Texte - 2009



retrowahrheit

blaue eckige kuehltruhenreihe. davor ein monitor mit nachrichtenbildern. in ihm stadtmeldungen. statt dyson-sphaeren werden bloss schuttrutschen in den angrenzenden fabriken im akkord gebaut. demolierwut? ha ha, sagt der auspacker im supermarkt. er schaut wieder kurz zum aufsteigenden kalten dampf, um davon aesthetisch verwirrt, aber dann unbeeindruckt die pappschachteln weiter in das eisfach zu stapeln. pizzadreck, denkt er und zerreisst ploetzlich das innere geistige mosaik. er vergisst sein komplettes leben. besser dies, als nichts zu fressen. der auspacker ignoriert die rauschende menschheitsgeschichte zugunsten seiner gegenwart, in der die haende mehr der kaelte, als dem angeblich erhaltenswerten zusammenhang fuehlen. der clinch von oeffentlicher und privater erzaehlung. der auspacker braucht keinen namen. im supermarkt wird er nicht danach gefragt. karton um karton. haehnchenteile mit rosa abbildungen, auf denen die erzwungene petersilie mit auf dem teller liegt. serviervorschlag aus scham? vielleicht sollte man nur nach rezeptvorschlaegen leben. trugschluss. nach dem aufreissen versinkt die falsche phantasie. die zusammengefrorenen fleischteile liegen orange in plastik und realisieren sich nun tumultartig, entbloessen die unzulaenglichkeit des realen. kurz wird das offensichtliche eingestochen. klein a. vulgaer ist bloss der eigene schock, sich beim erkannten selbstbetrug zu ertappen, denkt der auspacker, um danach eilig im verdraengten zu verschwinden.

im markt sind die gangreihen fruehmorgens noch leer. niemand summt. bloss unscharfe bewegungen der kunden. alles ist in hypnotischer hochgeschwindigkeit gedreht. die wenigen schreiten wie durch ein mausoleum. sie drehen sich auf den hacken und achten alles in unterdrueckter erregung, sind froh den toten gegenstaenden als verzehrer zu begegnen und verzeihen sich dabei schubweise die lust, strafen und beleidigen sich sonst mit verzichtsgesichtern. auf der foerderbahn der kasse ist der striptaese der lebensfuehrung hingegen schon reine gewohnheit. im stehen trinkt der auspacker einen kaffeeersatz aus dem maschinenspender. strahlende produktion. zehn minuten spaeter. backstage die taegliche palettenbefreiung. so viele ertraeumen sich einen blick hinter die fernsehstudiofassade, so wenige meiner arbeit zuzuschauen, denkt auspacker und schneidet mit dem teppichmesser die bunten plastikrippen der verschweissten ware durch. er trennt einen regenbogen. falsch, da dies sich aendert , denkt auspacker. es gibt sendungen ueber ordnungsdienst und zaehlerleser. der auspacker will auch woanders arbeiten. er wuerde sich anstrengen. bewerbungen wuerde er schreiben. alsbald. anbei schicke ich ihnen meinen lebenslauf. dem auspacker ist seine situation klar. er befindet sich hier, wie ein migrantenkind, bereits in zementierten fiktionen des staatapparats. es gibt fuer ihn programme. auspacker fragt sich, aus welchem grund die politiker eigentlich immer nur beste fuer alle wollen und es behaupten? niemand fragt sie. der auspacker denkt an sein bewerbungsgespräch zurueck. an die ueberheblichkeit des armseligen filialleiters. die politiker sollten jedes jahr ihre motivation oeffentlich aussprechen, denkt auspacker und lacht ueber die geschmacklosen tiere auf den cornflakespackungen des discounters.

die papierpresse wird jetzt beladen. piktogramme weisen den weg. achtung! ein lkw faehrt draussen ab. kaltlichtgewitter der deckenroehren. alle leben sich selbst, denkt auspacker, und lassen sich dabei gern taeuschen. er freut sich auf den feierabend, da er die abgelaufenen lebensmittel dann wegschmeissen darf. auspacker muss dann oft grundlos vor dem abschliessbaren container lachen. noch nicht freuen, denkt er mahnend und tritt durch metalltueren in den supermarkt zurueck. auspacker sieht sofort, wie sich die verspiegelte tuer des kontrollraums oeffnet und zwei finger seines leiters wuetend an die decke zeigen. einge videokameras sind schon seit zwei tagen defekt. kuemmer dich doch selbst darum, du faules arschloch, denkt auspacker.

er steckt sich einen induktionshoerer ins ohr. eine wissenschaftssendung laeuft. der mond entfernt sich jedes jahr um 4 cm von der erde. wieso wird diese flucht von niemanden bedauert? im konservenlaufgang runzelt auspacker trotzdem die stirn, als ein anzugtraeger ihn direkt anspricht oder anzusprechen scheint. auspacker kann sich nicht konzentrieren. wenigstens beginnt der tag im radio stetig und immerwaehrend sicher. spricht der kunde, das radio oder meine stimme? denkt auspacker. es gilt als charmant meine sendungen zu ende zu hoeren, sagt der radiomoderator ihm jetzt ins ohr. der auspacker irrt jedoch gewaltig. der etikettenversunkene kunde hat ihn in seiner meditation gar nicht wahrgenommen. in wirklichkeit fuehlt sich der kunde nur aus den augenwinkeln dem kitteltraeger ueberlegen und geniesst stattdessen. treffsicher landet deshalb ein statement in seinem einkaufswagen. [pn]

gefaehrder

selbst die bodenflaeche stiess ihn jetzt ab. mirek ging das gekuehlte treppenhaus hinauf, waehrend eine lautsprecherstimme verhaltenshinweise in den raum blies. die taschen niemals stehenzulassen, sondern immer nur in den eigenen haenden zu halten, war ihr befehl. nichterbrachte zugehoerigkeiten wuerden sofort geahndet werden. die stimme war seicht und betoerend, gehoerte also zweifelsfrei einer fetten und haesslichen frau. mirek war sich sicher. mit der unbandagierten hand zog er den schulterriemen des rucksacks fester, um stufe um stufe einzeln zu steigen. neonlichtroehren an graubetonierten waenden, zwischendurch zahlenschilder, die hinter den schallisolierten tueren die geraeusche des kaufhauses verschluckten. bullaugen aus panzerglas. statt anspannung nur langeweile im herzen. mirek schuettelte den edding um gehend eine linie achtlos gerade auf die feingekoernte wand zu zeichnen. wir wollen alle etwas hinterlassen, dachte er. andere kehlen durchschneiden. wieviel hast du noch von uns, wenn du kommst, jesus?

unsicher, wieso er an diese esoterische figur dachte, drueckte er unbequem zielstrebig die tueren zur hoechsten ebene auf. not macht erfinderisch. sofort gab ihm die pneumatik ihre kraft hinzu. einige anzeigen zeigten in nebenraeumen ein gruenes licht. gummidichtungen rieben an den raendern dafuer ab. ein tuerpfleger kommt bestimmt. es gibt heute fuer alles eine typenbezeichnung.

der laerm im transitgang war jetzt so stark, dass mirek ihn ins unterbewusstsein schieben musste. dumpfes fade in. quietschende sohlen auf marmorimitat. hunderte von gespraechen gleichzeitig zerstueckelt. der anstrengende ton des bienenstocks. ekelerregend. viele menschenstimmen klingen selten harmonisch, sind immer ein ungelenker kompromiss. doch ein zuviel ist immer gut. emotionalisierter dreck selbst beim starren auf die computerladebalken. screen shit. mirek floss jetzt gluecklich in der menschenmenge mit. wie ein morsches treibholz auf der wasserflaeche. die atmosphaere machte ihn vollends besoffen. innerlich schmatzte er vor begeisterung. nicht das schoene bunte. das sichere war bewunderswert. mirek verstellte seinen gang. jetzt war er endlich noch gleicher. die freude krampfte ihm dafuer die linke hand fest zu. in der von architekten offenflaechig gestalteten passage stand eine soldatenschulter an jeder ecke. dazu soldatenschelte in den umherrirrenden biologischen augen. alles war bloß gut gemeint. an ihren seiten schwebten dauerfilmende videodrohnen. die gibt es noch nicht. bewegungsscanner schon. trotzdem besser zu boden schauen. wem dies zu schnell ist, sollte sich stets lieber selbst, statt anderen etwas beweisen. so dachte mirek und sah sich in den glatten flaechen tausendfach gespiegelt. viel gute sauberkeit, lachte er auf. darauf koennen wir zu recht stolz sein. [pn]

wollen mitten finden

schlechte filme beginnen mit erwachen. schlechte geschichten mit personenbeschreibungen. schlechte menschen sind mit regelwerken behangen. sie machen sich laecherlich indem sie ihre scheuklappen bei jeder begegnung neu straffen und am scharfen sichtrand vorbeischauen. artig und gefraessig zugleich. akkordeonmusik begleitet die schritte. objekt und betrachter muessen ploetzlich eckig gehen, damit verstaendlichkeit in alle elemente zurueckgeschuettet wird. die entstehenden wirklichkeiten strahlen parallel aneinander vorbei. alle bekannten worte werden zum formulieren von wahrheiten verbraucht. vielleicht sind wir innen beschaedigt und wuerden unter anderen umstaenden aufmerksamer sein, genauer sprechen und tuechtig nachdenken?

