Alle texte in ‘fragment’



nachbarfischbewegung

als die futuristen mit wut im augenwinkel das einschliessen der sonne in einen betonkubus einforderten, gelang es ihnen nicht von der zerstoerung der natur zum ueberziehen der armbinde eine atempause zu lassen. tropfend vom saft der heilsversprechen erstarrte ihre stimme und kein neues kunstlicht fiel auf die maschinenszenerie, keine beschleunigenden botschaften, nur leichenberge stapelten sich im himmel auf. [pn]

betrachtungsdrift, unverstaendlich

archaeologische versenkung. hauptsache der aufnahmewinkel stimmt, der ausdruck erscheint wichtig, erklaert sich eher nebensaechlich.aesthetische malfarbe bedeckt die urspruenglichkeit, ueberzieht sie mit einer patina aus vorwissen. bereitgelegte erklaerungen,vermutungen aus instabilem astsystem, der zweitververwertung einer recyclingkultur. institutionalisierte scham, gleich nach geburt werden kunstwerke entkernt und aufgezehrt- vom pulsierendem neubeginn eines rekursiven und repetitiven „produkteurs“ in die schattenwelt der kalten inspirationslosigkeit, schliesslich in die interpretation gezerrt. es folgt der zustand der nutzlosigkeit in einer welt, die simulation nicht als reaktionaere bedrohung erfaehrt. zielstrebigkeit laesst in eine entfremdungssucht gleiten, weil wir erkennen, dass wir uns in wirklichkeit nur naeher kommen. wie eine bulimikerin sind wir in der lage uns selbst zu umgreifen, uns die beruhigung in form von seditiva einzufloessen, die uns liebeshungrig in die bilder schauen laesst. die lust des sehens, die baudrillard beschreibt, heisst einen blick leer zu gestalten. nicht nur die absicht, auch das ziel ist nicht mehr als hohlgefaess, an dem koerper gebunden, um nicht – sie verzeihen – unterzugehen. dort finden wir nicht einmal mehr die spielerische noetigung, trieblosigkeit stattet kopf und wand nur duerftig aus. statt dem gewuenschten aus-setzen , der angestrebten flucht, bleibt nur die angst vor leerer flaeche, die wir mit jedem neuen geruch synaestethisch begreifen. [pn]

chiaroscuro

sonne, 5600 kelvin, an der ampel trete ich einen schritt vor und lasse mich von einem vierzigtonner niederwalzen.
der koerper hat keine zeit, das gummiprofil zerreisst die haut, zwischen den gelenkstangen eingeklemmt schmiert die
bremsung mein fleisch auf die strasse. menschen kreischen, sind mir fremd, jemand weint, weil er soetwas nur aus
dem fernsehen kennt. die traenen kommen, da man immernoch das gesicht erkennt und einen ausdruck, den ich selbst studieren wollte. doch man haelt mir keinen spiegel vor, nicht in diesem moment. [pn]

hebebuehne & schonung

radlader und bagger aus dem hinterhalt,
die augen zeigen, niemand hat etwas gewusst.
schon wie damals,
abgerissene gebaeude,
was bauen wir heute?
einen parkplatz unter der erde,
dafuer pflanzen wir einen baum
obendrauf.

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§ 277

die absicht balanciert vorsichtig auf dem tau der taten,
wozwischen ist es gespannt?

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angenommene erziehungsstruktur

links saeulen aus stein, zu weich, es muss beton sein, rechts baeume, ich kenne die sorte nicht, weil ich nicht anwesend bin. stiefel auf der gelben strasse, sie haengen an ihrer geometrie eines merkwuerdigen schrittes, zu fest und entschlossen. dies ist eine armee, fluestern die leute sich zu, doch jede saeule bietet nur platz fuer ein versteck, dass sie sich hin und herstossen in den blick des aggressors, so schnell, es faengt zu flimmern an. [pn]

abbrechendes z

die zeiger, zeit, dein zerebrum [ mit c , idiot] , zellophan, zielsetzung, zorn, zyste, zwingend, zungenkuss, zellebrieren, zerdruecken, zerren, zierde, zentrum, zirkulation, zerkratzte hand.spielflaeche, raum zum greifen, entfernung im metrischen system, zone, einst und fordernd. jetzt bloss ein wurf ueber die schulter und zeitverschwendung. [pn]

testbild jurylos

ein zeitalter, das wuensche nach amputation produziert.
zuviele koerperteile,
eine englische frau moechte als torso weiterleben
und
irgendwo ein rohstoffkrieg.
wickert verspricht sich dabei zu oft.
pah , keine empoerung.
shakespeare hat recht,
dieser platz ist eine buehne.
die roecke rot, wie die lippen,
die herzen kalt, trotz klopfen.
beides hat signalwirkung.

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§ 117

durch die gitter. die hosen sind zerknittert, so profan. zeitleistenbewegung in der schonzeit. mit hochgesteckter brille. die gesittete dame, die sich befreit, indem sie laut flucht und das wort scheisse sagt, schnell und passend. [pn]

taetertrost

der anstaendige deutsche vor gericht beginnt beim luegen glaenzende augen zu bekommen. vor dem eigentlichen schweiss tropft ihm eine einzelne perle vom gesicht. er zweifelt beim holzsammeln an den gruenden fuer die scheiterhaufen. dann legt sich ihm ein lied auf die lippen, ganz wie von selbst. [pn]

19alptraum36

vor jedem krieg gibt es zerstreuung ,
fruehlingsschau der nazis,
rueckschlagsport,
der himmel ist getrennt,
sie reden unten.
oben faehrt ein flugzeug
an der richtschnur entlang.

