Alle texte in ‘fragment’



mensch wird in zeitlupe vom hai gefressen

schelling sagt, dass das boese nur ein scheinbild des lebens ist – ein schwanken zwischen sein und nichtsein, das nichtsdestoweniger aber dem gefuehl sich als etwas sehr reelles ankuendigt. das boese ist nichts anderes als das relativ nichtseiende, das sich zum seienden erigiert, also das wahre seiende verdraengt. es ist von der einen seite ein nichts, von der anderen ein hoechst reelles wesen. das boese produziert nicht, es truegt. als ablenkung deshalb attraktiv und verfaenglich begehrenswert. alle lauschen. schelling macht kunstpausen waehrend des sprechens. seine gesten wohlgeuebt und vorschnell asynchron geworfen. er moechte jemanden beeindrucken. [pn]

unterzucker

angespitzte nerven weit entfernt
im punkt winkel angemessen
voegel singen hundelaerm
bewegungsfreudig die agenten
leben bekannte konturen
in kanadischer haerte ruck zur vorsicht
glatte farbe ist jetzt im wagen ausgekippt
luegen ergeben sich perfektem sinn.

[pn]

trophaeen

verblasste menschen zu abstossereignissen verkeilt.
ungewollte potentiale entweichen, gegen sich selbst
bewusst abgenutzt. knochen dickes porzellan,
ihre muskeln wuensche. haut aus irrtuemern,
die die farbe aendern.
kuesse in die kehle. auge-bild-raum-kette
kalt in den photos einsehbar.
dein digitales paradigma,
antlitz aus braver eins und null,
harmlos neu ohne beruehrung,
kann geloescht, nicht mehr zerrissen werden.

[pn]

sie irren

niederfaelle ranghoher knie
drehen die welt und heben sie
denjenigen aus den angeln,
die bloss zuschauen wollen.

[pn]

vorspann

da wird etwas ins leere geworfen. in eine staubfreie umgegebung. sie haben das tageslicht erneut verpasst, denkt sie. das laufen in die nacht hinein bedeutet nichts. darf man nehmen, was man will? ich verstehe das nicht. nochmal. sie hoert die elektrostatische ladung im nebenzimmer. der ton des fernsehers ist abgeschaltet. sie bleibt auf der schwelle stehen. danke. die dunklen moebel sind mit plastikfolien abgedeckt. der deckenvenitaltor dreht sich gluecklicherweise. sie hat einen toten hier erwartet. stattdessen reibt sie in einem negativen gebet ihre handruecken aneinander. in ihren augen spiegelt sich der wunsch zu gehen. sie setzt sich in diesen schoenen raum. dies ist das land der kalten haende. sie faellt in sich zusammen. die moeglichkeiten verschieben ihr das puzzle. denken auf vorrat macht hier keinen sinn. sie steht jetzt und streckt sich. das schale leben fuellt sie wieder aus. eine gaensehaut geht ihr ueber den ruecken. ihr ichfeld um den koerper expandiert. sie greift nicht mehr ins leere, sie steht mit nackten fuessen auf der schwelle und handelt jetzt in wirklichkeit. [pn]

lichtbogenofen

verachtung, die kokett wirken soll.
machs besser, sagt sie. er schweigt
– dein kleid ist okay.

[pn]

sie griffen hinaus, indem sie sahen was schon war, ohne dass es damals beunruhigte

olympia –
auferstehung der reinen gewalt.
obwohl die dystopie mit eilenden schritten eingeholt wird,
ist es seltsam still.
in den geschichtsbuechern der zukunft
werden fehler der gegenwart
dick markiert und in kapitel unterteilt werden –
`verfolgung der juden`gab es schon.