hans stellt fest, dass ihn der eigene verstand hier im halbschlaf truegen will. er hat jetzt vor sich auf die reinen sinne zu konzentrieren. hinter den vorhaengen arbeitet die stadt wie unter granatenbeschuss. hans schlaegt muede seine augen auf. setzt sich aufrecht ins bett. er ist in kleidung eingeschlafen. graue hose mit weissem hemd und brandloechern. marschmusik im radio. hans arbeitet fuer den staat, der stark und allmaechtig ist, aber trotzdem lediglich herr ueber ein plastikreich. hans isst waehrenddessen sein fruehes brot. vor den fenstern explosionen. all der zukunftskitsch ist endlich da. hologrammbespannter werbehimmel und freischwebende wagen, die die welt vollstaendig kartographiert haben. unter gleichen roboterhieben, die hans die nahrung in fabriken bereiten. rotorenlaerm. hans schuettelt den kopf und legt das notizbuch zur seite. er schreibt seit gestern seine traeume auf. tumult und autohupen vor dem haus. diesmal hat er naiv von der zukunft getraeumt. lachend stoesst er erleichtert die luft aus. bis auf die arbeit in der ueberwachung ist alles erlogen. laehmungsgefuehle. er haelt sich erschrocken am tuerrahmen und holt den sauerstoff. hans spuert nach jahren wieder seinen herzschlag.

ein lastwagen faehrt am hochhaus vor. holzpaletten sinken knirschend in den kies. die moebelpacker heben jetzt einen weissen fluegel von der pneumatischen hebeflaeche. der besitzer steht verstoert einige meter abseits und schlaegt seinen kragen hoch, als es zu regnen beginnt. eilig wird die plastikabdeckung verstaerkt. dazu schallender arbeiterjargon. in einem halbkreis um die entladung sind menschen auf die knie gesunken. die traenen steigen ihnen in die augen. ihre kinder zerren ungeduldig an den ausgestreckten armen. die freudenschreie werden unterdrueckt. niemand von ihnen hat ein instrument gesehen. in andacht verfroren achten sie nicht auf regenstiche.

hans weint, als er den fluegel aus seinem fenster sehen kann. damals hat er das gerede auf den hausfluren nicht ernst genug genommen. er schlaegt sich zur strafe mit der faust ins gesicht und muss den kopf ueber die kuechenspuele halten, da blut duenn aus der nase fliesst. er aergert sich, dass er jetzt gezwungen wird ueber dem becken zu bleiben. gleichzeitig ist er froh darueber sofort gehandelt zu haben. nichts soll im inneren als reue zurueckbleiben. er schaut zur uhr und ins becken zu den blutwirbeln, die im wasser verschwinden. minuten seines lebens vergehen. er mueht sich dabei ruhig zu bleiben und zaehlt die fliesenlfugen.

ledergurte finden position in glaenzenden karabinerhaken. der fluegel steigt langsam im regen. zeigefinger strecken sich. der vorsteher arbeitet ausschliesslich in grossaufnahmen. qualtitaet bringt geld und macht selbst reiche schwach. er hat bei dem gedanken einen steifen. dieser vorplatz ist seine verdiente buehne. wohlwollend dreht er mit dem koerper zuegige halbkreise um sich dem herbeigestroemten fensterpublikum entgegen zu drehen. eine hand waescht schliesslich die andere. muskelspannung dank tv-erfahrung. durch das staendige scheibenoeffen drehen sich sonnenreflexionen ueber den platz, die gesichter dabei uebersteigen. zuschauer oeffnen darin erste bierflaschen. die kronkorken werden meist heruntergeworfen. es macht keinen unterschied. alles findet seinen platz. [pn]

das gefuehl sich selbst die hand zu geben

gewerbegebiet. die wagentueren stehen offen. emmas schuhe stampfen auf dem parkplatzboden. sie dreht sich eng im licht der frontscheinwerfer. details. die jeans reicht ihr ueber die schuhe. nur du traegst diese hosen, denkt georg und muss ihre unterarme festhalten. trotzdem findet sie ihn. schlaege treffen ins gesicht. emmas ring schneidet ihm warm die lippe auf. er nimmt die wunde in den mund. emma reisst sich schlagartig los. georg kann nur die knisternde jacke in bewegung hoeren. im wagen liegt der brief immernoch auf der ablage. laternenlicht von oben. er kann ihre reflektierenden augen kurz zwischen den haaren sehen. sie hat einen schal um den kopf gebunden. ihre ohren werde schnell kalt. scheibenwischer kippen trocken hin und her. ein helles polizeauto faehrt im hintergrund vorbei. der fahrer hupt, als er die szene entdeckt. beamte steigen jetzt mit schnellen schritten aus. ein fernsehteam folgt ihnen mit kopflicht und eingeschalteter kamera. sie werden sich nicht die kleidung vor trauer einreissen. gleich sind sie da. georg stellt fest, dass er lautlos weint. er sieht emmas ruecken in der silbergruenen diskojacke atmen. immer wieder muss er darauf den schriftzug lesen.

dieselmotorlaerm. nicht auf den ruecksitz schauen. emma raucht mit tauben fingern. jetzt ist es egal. boese blumen wachsen ihr im hals hinauf. emmas kopf steckt im schraubstock. sie schaut nicht zum eingeschlagenen fenster, vor dem georg empfangbare sender im rauschen sucht. er ueberdreht. zugluft faellt geruchlos in den fahrenden wagen. halt irgendwo an, sagt emma. georg hat die absicht zu nicken, stattdessen nur ein abgebrochens wort, das wie ein ja klingen soll.

leichter schneefall. meinst du, dass sie hier videokameras haben? sie schaut auf die andere strassenseite. emma hofft, dass es endlich im fond schreit. dann koennte sie ihre handlungen noch aufhalten. das kind ist still. georg sagt nein. er zwingt sich zu beherrschen und oeffnet als erster die tuer. scherben knirschen unter seinen fuessen. er muss um den wagen zur beifahrertuer herumgehen. als er sich herunterbeugt, um emmas bein per hand herauszustellen, stoesst sie ihn erbost von sich fort. schnee faellt ihm kalt in den kragen. emma nimmt die sporttasche vorsichtig vom ruecksitz. georg folgt ihr mit abstand, als sie die leere strasse ueberqueren. vor der klappe sehen sie sich seit langer zeit wieder in die augen. er denkt an muelleimer. emma hebt das warme buendel aus der tasche heraus. wie verabredet legen sie es gemeinsam in das bettchen, das dem gewicht leicht nachgibt. eine bunte spieluhr haengt darin. stiller alarm. der raum dahinter ist kahl, eine einzelne triste tuer an der wand. als sich georg umdreht, sieht er wie emma auf der strasse die spuren im weiss verwischt.

vier haende zittern. wir koennen nicht mit dem bus dahinfahren, sagt sie im flur, mach einmal etwas richtig. emma haelt eine kleine jacke. georg nimmt einen hammer aus der werkzeugkiste und geht auf die strasse herunter.

[pn]

albedo

die fluchtlinien fuehren immer ins aesthetische. das ist der kerngedanke seiner ausfuehrungen. er versucht ihr dies die ganze zeit in der warteschlange zu sagen. stattdessen hoert er sich selbst, bla bla bla. ich beneide die astronauten, die gleichzeitig musik hoeren und auf die erde zurueckschauen koennen, sagt er in einem letzten versuch. die menschen, die in einem solchen augenblick zusaetzlich musik brauchen, tun mir leid, antwortet sie. er laechelt, wechselt die wahrnehmungsschicht.

das foyer ist unvorteilhaft hell ausgeleuchtet, so dass der raum beinah nach innen gefaltet erscheint. die ewig gleichen rundtische aus marmorimitat stehen dicht an der theke, sind mit zerrissenen faechern aus kinoprogrammen bedeckt. schwarzer stuhllack blaettet klassisch ab. der zustand wird besuchern als charme verkauft. womoeglich glauben einige sogar daran, waehrend sie aus schmutzigen tassen trinken. nadeldruckerlaerm. die kassiererin faehrt storno, hat ungewollt zu viele karten ausgedruckt. ein einzig grosser irrtum, denkt sie.

in der schlange verteilen die maenner ihre geistreichen anekdoten auf erhoehter lautstaerke. mindestens einen fremden muessen sie damit erreichen, nutzlasten werden im kritischen bereich ausgefahren. die damen nicken beim leichten wegdrehen, gehen jetzt oft zur toilette. andere ertragen es, weil sie wenigstens gehalten werden wollen. gluecklich ist wer schweigen lernt. alle haben ihre geschichten mitgebracht, fuellen die atemluft. weiche gefuehlsturbinen. das personal schaut waehrenddessen noch nicht einmal auf. papier wechselt besitzer. warenausgabe. die rechenmaschine protokolliert gewinnmargen in mais. die besucher wissen, wie es hinter den kulissen zugeht. sie haben berichte im fernsehen gesehen. es gibt keine geheimnisse mehr.

sie hat sich waehrend der beinrasur ein muttermal weggeschnitten. es lenkt sie gerade ab, sie versucht das pochen wegzudenken. hoffentlich fragt er nicht, ob mir etwas fehlt.