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§ 341

kontrastumfang. lass den circus endlich aus der stadt ziehen, obwohl die kinder weinen. noch eine stunde ruhe? mach dann bitte den fernseher aus, ich moechte wuetend auf dich werden. [pn]

jagdregel

an diesem tag zeige ich dir den fallenbau. die erste regel ist ein lauter auftritt, sei laut, die tiere sollen spueren, dass du naeherkommst. sei grausam, die tiere sollen deine konsequenz erkennen, sei beweglich mit jedem schlag, zeige deine handkante und kuesse den morgen. [pn]

vielleicht sieht man sich auf der autobahn

sie zerreisst den bierdeckel am tisch und schaut erneut zur seite. je regelmaessiger sie es tut, umso fester schaue ich sie an. ueber die haende kann ich nichts sagen, sie sind nicht begehrenswert, vielleicht ist die stimmung deshalb so sonderbar. du suchst wohl einen grund? sagt sie und zerrt sich in mein blickfeld zurueck. nein, sage ich und moechte einen akzent setzen, indem ich selbst an ihr vorbeischaue, grundlos gefaellst du mir besser. der kellner wechselt den aschenbecher, als er geht antwortet sie befreiter: das sagst du immer. wir schweigen beide kurz danach. [pn]

inkubatorgedanke

worueber soll nachgedacht werden? ueber die hinfaelligkeit der angst? ueber erklaerungsversuche, den fehlenden mut aufzubringen handeln zu koennen. [ der kaffee ist vielleicht fertig, sagt die krankenschwester und geht ] wie erklaert sich einerseits die selbstvergewisserung der ausgebliebenen souverenitaet, die nicht mehr als ein staendiges beweinen, eher eine zertruemmerung des ichs bleibt, und der wunsch etwas leisten zu wollen? dass wissen um die hypothetische handlung, die besorgnislos blass und klar wirkt ? fragende sind umfangen von der strafe der ersten aussprache, jedes spaeter wird zur verzoegerung, die risse in das ichgebaeude treibt. es folgen wogen der bestaetigung, wenn andere verlorene gefunden werden und es moeglich wird sich in fremde arme zu lehnen. komplimentenfresser, beschwoerer und faule. geniesser, die scheinbar immer zu frueh und zu spaet geboren werden. lamentierende sprache, verzogen bis zur unkenntlichkeit. wenn die anderen, die unbekannten, uns alle bilder und umschreibungen entfernen, dabei wie mediale chirurgen drohend laecheln, wo sollen wir, die uebriggebliebenen, unser glueck noch suchen ? zu viele menschen opfern sich bereits, im kleinen und bescheidenen. gut gilt als schimpfwort, man stimmt zu und ueberlegt erst danach, selbst zum schaemen bleibt keine zeit. die knochen werden schwer vom bedauern einer innenwelt, umfangreiche posen stemmen sich der fliehenden zeit entgegen.
etwas auesseres brennt nieder, bis auf die struktur, gleitet in das abstrakte. in der theorie suchen die gemeinsamkeiten ihre energie, hier stellen sich freund und feind ruecken an ruecken, wissend, dass krieg und liebe nur behaelter sind. beide kreischen bei dem anblick offensichtlicher amoralitaet, sehen trotzdem die zusammenhaenge nicht. der hals tut weh vom lachen und warnen und dann schaut jemand auf seine haende, die sich jeden tag von selbst bewegen. er traut sich dann manchmal nicht ihnen zu widersprechen, in der angst zu verlieren, was noch nicht besessen wurde. [ die krankenschwester kommt wieder, sie hat ihren kaffee getrunken und kontrolliert jetzt die anzeigen. als sie durch die scheibe den kleinen arm des saeuglings sieht, denkt sie : du hast noch dein ganzes leben vor dir. dann zwingt sie sich vor dem verlassen des raumes ein laecheln und ein gesprochenes wort heraus.]

[pn]

tiefentaubheit

rote haare, porzellanteint in strahlenform. das maedchen steht hier auf der klippe vor dem abgrund. es ist gluecklich. ihr freund wartet in entfernung und hat vergessen, dass sie nichts mehr hoeren kann. meist haben sie nur bilder angeschaut in den letzten wochen. kein wunder, dass sie malerin geworden ist, sagte ein bekannter neulich und hat dafuer einen faustschlag ins genick bekommen. die stille laechelt jetzt und schaut sich nur die wellen an. augenmusik erklingt in ihrem kopf. phantomgeraeusch schlaegt gegen die steine. lippenlesen ist nichts visuelles, es besteht aus intuition. sie fuehlt ihn hinter sich. die wolken stoeren sie, ihr freund ergaenzt zu oft ihre saetze, steht zu dicht neben ihr, deshalb wird sie ihn verlassen. der dolmetscher weiss nichts davon, er holt eine decke aus dem wagen. das radio hat er letzte woche ausgebaut, die platten verkauft und schliesslich darueber geweint. [pn]

innen, voir dire

amalgamlachen. der eine macht photos, der andere hat einen stein in der hand. beide kennen die auswirkungen ihrer arbeit nicht. der steinewerfer sieht das resultat jedoch noch vor labor und wartezeit. [pn]

sternenlicht ist krebserregend

die lassen alle schmetterlinge frei, auch wenn ihnen dabei schlecht wird. im bild werden nur konturen gehalten. fast scheint es so, als sei die handbewegung, die befreiung bringt, nur eine farce. tausendfach geuebt. ob dies den flug truebt? nichts ist entgegenzuhalten, wenn die pergamentfluegel geraeuschlos fliehen. [pn]