[pn]

das komische, das nicht lachen macht

ich wuenschte ich haette dich oefter photographiert, noch fuehle ich dieses du. die erfahrung zeigt, dass selbst menschen austauschbar erscheinen. mein abschliessender ernst und eine fragwuerdige mischung meiner persoenlichkeit macht mich zu einem guten steigbuegel, an mir wird charakter geschaerft, ich ziehe bei dem gedanken meine zehen zusammen. [pn]

kitschflaeche

unter mir besiedelte flaeche,
herumgeworfene menschen,
druckabfall,
der pilot fliegt schleifen
sind in deinem haar.

[pn]

drehscheiben

die tristesse in der neuen jacke eingekleidet,
umworben von allem, was ich einst in schoenheit fand.
diesmal stolpern wir und schreiben uns derart fest,
dass jeder hass ohnmaechtig macht.

[pn]

das kopfnicken, das ich fuehle, ist mein eigenes

parkett 1

er geht am zaun entlang ,
streicht beilaeufig die haut einer fremden.
sie verzieht den mundwinkel
und schweigt in ihrer konvention.
wundert sich kaum,
aus welchem grund er den zaun beruehrt.

parkett 2

dem unglueck folgt der trost
und beginnt sich zu verformen.
im anfang liegt der wunsch nach zuneigung,
verliert sich in macht,
wie ein fremder in einer stadt
in der alle einheimischen lachen.

[pn]

transplantationssportler

abgebrochene filme, nacken umdrehen, nach hinten legen, begreifen, dass nichts wertvoll wird, was in der hand schmilzt, ausser machtfuelle. [pn]

die volksbuehne wird umgebaut

schaut auf das verhaengte, jetzt ist die strasse aehnlicher, die reste verschwinden, jahre werden zu tagen. eine schwarze honda wird mit laufendem motor vorbeigeschoben, benzingeruch geht den buergersteig herunter. wir verhalten uns gegenseitig, liegen hier und da, setzen uns auf den blanken boden, so jung sind wir. bitte erzaehle mir nichts neues mehr, es wirft mich um. ich haette anders leben sollen. mit koffein wird die paracetamol dann leichter und rauscht im blut. [pn]

ich kann nicht glauben, dass es amerika gibt

scheue augen, kaputt geschaut, wie schreit man richtig, wenn man die beine bei einem unfall verliert? die frequenz scheinbar willkuerlich, doch selbst hier der mensch ein kuenstlicher, komponist einer arie, die einzigartig ist. [pn]

harpune

der stotterer zwingt sich still zu sitzen. wir fruehstuecken unfreiwillig zusammen. ich bekomme mein muesli nicht herunter, waehrend ihm klebrige stuecke kaesebrot aus dem mund auf den tisch fallen. grosszuegig sehe ich darueber hinweg, mein blick ist kein strafen, auch wenn der stotterer seit fuenfzehn minuten an einer silbe festhaengt. rot sein haupt, er schlaegt mit der linken flach auf den tisch, beugt sich vor. mir krampft der magen, ich trinke saubere buttermilch. merkwuerdig fromm ist der stotterer geworden, geht gerne zur arbeit, in die denkfabrik.

[pn]

am schlagbaum

soldatenrufe,gesichter, die verstehen. alle steigen aus und stellen sich dorthin. ohne rhythmus, keine abwehr. mit traenen, die frauen zahlen anders. [pn]

hoer auf damit

es war einmal ein sehr armer witwer.der hatte einen sohn , den er ueber alles liebte. die zeiten waren zwar hart, aber beide hatten genug zu essen und ein bescheidenes dach ueber dem kopf. eines tages jedoch, es war im winter, musste der mann sich entscheiden, wem er das letzte bisschen brot geben sollte. er ueberlegte nicht lang, obwohl es fuer ihn den tod bedeuten wuerde.also nahm er den brotlaib, ging zu dem sohn in die ecke und setzte sich langsam nieder. dann ass er das brot. [pn]

isabell holt wasser

unter mir besiedelte flaeche,
herumgeworfene menschen,
druckabfall,
der pilot fliegt schleifen
sind in deinem haar.

[pn]