sie stehen nebeinander. keiner von ihnen koennte eine beruehrung ertragen. schritt fuer schritt treiben sie voran, bis zum kartenabriss. danach wird der gang beschleunigt. er zieht sie am arm hinterher. moderne in echtzeit. die karten sind nicht nummeriert. sie laufen jetzt, pressen den druck aus den lungen, stossen sich trotzig am teppich ab. hinter ihnen die beine der verfolger. schreie. der flur verengt sich. endet in gruenen doppeltueren. hier lachen sie frisch mit zaehnen in die kamera und halten die getraenkedose hoch. sie fuehlt sich richtig gut, hat lust dies jemanden zu erzaehlen.

beim eintreten in den samtbeschlagenen vorfuehrsaal haben sie sich beinah beruhigt. er fuehlt nach seinem portemonaie und schluessel. gluecklicherweise hat er nichts vergessen. ein stein faellt ihm vom herzen. sie setzen sich auf eines der freistehenden sofas. alle regulaeren kinositze sind herausgerissen. das ist konzeptkino, um besucher von ihren grossbildschirmen und lichtwerfern wegzulocken. viele heben erstaunt die augenbrauen, nachdem sie eingetreten sind. stolzgeschwillte brust. na, habe ich dir nicht zuviel versprochen?

das paradoxe ist, dass es sich in fernsehen verwandelt, denkt er und fuehlt erneut nach dem portemonaie, als er die jacke ablegt. hast du schmerzen vom laufen? fragt sie und klappert mit den augen. nein, antwortet er, lass uns lieber still werden. sie versucht verstaendnis zu sammeln. sollte er nicht ein bisschen intelligenter und beeindruckender sein? dennoch, die reklame beginnt puenktlich. das erste raunen geht durch die sofareihen. bildgewalt und dramatische musik wirken zugleich.

der zeppelinwerbefilm war schoen, fluestert sie, als das saallicht wieder aufleuchtet. sie meint, dass erst gewoehnung die praktischen anteile einer sache wirklich oeffnet und sichtbar werden laesst. zeppeline seien in frueheren zeiten vorschnell und unueberlegt abgelehnt worden. er gibt ihr recht und schaut zur notausgangsleuchte. eis wird schon lange nicht mehr im kino verkauft, sagt er.

aber sie haben immerhin einen gong. der mann, der sie die ganze zeit aufmerksam beobachtet und zugehoert hat, zwinkert ihnen mit linkem auge anmassend zu. er sagt: das ist doch die hauptsache! sie lachen gemeinsam in voller vorfreude auf den film.

gibst du mir deine jacke? fragt sie. ihr ist bereits kalt. die klimaanlage, sagt er, stimmts? es stimmt. er mahnt sich, nicht mehr an das portemonaie zu denken. das licht erlischt stottend in den treppenstufen, die falschen kronleuchter folgen. schau mal, sie stoesst ihn mit dem spitzen ellenbogen an, die haben noch echte kerzen an den waenden. im daemmerlicht kann er kurz den lichtmeister elegant mit dem kerzenloescher arbeiten sehen.

nach der grossen vorstellung sprechen sie ausgelassen und voneinander unbeeindruckt ueber den hauptfilm, haben sogar ergaenzende meinungen darueber. sie schnipst und sagt: kein streit! sie lachen wieder, ohne den grund zu kennen. es gehoert sich so.

die kleinen peinlichkeiten machen das leben doch erst wertvoll, sagt der zudringliche mann, als er dicht an ihnen vorbeigeht. leider habe er jetzt einen termin. beim abschied hebt er bloss nachlaessig seinen hut. der aufraeumer kommt ihnen entgegen. eigentlich sammelt er bloss flaschen und verpackungen, manchmal muss er kuessenden auf die schultern tippen.

eine zigeunergruppe spielt jetzt streichinstrumente im foyer. volksfeststimmung. er denkt gewagt ueber den weiteren abend nach, ueberlegt, was er sie fragen soll. variante eins. hast du lust noch etwas trinken zu gehen? vielleicht einen rorschachtest dabei zu machen? sie scharrt spielerisch mit dem schuh, klappt ihre handtasche auf, ohne darin etwas suchen zu wollen. variante zwei. wir koennen uns auch die explosion der challenger auf video anschauen. die dabei enstehenden kuenstlichen rauchwolken haben hohen wiedererkennungswert. sie sind sozusagen charakteristisch,also ein ereignis mit dem wir nichts zu tun haben, uns aber damit identifizieren wollen. er stellt fest, dass er eine neue metaphorik braucht, um seine wirklichkeit auszuformen. sie merkt, das jetzt ein ueberstrapaziertes element in den raum eingedrungen ist, versucht ihn deshalb mit einer beleidigung zu schockieren. hoert denn das schoene gar nicht mehr auf? denkt sie. waehrenddessen hat er das gefuehl zu viel sehnsucht an die raumfahrt zu verschwenden. [pn]

taucherkrankheit

hohe kontraste. in der ubahn sehe ich zu viele ausgetragene gesichter. sie erschrecken angebunden, wenn sich blicke kreuzen. frueher wurde mut belohnt. glasig benommenes dominiert die augenraender. ich selbst verzichte darauf in die scheibe zu fallen. befehle mir, nicht mehr zu starren, da die gruende gleichzeitig verschwinden. nur die verdrehte perspektive ist schuld. problemkinder fahren feixend ins internetcafe, da vaeter ihnen zaehne fuer heimlich besuchte seiten einschlagen. beide parteien kapieren nichts. es bleibt bei rollenspielen. die elektronischen nachrichten enden in taschenvibrationen.

endlose stationen. ich will die hirnfluessigkeit in meinem schaedel gegen klares quellwasser tauschen, spuere bereits die kuehle meine nerven bedecken. erzwungene gelassenheit durch private musik. mp3ballons. akustische gitarren erreichen das hohle schlagzeug, treiben auf falsche hoehepunkte zu, bis der hoerer annimmt, dass alles gut enden kann. ein mensch muss an alles glauben. soll er? die dauerdichte bestimmt die wichtigkeit. brav nehme ich taeglich alle per spam verschriebenen medikamente ein. einschlaf- und auswachkapseln. habe hohe regale fuer die pillenverpackungen gebaut. ich bin froh, dass sich der staat um unsere gesundheit kuemmert. der staat ist ein guetig seniler grossvater mit videokamera. traenen schiessen mir in die augen, als ich daran denke. das hermetische schlaefenklopfen geniesse ich jetzt, straeube mich nicht mehr dagegen. selbst das aggressive gelb der waende ist bedeutungslos. transport. ungeduldige koerper darin, die keine pose mehr finden. alle pressen sich fort, um harmlos allein zu sein. die wenigsten bedeuten sich etwas dabei. ich mache hier keinen unterschied und erschaffe keinen sinn. fuer meine bewertung bitte ich die anwesenden im geist um verzeihung. keine sorge, wir sterben gewiss gemeinsam.

eine nach pisse stinkende frau steigt ein. es gibt fuer alles eine loesung. ich habe eine hand, also habe ich auch eine faust. was stelle ich damit an? gibt es zarte kieferbrueche? die schlimmen dinge passieren tagsueber im hellen. phantasie bezirkt. bahnfahren schadet. eine notwendigkeit, die leichtsinnig und nervoes macht. zwingt im abstrakten dazwischen zu leben. eine verzweifelte beschwerde, stelle ich fest. wozwischen? vergiftet von der ideenwelt einer koerper-verbesserungsreklame. ich will keine jingles erinnern. ich habe ploetzlich angst dem alltag zu erliegen. den humor zu verlieren, wie einen beruf. abertausende fernsehradiosenderwellen blaettern sich durch mich hindurch. niemand hat mehr angst vor geistiger armut. alle dicken haben ein druesenproblem, sagen die dicken.

die naechsten generationen werden sich fragen,wieso wir nichts unternahmen, an nichts mehr glaubten, uns duch unterwerfung klein machten. angeblich ahnungslos. unsere verteidigung wird schlicht und glaubwuerdig sein: es lenkte uns so vieles ab. als schutz lernten wir nicht mehr staendig zu reuen, sondern endlich zu recyclen. manager lebten zen. wir hassten sie grundlos, verabscheuten unsere faulheiten beim betrachten der fiktiven figuren, die uns stellvertretend ausfuellten. kreislaeufe erlaubten effizienz. sie sagten, dass wir auf uns achten sollen. wir nickten und erlebten unser sinken als sinnvolles verhaerten. wir sollten zuschauen und rechnen lernen. selbst moralschweine fuehlten in ihrem inneren die geburt der entscheidungen. die ausreden lagen deshalb in katalogen parat. nicht die industrie, sondern unsere eigenen erklaerungen waren schuld. die suche nach suendenboecken. gewalt ist meist kostenguenstig.

