet sich in einer gruppe rekruten wieder. sein nebenmann rollt nach links oben mit den augen, wie jemand der im kopf ein bild konstruiert. sie nennen ihn ladehemmung, obwohl sein gewehr immer schiessen kann. es geht zurueck zum zug, die gesamte division verlaesst das land. ernst erinnert sich, dass er heute seine einberufung verhindern wollte. weiter, weiter, schreit der offizier. die spucke schluckt er herunter, nur der gestank fliesst ihm aus dem mund. ich habe gewissensbisse, denkt ernst, weil ich zwei feinde und zwei zivilisten erschossen habe. der offizier hat ihm gestern auf die schulter geschlagen. die einzige lobende handlung, die er kennt. heute bekommt ernst dafuer einen abdruck auf die augen. er klettert in den panzer hinein und lacht kurz und hart darueber, dass er nicht zwischen ihnen umherirren muss.

[pn]

feldpost

neulich , die belle epoque,
das ohrenpfeifen ist im kopf,
rost auf den zaehnen,
keramikkrampf, auf schienen
fortgerissen, geduldet in geschwindigkeit,
zerreibt der antrieb fein den koerper,
hoert kein heldengeschrei mehr,
sieht nicht zur seite,
wo blicke nur fontaenen,
ein straffer griff an puls und angst.
wenn jetzt das herz schlaegt,
doppelt schnell, es macht dir
noch die wangen weiss,
und du gezwungen wirst zum
blick nach hinten, obwohl
du weisst, dass du vorangehst,
rotfatal.

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futurist & kurve

er beisst sich durch die nacht. nachdem sie seine ersten zaehne herausgenommen haben,setzen sie die neuen ein. ist dies schon ein konflikt ? manoever und konkurrenz, er kann noch feiern,noch frieren. die neuen klappern noch gut. der arzt kostet nicht nur geld, sondern auch zeit. die ist abstrakt und umsonst. er sagt noch niemanden davon. aus mitleid mit den anderen. drohungen aus strom, so wie sie davon sprechen, haben sie angst davor. seine aspirin nimmt er. er quaelt sich und trinkt doppelt soviel. konzentrieren sie sich auf kraeftige farben, sagen die aerzte. er darf aufstehen.

der flur ist hell. keine insel. sehr lang und zerstoererisch. seine papiere darf er gleich mitnehmen, roentgenbilder, schmerzstiller. beissschiene fuer die nacht. er steht am wasserspender und zieht das getraenk ein. bezahlt am ausgang, sieht einer schwester nach und einem mann, der im rollstuhl sitzt und eine infusion liegen hat. besser aus dem pappbecher. die kacheln werden zu beton , dann zu platten. irgendwo ist auch ein bisschen grass. die stadt erwacht , wird lauter. spinner auf fahrraedern und zeitungsleser. vertrauenssprung, doch keiner faengt ihn auf. die glatze hat er vergessen, erst in einem schaufenster bemerkt er den unterschied. sonst sieht er sich nur auf photos , die schon alt sind. keine spiegel in der wohnung. in zwei wochen auch keine wohnung mehr. hier in der strasse ist ein kulturfest. er hat es satt. alles was interessant ist,kostet auch ein bisschen geld. die projektionen sind zwischen uns. das tatsaechliche und die teilung, er muss sich den kopf an einer waschstation mit kaltem wasser abstrahlen. in den gassen haengt die hitze, er fuehlt sich wie im orient, den er von bildern kennt. kauft sich den turban, von dem er so lange getraeumt hat. [pn]