innere missverstaendnisse wurden als erfahrung verkauft. libidoverluste beim geniessen. wiederholung wurde gespeichert und charakterbildung genannt. alzheimerkriege gegen idiosynkrasie, in die visiere sich selbst aufhebende gedankenmodelle als folie eingehaengt. die medien spielten dabei eine nebenrolle. dementi trotz erstklassiger aufstellung. trendgeschwaecht haben wir gemeinsam alles beschriftet. wir haben die veluste alle gespuert. feigheit ist ein seltenes wort, obwohl sie allgegenwaertig ist. niemand hat etwas gesagt in dieser schweigespirale. wie eine magersuechtige hat die gegenwart sich zu hassen gelernt. das sagen die aelteren und wissen danach auch nicht weiter. schwache flammen sind immer blau. die derzeitige evolutionssprosse ist wie halblanges haar, schmerzhaft mittelmaessig. die gefuehle sind verlangsamt, bis sie gaenzlich abgestriffen werden. wir sind geworden? aktives und passives verhalten laesst sich nur noch muehsam unterscheiden. es muss eine unheimliche magie sein, die uns antreibt und immerfort beschleunigt. ich hoffe, dass wir uns bessern, sagt ein mann jetzt unbeherrscht ins plastiktelefon hinein und ist zum ersten mal aufrichtig. verbluefft, dass sich dieser seltene moment in einer derart banalen umgebung abspielt, schaut er auf, um zeugen dafuer zu finden.

nachts wird panisch manches buch durchsucht, solides fernsehen, staendig aufgearbeitete informationen aufgesogen. den leitmedien zugestimmt. alternativloses mitschwimmen. wir meisseln die hoehle, entfachen das feuer und setzen uns eigenhaendig mit dem ruecken zum ausgang. jede kultur hat ihre werte. tief luft holen. frauen schlagen. scheitern am zuviel oder oberflaechenwissen. der mensch gehoert als urschleim zurueck ins meer. immerwaehrende nischenidiotie, wir haben auf der flucht insgesamt zuviel und toericht laut gesprochen. den geheimnissen die schenkel auseinander gedrueckt. zuviel gesehen. das unertraegliche wurde in dreissig sekunden hineingerettet. fremdes hat uns manchmal geruehrt. gluecklicherweise hat es bis zum vergessen gereicht. sollte nicht jeder tag zumindest eine herausforderung anreizen? in vielen koepfen werden schweigend bomben in arbeitsstaetten gelegt und kehlen von familienmitgliedern durchschnitten. wir wollten befreiend schreien, aber es gibt keinen platz dafuer in dieser stadt. es gibt hier noch nicht einmal sitzbaenke.

vielleicht lagen wir morgens in den kunststofflaken, sahen bloss dem duennen licht zu, das durch feinstaubverschmutzte fenster fiel. wir hatten alles freiwillig vergessen. draussen schlugen die glocken einer entleerten kirche. jede vergangenheit verschwand. alle menschen. wir selbst. die zerrende planung erstickte. ich verstand meine endlichkeit und fror nicht einmal. die aufregung ueber diese welt ohne uns machte sprachlos. die haende hoben sich von selbst und wollten schlafabgestandene luft greifen. unmoegliches wagen. egal, wenn darueber gelacht wird. es ist besser sich am eigenen leben satt zu fressen, als fremdes zu beneiden. unbeschadet kommt keiner davon. danach herzklopfen gegen die rippen, bis zum erbluehenden zusammenreissen, das nur aufhob, um uns laechelnd wegzuwerfen. eine unbekannte strafe. das zoegerliche auftauchen war beweis, dass wir nicht wussten welche welt wir verliessen und welche wir erschaffen hatten. [pn]

antikrimi

dies ist die beste aller moeglichen welten, sagt der dealer, als wir durch das birkenwaeldchen zum depot gehen. selbst unter seiner kapuze scheint er sich fuer die mediengerechte hornbrille zu schaemen, die er tage zuvor von seiner schwester geschenkt bekommen hat. die buergerliche veraengstigung amuesiert mich. ich sehe jedoch nur manchmal teile seiner gesichtsplatte, er dreht den kopf oft zu den seiten, um im geist nach markierten baeumen zu suchen. mein blick in die kronen wirkt wie eine hollywood vietnam postkarte, spaete nebel drehen sich dort oben. weisser atem auch vor uns, als rauchten wir staendig. ich beisse die rissigen zaehne aufeinander. sie fuehlen sich sandig an. belz hat einen schweren ast aufgehoben und beginnt abwesend die gabelungen abzubrechen. meine haende in den hosentaschen kommen mir ploetzlich nutzlos vor.

als wir den waldweg verlassen schaltet er das mitgebrachte radio aus. tragbares privates, sagt der dealer, das ist die grosse gegenwart! erst jetzt sehe ich, dass er mit einem gps-geraet navigiert. jeder ist heute steuermann. ich verurteile ihn nicht. ich war auch nie bei den pfadfindern. vergeblich versuche ich mich an die moosregel zu erinnern, mit der man die himmelsrichtung feststellen kann. faustregel, daumenregel. durchschnitt. bolz schleudert den ast ins dickicht hinein. mir ist schlecht. ich frage mich, ob wir den wagen vorhin wirklich abgeschlossen haben, aergere mich ueber die zurueckgelassene wasserflasche.

natuerliche knallteufel. unsere schuhe treten auf hartgefrorene erdstuecke, die sich knackend oeffnen und weiches inneres entlassen. anscheinend hat alles eine oberflaeche. der dealer erzaehlt jetzt etwas ueber die letzte documenta. von der renaissance gottes und falscher befangenheit vor sich selbst. er ist toleranzmuede, wie so viele unserer generation. wenn es nach ihm ginge, wuerde er sich am haertesten bestrafen. ohne zu wissen, was er bereits geschluckt hat, fuehle ich trotzdem ekel vor seiner falschen euphorie in mir aufsteigen. ich kann nur noch an die packung denken und krieche deshalb in mich zurueck, ziehe dabei die tuer lautlos zu. immerhin hat belz aufgehoert sich staendig das gesicht zu reiben. seine telefone klingeln im minutentakt. er drueckt die kunden immer wieder weg. ich muss an schlaeger denken, die opfer von sich schubsen und dabei komm her! schreien.

waldgeraeusche durch temperaturwechsel. the sound of nature, wie belz sagt. wir graben abwechselnd mit blossen haenden und teilen uns die letzte zigarette dabei. der dealer hat vergessen, wie tief der stoff liegt. als mensch ist er sich seiner staendig bewusst. seine koerperhaltung wirkt immer gestellt. belz raucht die kippe nass, rueckt sich die brille auf die nase zurueck. eine unangenehme hektik liegt in der szene. unter meinen fingernaegeln wird es kalt. ausser einem tristen ohrwurm ist mein kopf leer.

nachdem wir uns ein briefchen geteilt haben, schweigen wir erwartungsgemaess. belz wirft portionen in seinen rucksack. er merkt nicht, dass er duemmlich summt. wir verwischen das loch und gehen weiter. auf einer lichtung finden wir abgeschnittene baumstaemme, die mit neonmarkierungen uebersaeht sind. holzfaellergeheimnisse. fuer alles gibt es eine subkultur. ich habe lust zu lachen, schaffe es aber nicht richtig. wir setzen uns, finden jedoch nichts zum zuruecksinken. die staemme sind zu glitschig und zu rund. ich hasse es high zu sein. die gefuehle und ideen stroemen in mich zurueck. einerseits und andererseits. dampf steigt vom waldboden. ein passendes bild fuer meine lebensvermutungen. in entfernung hoere ich eine unsichtbare autobahn. belz richtet beim gehen die schultern auf. ein arm haengt schlaff an ihm herab.

der dealer zeigt mir seine verklemmte faust. die finger haben sich tief ins fleisch der handflaeche gebohrt. belz lacht und sagt, dass er epileptiker ist. einbeinig balanciert er jetzt im gruen und fischt aus seiner jacke etwas pulver heraus, um es auf die wunde zu streuen. wunde, fragt er, oder wunder ? ich schwitze. belz beginnt mich zu stoeren, gleichzeitig habe ich mitleid mit ihm. ich sollte mir diesen trost eigentlich fuer mich selbst aufsparen, denke ich. das gehen tut wieder gut, obwohl es mich vor augenblicken langweilte. der dealer ist aus meiner sicht verschwunden.

als ich ihn wiederfinde, steht er am rand einer illegalen muellkippe. dutzende plastiktueten liegen zwischen halbgeoffneten kuehlschraenken, zerissenen einkaufswagen und buntem glas. es raschelt vor ratten. die sonne ueber uns ist ruhig geworden. belz steht ebenfalls atypisch still vor einigen kleidungsstuecken, die im dreck liegen. es macht mich nervoes soetwas zu finden, sagt er, ohne sich umzudrehen. gut. ich koennte sein gesicht jetzt sowieso nicht ertragen. irgendwie bin ich erleichtert. wenigstens bringt ihn seine angst noch zum schweigen. aufgeweichte werbeprospekte bedecken den boden. ich frage belz, ob er manchmal eine der lachenden personen darin sein moechte. nein.

lass uns gehen, bevor wir hier noch einen toten finden, sagt belz. schaum klebt in seinen mundwinkeln. sein drogenrucksack wirkt jetzt wie ein schultornister. ich sehe belz mutter foermlich im kuechenfenster stehen und ihm hinterherschauen. manchmal vergisst sie seine brote einzupacken und laeuft dann auf die strasse hinaus. es ist belz damals peinlich. heute denkt er nicht daran.

meine beine sind im stehen eingeschlafen. der dealer setzt sich stumm auf seine eigenen hacken. er hat stressschatten im gesicht, bereitet deshalb eine frische portion vor. eine sehnsucht nach bedingungsloser wirklichkeit beginnt in mir zu wachsen. ich sehe mich bereits klar und deutlich bei zukuenftigen richtigen handlungen, waehrend ich es gleichzeitig verstehe fehlern geschickt aus dem weg zu gehen. es ist doch alles recht einfach. in vorbereitung auf den lichtdurchlaessigen neubeginn schaue ich auf mein telefon, um erst einmal den wochentag zu erinnern. ein duesenjaeger zerkratzt ueber uns den himmel. der dealer reisst sofort den kopf nach oben und will beinah einsteigen. ich habe das starke gefuehl bereits an diesem ort gewesen zu sein. als ich belz gaehnend beruhigen will, erkenne ich hinter ihm, unter blauen muellsaecken, einen fahlen duennen koerper. gleich sage ich es belz und werde mit dem finger darauf zeigen. [pn]

ruebenfeld

regen laeuft an den sechs meter hohen fenstern ab. die waende holzbedeckte flaechen. dunkel lackierte maserungen sind vollstaendig darin eingeschlossen. glattpoliert reizen sie zum anfassen und darueberstreichen, als koennte so ein besseres verstaendnis entstehen. ein trugschluss, der sich immer wieder fuehren laesst. die museumsbesucher verschraenken ihre arme auf dem ruecken. kontemplative teufel. sie zwingen sich innerlich zum bremsen, bevor sie fortgerissen werden. die bilder und skulpturen zaehlen nicht. blosse ankerpunkte zum verweilen und herantreten. die meisten schweigen, fluestern fast, nur manchmal benutzen sie die stimme. echozirkel beim betrachten und vergegenwaertigen. koepfedrehen in der wellenform. all das licht, das faellt, vergeht. konsistenzpruefungen. meinungen werden fuer bereits gehandeltes getauscht. der irrglaube, dass die beurteilung eigentstaendig ist: ich kann das besser. das gerechte lachen. die neue wirklichkeit ist denjenigen zu echt, die sich nach alter glaubwuerdigkeit sehnen. nostalgie? manchmal eine doppeldeutige chance. retrospektiven liegen zu nah, dicht bei der mattscheibe. bessere televisionen. dort beliebtheitstabellen. wann schreitet aber der fortschritt selbst fort? schleifenexistenz. alltag, sagen die kollegen und haben recht kein drama daraus zu machen. da muss man schliesslich durch. den beteiligten fehlt der mut fehler zu begehen, denkt der pfleger, um sich schnell zu beschwichtigen. die lust zu scheitern ist gering. der pfleger kann es verstehen. er will auch auf die richtige seite und schaut schon immerzu herueber.

er merkt, dass er den eintritt bereits bezahlt hat. er hat vergessen seine abscheu mit der regennassen jacke in der garderobe abzugeben. das soll ihm keine ausrede sein. dies ist jetzt bloss eine freizeit. fest verschraubt. zu schade zum verschwenden. er will auftanken. im beruf wirft er gelbsuchtgetraenkte einwegskalpelle in plastikeimer. nicht die gesamte zeit.

er hat sodbrennen. kollateralschaden. im krankenhaus: einwegoperationen von einwegkoerpern. schon mal patientenkolonnen gesehen? dem kartenabreisser haengt die haut um die augenoeffnungen herunter. der pfleger kennt den namen dieses geburtsfehlers nicht. er aergert sich und will es bei gelegenheit nachschlagen.

letzte woche haben sie einer alten frau einen reissverschluss eingenaeht. der krebs fuellte sie gewissenhaft mit blut,eiter und scheisse. das gewebe hielt die taeglichen oeffnungen zur bauchspuelung nicht aus. jeder mensch ist einzigartig. schlagartiges zitat. der pfleger lacht vor dem naechsten austellungsstueck. nicht ueber die antiquitaet, sondern bewusst ueber die fussbodenfugen davor. er will sich staendig zuvorkommen, um den zufall zu verwirren.

die angehoerigen im krankenhaus sahen die liebe oma immer nur bis zum hals mit weissgewaschener bettwaesche zugedeckt. sie liegt im koma, sagten die aerzte. oma schlaeft, sagten die enkel. und sie lebt. hurra. volle wucht. wir tragen unsere leichen bereits mit uns, denkt der pfleger ploetzlich. langweilt der kampf mit uns selbst, hacken wir die anderen klein. ein gemaelde laesst ihm doch noch die gedanken stolpern.

der pfleger laesst dies auessert ungern zu. es gibt kein ausserhalb. chirurgen rauchen oft schwarz und kette. na und? das nie endende probieren aller situationen macht die zunge muede. mal fuer fuenf minuten die fresse halten. zeilensprung um zeilensprung. erst tatsaechlich erlebtes laesst sich erheblich wiederkauen. der pfleger denkt nicht gerne nach. stagnation legt sich um ihn wie eine ungeschickte liebhaberin. statt kokonehrfurcht muss jedoch beleidigt werden. die bequemlichkeit siegt jetzt. feinaufgeloeste datenstroeme. bildschirmdurst, statt firstlifeverrecken. digitale slums mit blattgold im trinkwasser. langsam,langsam mit den jungen pferden! wer sich so verhaelt kann weder rechnen, noch mit geld umgehen.

der naechste hohe mattgraue betonraum. in den glaskaesten sind echte christliche reliquien aufgebaut. bruchstuecke der dornenkrone in einem prunkvollen goldschrein. daneben ein stueck vom kreuz. bitte nicht beschaedigen. es ist unangenehn, dass der raum, den diese gegenstaende einnehmen, selbst schon eine erwartung ist. hiervor wird jedoch nicht gekniet. weder innen noch aussen. stattdessen aseptisch gewartet. das christentum ist eine wartende maschine, denkt der pfleger. was wird jesus sagen, wenn er wiederkommt und alle diese kreuzanhaenger um die haelse baumeln? hoffentlich versteht er es nicht falsch.

der pfleger beobachtet die anwesenden, die dicht bei den vitrinen stehen. schliesslich wird suchend darum gekreist. erst dumm, dann richtig. aufenthaltsgravitation, bis zum ende der oeffnungszeiten. dieser glaube im kopf muss ernsthaft gefallen, um zu wirken. abseits davon ein potential fuer eine abgenutzte erinnerung, daneben rezeptoren fuer die erkenntnis eine augenblicksvorstellung zu besitzen. die zeit schiebt gleichzeitig alles unvorhersehbar voran. es gibt hier keine energiekrise.

der pfleger sitzt jetzt auf einem hellbraunen lederquader. er sieht die raumaufsicht regungslos in der ecke stehen. jede halbe stunde tauschen die wachen die raeume. diese summe aus sich ueberschneidenden parallelogrammen erzeugt in dem pfleger kopfschmerzen. der betrachter verdirbt jeden ort mit seiner anwesenheit. in diesem moment durchschreitet der museumsangstellte die halle, mit der absicht dem pfleger zu sagen, dass dessen kopfschmerzen fuer ihn irrelevant sind und es bleiben werden. [pn]

erklaere den hunger der welt meinem sohn & erklaere dem hunger der welt meinen sohn

statt spritzen oder hundescheisse, liegen plastikverpackungen von suessigkeiten im spielplatzsand. niemand hebt sie auf, solange das fernsehen keine bedrohungsszenarien daran formuliert. die medien berichten nicht ueber ereignisse, sondern beobachterinteressen. parallele fusstellung. ein kinderspielplatz ist kein guter ort um moral zu verdauen. ich schaue von der zeitung auf und sehe caspar an den roten seilen der kletterspinne hochsteigen. eine vorsichtige mutter faellt mir ein, die ihrer tochter hier einst einen sturzhelm aufsetzte. das kleine maedchen hat sich mit dem kinnband stranguliert. die zeitungen druckten damals ein verschwommenes, mit teleobjektiv aufgenommenes, photo auf die frontseiten. die scheinbare zurueckhaltung erwies sich als reine notwendigkeit, da der reporter aus dem fahrenden wagen herausschiessen musste. er war zu einem wohnungsbrand unterwegs. ich falte die zeitung zusammen, die ich als unterhaltung gekauft habe und versuche den gedanken erfolglos auf mich anzuwenden. im hintergund bekommt caspar ein apfelachtel aus einer transparenten tupperdose geschenkt. die fremde frau nickt meine erlaubnis aus der ferne ab. in geteilten fruechten koennen keine rasierklingen stecken, denke ich. pferdeschwanz ist ein merkwuerdiges wort fuer eine frisur. pony? sie haelt den behaelter dicht am ruecken, als sie mit den kindern spricht. zu hunden soll man sich ebenfalls herunterbeugen. oft verstehe ich die elternsolidaritaet nicht. sie scheint wie das vorbeilassen artgleicher pkws beim reissverschlussprinzip, endet im falsch verstandenen besitzdenken. die apfelfrau schaut wieder zu mir, diesmal ohne fruchtfragen. ein windstoss entkleidet die baeume dramatisch hinter ihr. der brief von dir steckt in meiner manteltasche und sticht mir in die seite.