11. januar

die batterie schleppt die einheit mit, wir graben einen graben, redundant, wie viele meter noch, keucht mein nebenmann. blitze am himmel, photoapparate unten, fuer die angehoerigen. sein letztes gesicht, im zelt wird genaeht, einige schlagen purzelbaeume, verletzt und kein blaulicht dabei. ich lese eine kriegsgeschichte und lache leise mit zusammengekniffenen lippen. nicht so tief ! legt die schaufeln aus der hand. wir machen eine pause. [pn]

funkraum

der offizier hat schlamm an einem hosenbein. schauen sie auf das radar, sagt er und verschwindet im dunkeln. es ist so still jetzt, dass mir die ohren pfeifen. radio verboten, sagt das schild. ich druecke einige knoepfe, leiste meinen beitrag. wir sind beinah abstrakte maler. psychologen ! verbessert mich der haeftling hinter der holzwand. auf dem bett denkt er an seine freundin oder einen hund. oder an die erde,die weint, weil sie von pluegen zerissen wird. ich suche im kopf nach farben und greife nach einigen papieren, die auf dem gruenen block warten. dort ist der bildschirm eingelassen. sprechen verboten, was ? hoere ich die stimme hinter der wand sagen, so zart, fast rosa. ich nicke und druecke die knoepfe. bin dankbar nicht in fahrzeugen zu hocken und dort die knoepfe zu druecken, vor allem die roten. auf meinem pult sind alle knoepfe weiss. dann schaue ich hoch und habe nasenbluten. [pn]

papierdorf

die flecken, am aehrenstand sehen die dorfbewohner, dass sich die haende des bauern ineinanderkrallen. mit strom weiss er nur in zweiter ordnung umzugehen. auf dem steinfeld vor dem haus, ein lachen oder doch ein stottern, weil wartende haende an der huefte, steht eine frau am ende. hinter den fenster, die vorhaenge sind schwer geworden. vom tisch nur das plastik abgezogen. im glas sieht man fliegen. zwei, die nicht oft schlafen. die anderen haende sind im mehl, die schublade klemmt, regen wischt die spuren fort, die maschinen sind laut. es gibt keine tiere. in den schuppen liegt das heu, baeume vor jeder backsteinwand, rasen im innenhof. am brunnen eine pfuetze, die eimer, glatter stahl mit henkel und holzgriff. vielleicht emaille. brot und schuhe vor der tuer, boden mit staub in den ecken und schwarzem ofen, die flammen liegen unter ringen. es wird gegessen nach der arbeit und im stimmengewirr, nur zwei personen. zu hause und zu fuss. der wald um das feld, die strasse zur stadt. nur matte grenzen. vor dem ortsschild langsam, ein wagen faehrt davon, koepfe die bier trinken, sauberer kragen wochentags, viele hunde, aufstehen, dann augen reiben, die frau schlaegt eier in eine schuessel, schleift zucker darueber, in dem moment die rueckkehr, er steht am rand, an den fingern striemen von dornenschlaegen, ein schwein ist verschwunden, in der form, die roten tropfen gleiten ab, stirn im schatten der hauswand versteckt. von draussen ein husten, verschwindet im verstand von ihr, sie liebt ihn, weil er weitergeht. [pn]

soldat ohne sitte

als hoelderlin, ein leidiger soldat, eine frau auftragsgemaess zu beschuetzen hatte, stand er im zorn auf vom tisch, so dass brot und wein arg kippten, doch erst als er sich soweit gedreht hatte, damit er seine angst nicht mehr zu zeigen brauchte. sie verstand.

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irgendein anderer mittwoch

du bist doch nie im krieg gewesen. du weisst doch nicht, wie das ist. sagt einer und hat noch nie mit schlechten zaehnen dagesessen. seine stimme verschwindet wie ein staubsaugerkabel im raum, in einer flucht, mit dem wind schulter an schulter,sitze ich und druecke den hinterkopf in die ecke. durch das panoramafenster schlagen stahltraeger ein, 17 haelt die last einen augenblick, als reiner widerstand, hat keine zeit mehr zu uns zu schauen, verschwindet unter ihnen. das geraeusch tritt uns ins gesicht, die helme werden heiss, viele reissen sie sich vom kopf herunter, ziehen einen haarteig mit heraus. ihr erstaunen ist gross, sie hassen augenblicklich ihren herrscher. in der ecke werden wir verschont. 128 stoesst mich an. ich habe getraeumt, die zeit sei die gleiche, nur haetten wir statt zahlen namen besessen. wir lachen darueber, befinden uns im wirklichen raum, drehen die gesichter in friedenserwartung zurecht, ohne zu wissen, dass es als drohgebaerde verstanden wird.

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