caspar veliert spaeter einen seiner kleinen handschuhe. wir drehen deshalb eine runde ueber den umzaeunten platz. kinderkleidung ist immer zu bunt, als ob farben immer gute laune schaffen wuerden. die gestalter, die sich darauf spezialisieren, wirken meist selbst zurueckgeblieben. froehliche bienen und baeren sind wie parteiabzeichen auf pullover und jacken aufgedruckt. die erzwungene niedlichkeit provoziert nur ein abfaelliges verhalten gegenueber menschen, die noch zu schwach sind grosse arme festzuhalten. es soll gewaehrleisten, das jeder seinen sichtbaren status bekommt. verhaltenshilfen, die sich fortlaufend durch ein leben ziehen. kategorienbaeume fester betrachtungsweisen wachsen. muendigkeitsversprechen werden eingezogen. ich bleibe stehen und falte den brief, damit meine bitterkeit sich ebenfalls halbiert. caspar schweigt konzentriert bei der suche. wir stehen jetzt dicht bei der blonden apfelfrau, die kreuzwortraetsel per bleistift loest.

tausende kilometer entfernt entern dunkelhaeutige piraten im golf von anden ein tankschiff. schwer bewaffnete mittzwanziger, aufgepeitscht vom kathkauen. mit geschwollenen backen klettern sie aus den schnellboten. die reedereien empfehlen den besatzungen glasflaschen an deck zu zerschlagen, da die eindringlinge oft barfuss auf das schiff kommen. die armen bastarde. ich muss ueber das poetische bild nachdenken, als ich den fernsehbeitrag sehe. auf dem fussballfeldgrossen deck laufen unterbezahlte asiaten in dichter reihe und lassen scherbenteppiche zurueck. verschweissen stahltueren, richten hochdruckwasserstrahlen auf die baeuche der verzweifelten. sie sind selbst verzweifelt, da sie ihre familien alle vier monate sehen. sie stehen an der modernen akustischen kanone, die schmerzhaften laerm nach unten verteilt. die piraten tragen schon lange stofflappen in den ohren. der konflikt bleibt unter armen. der kapitaen kann aus seiner adlerperspektive oft nur schwer erkennen, wer zu seiner besatzung gehoert. manchmal nimmt er ein fernglas zu hilfe, waehrend er den vorfall meldet. am horizont erscheinen gruene armeehubschrauber, die schauen, aber nicht handeln duerfen.

die apfelfrau bietet mir blauen tee aus einer thermoskanne an, fordert mit einer geste ein hinsetzen dazu. mein kopf ist noch wuetend leer. deshalb sage ich ihr, das thermoskanne eigentlich ein firmenname ist, der zum synonym fuer hitze- und kaeltespeichernde baelter geworden ist. wahrscheinlich will ich das sie ihre handlung bedauert. ihr blick faellt ringsuchend auf meine haende. ich strecke meine finger dabei. sie erroetet leicht. immerhin. wir trinken das lauwarme abwechselnd aus dem unhandlichen deckelbecher. welches ist ihres? frage ich ploetzlich und beisse mir auf die zunge. sie wischt sich eine straehne fort. die restlichen haarwellen rollen fuer eine zugabe zurueck. meine tochter ist tot, antwortet sie und schuettet den becher mit definierten bewegungen sauber. caspar kommt mit beiden handschuhen zurueckgelaufen, bleibt aber stehen, als er uns sieht. kinder sind konsequent aufmerksam, nicht nur wenn ihnen danach ist.

autohupen. ich schaue nach vorne und sehe beleuchtete werbewagen auf der strasse entlangfahren. der beruf der fahrer ist es die koepfe von fremden vollzustopfen. banale kritik, denke ich. spaeter muss ich nahrungsmittel kaufen, um sie selbst in oeltaschen zu stecken. turn turn turn, singen die byrds auf dem piratenmutterschiff. meine nervenzellen sind ueberreizt und erschoepft. die apfelfrau schuettelt leicht die stirn, um mir die leeren worte von den lippen zu nehmen. caspar steht jetzt emphatisch daneben und beruehrt leicht ihren arm. als ich sie erleichtert laecheln sehe, stehe ich auf, um caspar von der bank wegzuzerren. nicht jeder moment darf zum makabren klischee verkommen. das hat diese frau nicht verdient. niemand verdient tausendfach gesehenes um sich zu haben. obwohl ich mich nicht mehr umdrehe, glaube ich zu wissen, dass sie mich versteht. [pn]

mensch wird in zeitlupe vom hai gefressen

schelling sagt, dass das boese nur ein scheinbild des lebens ist – ein schwanken zwischen sein und nichtsein, das nichtsdestoweniger aber dem gefuehl sich als etwas sehr reelles ankuendigt. das boese ist nichts anderes als das relativ nichtseiende, das sich zum seienden erigiert, also das wahre seiende verdraengt. es ist von der einen seite ein nichts, von der anderen ein hoechst reelles wesen. das boese produziert nicht, es truegt. als ablenkung deshalb attraktiv und verfaenglich begehrenswert. alle lauschen. schelling macht kunstpausen waehrend des sprechens. seine gesten wohlgeuebt und vorschnell asynchron geworfen. er moechte jemanden beeindrucken. [pn]

faradayscher kaefig

februar. der schirm im ruecksitz zeigt die aktuelle position auf einer digitalen karte. in minutenabstaenden wird die animation der imaginaeren verfolgerperspektive des flugzeugs eingeblendet. schlecht gerendert. die luft in der kabine ist trocken, zwingt zum lippenlecken. alle passagiere sind ruhig. ueberschminkte flugbegleiterinnen verkaufen parfuem und stofftiere im monotonen turbinenlaerm. garner klopft filmisch auf das uhrglas am handgelenk und bestellt eine teure cola. beim einschenken in den duennen plastikbecher sieht er, dass die landschaft auf dem computerschirm eine komplett andere als im bullauge zeigt. reif klettert darin hoch. garner presst das gesicht an das kalte fenster, probiert wie lange er direkt in die sonne schauen kann. unter ihm schwimmen in einem wolkenloch die alpen vorbei. garner laesst den augenfleck umherspringen, stanzt damit gesichter aus. ich anonymisiere wie in einem tatsachenbericht, denkt er. eine bewegung dicht neben im. laika ist von der toilette zurueckgekommen. sie ist immer noch angespannt. der druck beim steigen der maschine hat ihr waehrend des starts schmerzen bereitet. garner legt ihr jetzt seine hand aufs knie. so beruhigt er immer. laika blaettert langsam durch eine grelle illustrierte. ich kaufe sowas nur im urlaub, sagt sie.

die wollen die gletscher mit grauen planen abdecken, sagt garner. laika oeffnet die augen: ja, und nebenher laufen die schneekanonen. die zeitschrift rutscht ihr vom schoss und wird von einer stewardess aufgehoben. ihr halstuch ist schmutzig. sie beugt sich leicht herunter, um betreuung zu signalisieren. moechten sie noch etwas? laika schuettelt den kopf. der plastikbecher verschwindet in einem muellsack. garner ueberspannt die armbanduhrmechanik beim aufziehen. ein leichtes raunen geht durch die reihen, als die bildschirme das digitale flugzeug ohne hintergrund zeigen. keine sorge, lacht die abgehende stewardess, ich versichere ihnen, dass es draussen eine welt gibt. vor den fenstern ist es grau. vereinzelt suchen die insassen selbst darin bestaetigung.

die abgenutzen tragflaechen fahren in zwei stufen zur landung aus. do not step here. garner fasst an die hosentasche. die ecstasy liegen in der minzschachtel. laika sieht ihn fragend an. das signal zum anschnallen blinkt auf. er gaehnt. sie hat sich mit seiner jacke zugedeckt. ihm ist selbst kalt. er spuert seine beine kaum. hoffentlich klatscht niemand unprofessionell nach der landung, sagt jemand auf dem vordersitz.

arbeitslaecheln, als sie die maschine verlassen. wieso nennt man ein flugzeug immer maschine. es gibt doch viele maschinen, denkt garner. erfrischungstuecher werden ausgegeben. stahltreppen. das shuttle faehrt vor. die feuchte hitze legt sich ihnen sofort auf die haut. arbeiter werfen das gepaeck herum. die passagiere tragen abgeklaerte gesichter in den schmutzigen bus. der fahrer hoert einen schlagersender. er hat die langweiligste und kuerzeste route, wird im gebaeude von den kollegen ausgelacht. faehrt deshalb hart in trance der routine. die meisten wissen darum und halten sich an den ledergurten fest. die naiven schleudern umher.

salmiakgeruch. am gepaeckband wird garner bleich. im hintergrund stehen polizisten mit hunden. die uniformen wirken in diesem land martialisch. zu viele abzeichen. fuenf grosse ventilatoren drehen sich an der holzdecke. der polizist setzt einen fuss ruhig nach vorne, er hat zeit. der schaeferhund senkt den kopf zu boden. das fliessband bleibt leer. familien stehen dichtgedraengt im halbkreis. niemand versteht, dass er bloss einige schritte zuruecktreten muesste. so koennten alle gut sehen. garner stottert. angstschweiss um das gepaeck bei den anderen. laika nimmt garners hand, drueckt fest. der hund zerrt an der kurzen leine. draussen warten die palmen.

die automatischen tueren sind kaputt. der hund riecht um die aufgestellte leiter, auf der ein handwerker die lichtschranke kontrolliert. vor dem gebaeude muss garner die pillen in den bueschen zuruecklassen. der bus faehrt erst in zwanzig minuten. verdammt. er raucht zwei zigaretten heiss. laika hat etwas im auge, sie schaut in den puderdosenspiegel. garner zieht ihr einen kleinen splitter aus der rosa augenhaut. vergiss es, denkt er, dies ist urlaub.

im hotel schiesst garner einige photos. laika will nur schwarzweiss. mit diesen kleinen zahlen am rand, sagt sie. sie schlafen bei offenem fenster miteinander. laika duscht. das wasser laesst sich nicht richtig einstellen. sie hat von einem sturz einen violetten bluterguss an der wade. laika will sich endlich die haare faerben. garner reisst ein stueck brot auseinander, legt es zurueck auf den nachttisch. im fernsehen laeuft das gleiche wie zu hause. elektronisches orakel fuer geld. menschen reden mit ihren toten verwandten. es beruhigt garner nichts verstehen zu koennen. er schaltet stumm, zappt. stille ist eine grobe form der verzweiflung. jetzt sieht er ein maedchen mit vier armen. [pn]

cargo

die geschwindigkeit der arbeiter beim ziegellegen. niemand kann derart lange in der anspannung leben. das augenreiben veraendert nicht die welt, es bleicht nur die konturen. nichts erfahrbares mehr, alles wird zurueckgelassen, mulipliziert die alptraeume. stellvertretertode, rodungen von wertvollem holz, ich scheiss auf das artensterben. was geht es mich an. meine art vergeht, meine gefahren enden. leeres geschwaetz. begegnungen voll von rechtschreibfehlern. koerpererfahrung belebt. sommersprossen. zwei winter pro jahr. ich verkomme zu einer maschine und wehre mich kaum. der menschliche arbeitsvorgang wird mechanisch. worte zu wiederholen ist fahrlaessig. die welt wirkt wie ein grosses haben-wollen, sagen die geschwaechten. alle anderen werden still vor dem einschlafen. keine feinde finden. feinde aus sich selbst heraus klonen. teilnehmer und elemente sind kugelsicher. das zuschauen nicht mehr frenetisch. es wird als verpflichtung erlebt. die einen verrotten in ihrem hunger, andere verlegen ihr portemonaie. dinge passieren, sind meist gelungene spitzen. erschrecken ueber das bereits geschehene. dazu willkuer in den gesichtsausdruecken auf der strasse. kometen auf dem buergersteig. eine angst in allen, die dressur zuzugeben. spaesse werden staendig erfunden, schlagen ins gemuet wie granaten. fiktion der fiktion. fluchtschlaf ins private. na und? bereits gesehen und zu boden gehalten. wieso kann die welt nur durch hinzugabe verbessert werden?

ein ausgebleichter wunderbaum haengt am rueckspiegel. der fahrer redet schon ueber eine stunde auf mich und klio ein, waehrend der lastwagen die makellose autobahn hinabfaehrt. so spricht niemand, denke ich. vor uns ist in einem holzrahmen ein familienphoto des fahrers eingesteckt. nach dem einsteigen hat klio grundlos versucht die gesichter auszukratzen. wir bemerkten es alle aufmerksam, bis sie aufhoerte.

als ich mich ueber die tatsache wundere, dass man als insasse eines fahrzeugs staendig das gefuehl hat, sich immer nur in die gleiche richtung zu bewegen, wird der fahrer unerwartet still. pleotzlich finster. er nimmt beide haende vom steuer, um sich die dicken arme zu kratzen. schuppenregen faellt auf die gummimatten. die gleiche oder dieselbe? ich kann mich nicht mehr konzentrieren, schaue auf die holzkugelmatte seines sitzes. der fahrer versucht clever zu sein, sagt, dass er bei seinem vortrag figurenrede benutzt hat. das alles sei nicht seine meinung. klio hat glueck, ihr entgeht diese peinlichkeit. sie schlaeft mit dem kopf am fenster. deine freundin ist dumm, sagt der fahrer. ich sehe ein gruenes schild in der frontscheibe und freue mich kurz. die naechste raststaette ist noch zwoelf kilometer entfernt. sie ist nicht meine freundin. wir fahren nur zusammen per anhalter. ich antworte, da selbst die kommenden fuenf minuten jetzt lang werden. der fahrer schaltet endlich das radio ab, das die ganze zeit viel zu leise und unverstaendlich gespielt hat. in einer lautstaerke, die stoert, ohne wirklich abzulenken. rohe, eckig gepflanzte birkenwaelder ziehen vorbei. sie ist dumm, wiederholt er und drueckt jetzt konsequent auf das gaspedal. ich sehe erst jetzt, dass er barfuss faehrt. schlagloecher setzen ein. klio erwacht. sie greift erschrocken an das armaturenbrett. ihre knoechel werden weiss. der fahrer lacht dumpf auf. ich versuche, klio zu beruhigen und rieche den wunderbaum aus falscher zitrone und minze dabei. klio ist abwesend. sie drueckt ihren koerper bloss an die seitentuer. hinter uns beginnt die kaffeemaschine aus glas zu zittern.

ich ueberlege, bin aber gleichzeitig zu muede, um in schuld zu verfallen. klio nickt mir liebevoll von der seite zu. ich halte das teppichmesser in der jackentasche umschlossen, presse meine finger in die plastikrillen des griffes. ich hasse, wenn es warm wird. der fahrer glaubt, die situation zu beherrschen. eine ausfahrt verschwindet. wir rasen an vollgestellten parkplaetzen und grellen grillrestaurants vorbei. die lichter blenden uns unterschiedslos. fuer einen moment fuehlen wir, dass die naechsten schritte abwendbar und unnoetig sind. dass wir auch genausogut dort gemeinsam ueber einer tasse kaffee sitzen koennten. jeder wuerde eine belanglose wahrheit erzaehlen, wie man es nur vor fremden tut. der fahrer koennte klio vaeterlich aus der hohen fahrerkabine helfen, um mir danach kurz anspornend auf die schultern zu klopfen. klio haette ihm, aus einer falschen annahme, ein laecheln geschenkt, um ihn aufzumuntern. ich haette vielleicht etwas ueber den beeindruckenden tanklaster gesagt, den er hartnaeckig von a nach b fahren muss. alle gefahrlosen rollen haetten in einer kulisse von reisenden belegt werden koennen.

stattdessen warte ich bis wir die hundertzehn kilometer erreichen. klio oeffnet dann beinah lautlos die tuer, als ich die perforierte klinge im hals des fahrers abbreche. wir loesen unsere gurte, die surrend geschluckt werden. zzzzzzzt. dieser moment wirkt irreal. mattgraues asphaltfliessband zu ihren fuessen. schreiend bedeckt der fahrer seinen frisch entdeckten fremdkoerper. seine stimme blubbert frech. kameraauschnitt. ich stosse klio wie in einem zaubertrick hinaus. sie verschwindet sofort, bleibt immernoch stumm. der kopf des fahrers faellt weinend auf die hupe. er hat keine absicht mehr, nach vorne zu schauen. eine zeitung spiegelt sich in der scheibe. automatische schlangenlinien setzen ein. ich muss an sizilien denken, wo ich an der kueste sass und mich im selben augenblick schon virtuell bei google maps sah. verdammte vogelperspektive. verdammte computer. ich gebe dem fahrer im nachhinein recht. das leben ist jetzt keine fabel mehr. er versucht, das rostfreie edelstahl vergeblich aus seinem muskelfleisch zu ziehen. das messer kostet einen euro, faellt mir ein. ich schaue ihm kurz zu und rutsche auf flauschigem fell zur windschluckenden tuer. kruemel beruehren meine haut. sein wagen wird gleich nicht in einem eindrucksvollen feuerball vergehen. der fahrer wird nur im erhitzten metall zerquetscht werden, womoeglich dank der kolossalen medizintechnik sogar ueberleben. ich hoere die suessen sirenen zu seinen ehren schon singen. unbekannte retter werden sich selbstlos um ihn kuemmern.

waehrend ich falle wird meine zeit stereotypisch gezerrt. ich bedaure, dass ich klio so wenig kannte. sie wirkte sehr nett und eigenstaendig. man kann sich leider nie sicher sein. wir haetten uns wahrscheinlich schnell belogen. der fahrer sollte jedoch gluecklich und zukunftsgerichtet denken. jeder irrsinn hat die chance auf eine verfilmung.

[pn]

mars

walzer. das wort wirkt, als fehlte in ihm ein buchstabe, obwohl es es doch vollstaendig ist. dieser turniertanz wird in einem gebaeude ausserhalb der stadt in einer generalprobe aufgefuehrt, als wir woanders aus der ubahn steigen, ohne uns umzuschauen. der schnellste tanz des welttanzprogramms. die plakate dafuer haengen ueberall. vor den gelben kachelwaenden bleiben wir stehen. am ende der rolltreppen bellen die schaeferhunde bereits, werfen sich in die halsketten hinein. du korrigierst wortlos deine halterlosen struempfe, damit wir schneller durch die kontrollen kommen. es faellt mir wie immer schwer, mich zu beherrschen, als die soldaten uns abtasten. sie fahren mit lederhandschuhen an deinen beinen entlang. mein rollstuhl wird pro forma durchsucht. zumindest werden die gewehre an diesem kontrollpunkt vorschriftsgemaess nach unten gehalten. sie riechen jedoch an allen fluessigkeiten, die wir bei uns tragen. die gesichtsscanner arbeiten elektronisch, der anwesende offizier ist betrunken. kein wunder bei seinem job. blechern stossen sie uns zu den anderen wartenden. dichte familien stehen duldsam beieinander, ihre kinder spielen mit den abfaellen, die sie in transparenten tueten bei sich tragen. die durchsagen schlucken das duenne lachen. du wirfst wieder eine pille ein. ich stecke die daumen in die faeuste und presse, bis ich das gefuehl habe, dass sie bald brechen. in einer silberwand sehe ich, dass du mir bald die haare schneiden musst.

als wir an die oberflaeche gehoben werden schlaegt regen gegen das plexiglas der fahrstuhlkabine. triste volksmusik spielt ununterbrochen. in diesem abschnitt sind die strassen ueberdacht. die verwaltung hat hier viele baeume gepflanzt, ohne zu ahnen, dass diese auch schatten werfen. du behaeltst deine sonnenbrille trotzdem die gesamte zeit auf. deine augenfarbe habe ich schon laengst vergessen. du schiebst mich hart an den holzverschlagenen schaufenstern vorbei. als ob wir es eilig haetten. mein zungenschnitt ist schlecht verheilt. ich kann dir deshalb nicht sagen, wie mir es vor der zugfahrt graut. sie haetten den transrapid auch in grossdeutschland bauen sollen, denke ich und fuehle die beine, die ich nicht mehr habe. als du mir die infusion oeffnest, fallen dir die sproeden haarlocken ins gesicht. koeterblond nennst du das, wie deine mutter immer sagte. mir wird warm, du spielst mir vorgefertigte aufnahmen auf dem rollstuhlbildschirm vor. ich kann kaum die finger heben. das morphium fuellt mir jede ader aus. ich bin ueberrascht, als du lachst, waehrend der glashimmel fuer eine werbung abgedaempft wird. jeder konflikt hat eine richtige seite, sagen sie. ich hasse das morphium, weil ich mich darin oft an das laufen erinnere. immer wieder sage ich dir, dass du mich einfach in einen graben schieben sollst, wilde fuechse wuerden es schon beenden. du schuettelst den kopf. es scheint dir irgendetwas daran zu liegen, mich zu behalten. auf der strasse schenken sie uns einen gruenen heliumballon, den du sofort als markierung am rollstuhl befestigst. undeutlich schlafe ich ein.

als ich aufwache fahren wir bereits im zug. den urinbeutel hast du schon geleert. das schienengeratter im gang ist besonders laut. es zieht furchen in meinen verstand. durch die fenstergitter sehe ich den roten sand gespiegelt. ab und zu ein blasses dorf im hintergund, ohne strom und fliessend wasser. es ist mir unverstaendlich wie dort menschen leben koennen. du stehst die ganze zeit, um mich zu provozieren. manchmal spannst du dabei sogar deine schenkelmuskel rhythmisch, damit ich ihre kontraktionen sehen kann. glaub mir, ich weiss, dass du beine hast. als du mir etwas nektar gibst, kommt der schaffner vorbei. immerhin traegt er einen schnauzer. da mein hals mit kaltem rotz gefuellt ist, tritt statt lachen nur ein versuch aus meinen mund heraus. du traegst jetzt ein gelbes kleid, mit v-auschnitt. ich kann es aus den augenwinkeln sehen. der schaffner klappert mit den augen, nickt dann in meine richtung. ich zucke mit den armen. er schliesst trocken sein maul, als er die kriegsversehrtenmedaille an dem rollstuhlruecken entdeckt. deine hand legt sich sofort demonstrativ auf meine kuenstliche schulter. als ich deine haut das letzte mal beruehrte, fuehlte sie sich ledern an. so sehr du dich auch bemuehst, sie zu cremen und zu pflegen, sie wird nie mehr zart werden.

die monde stehen jetzt weit oben. du zeigst mir spater photos von deinem zukuenftigen leben. ich schaue sie aufmerksam an. mein gedaechtnis ist zu sechzig prozent gestoert. obwohl ich dir immer wieder die gleichen fragen stelle, bleibst du geduldig. angststoss. vor den fenstern schiesst goldenes pulver aus der zugartillerie weit in die felder hinein. du gibst mir einen zungenkuss durch die plastikmaske. immerhin bin ich eine lukrative art geld zu verdienen. [pn]

zum verrat jeder notlage

windstille. der tag beginnt im aberglauben. ich werfe den ring fuer dich in den grauen fluss hinein. das wasser lacht gnadenlos ueber das schlichte silber. gereizt versuche ich dem moment einen abschliessenden sinn zu geben, richte mich dazu innerlich auf. das erinnerungswerte wird steif, wie ein plastikkorken, abdruecke von zaehnen darauf. ein papierflaches containerschiff erscheint in der fahrrinne. ich spucke hellen schaum herunter. unbeeindruckt draengt der schiffsbug weiter wellen fort. die selbstueberschaetzung laesst mich erroeten. falsches werkzeug in den entleerten haenden. endloses ausatmen. milde fliesst ueber mein gesicht. alle muessen atmen, schrieb ich dir einst. atmen trotz treibender zungenschlaege. trotz rechnungen. trotz krankheit, trotz absichtslosem warten. trotz frustration, die moeglichst schnell verschluckt wird. nein, wir duerfen vielmehr. der brustkorb hebt und senkt sich staendig, selbst das luftanhalten ist willensschwach. unheimlich, dass der koerper eigenstaendig handelt. ich bewohne mich selbst und kenne dabei wenig raeume. die langen spaziergaenge auf den fluren verwirren nur. assistenten uebermalen die aufgehaengten bilder und wechseln die rahmen. es kann immer nur ein kleiner teil des archivs betrachtet werden. manche leinwaende aus blei, sie bleiben deshalb lange haengen. die feuchtigkeit der luft zerstoert sie. staub wirbelt auf. wozu die schuhe muehsam ausziehen? ich habe schon so viele bilder kaputtgeschaut. touristengruppen werden von mir achtlos an den dauerbrennern durchgefuehrt, ihre eintrittsgelder eingeschmolzen. kopisten trauen sich nunmehr an neuinterpretationen. in besenkammer liegen leichen heimlich hinter samt. schwere duefte im museum taeuschen frische vor.

ich schaue auf vom quecksilberzickzack des wassers. das schiff laedt im hafen waren aus, die ich mir spaeter kaufe. als ich die bruecke verlasse empfinde ich dafuer dankbarkeit. ein leeres sicheres, aber schmerzhaft bequemes land. die gesichtsausdruecke der passanten fordern nichts ein. wir sind alle ununterscheidbar beim vorbeigehen. die zahl der inneren schauplaetze explodiert. frisch verliebte erzaehlen sich noch ausgedachte biographien der entlangstroemenden, waehrend sie auf gesponsorten parkbaenken sitzen. zumindest in einem woody allen film. spaeter ersticken sie im widerstreit des alltag. wieso habe ich loecher in den handflaechen, denke ich und stelle fest das sie intakt sind. absichten reichen nicht. handlungen entscheiden. dein ring liegt im schlick. in einigen jahren werden polizeitaucher ihn finden, auf der suche nach einer kinderleiche. das parallele ist das unheimliche, nicht die alleinige menge. vielleicht schwimmen wale gerade in die ostsee ein. keine sorge. der kopf reduziert beindruckend leistungsstark. in der innenstadt schwingen die einkaufstaschen wie uhrpendel. jemand sagt im fernsehen, dass es nicht lohnt sich dagegen zu wehren. ich schalte zu spaet ein und frage mich: wogegen? mitzugehen sei die neue art der kritik, nur aus der bewegung heraus koenne man die situationen verstehen. ich lache darueber, als ich die einkaufsstrasse entlanglaufe. schon gut, denke ich und fuehle dabei ein abartig sanftes kopfstreicheln, mit dem man kinder verdummt. gerade hier, in den hellerleuchteten eingaengen, liegt friede und anstrengung nah beieinander. ich will auch etwas fuer mein geld. die zahlen in den schaufenstern wirken wie entbloesste geschlechtsteile. die phantasie des begehrens macht sie attraktiv und anziehend, nicht der kalte anblick allein. ich zwinge mich in die beobachterperspektive zweiten grades und sehe mich selbst unauffaellig in dem leipziger allerlei aus koerpern verschwinden.

solidaritaet der wuensche, ich habe ebenfalls durst. wir sind bunt und schadenfroh. mein gehen ist nicht ziellos, es reguliert sich nur unbestaendig. es ist merkwuerdig, dass ich noch an dich denken muss, obwohl immer mehr milchglasscheiben zwischen uns geschoben werden. keine lasik wird dafuer verschwendet. ich gehe jetzt schneller, versuche die spitze einzuholen in diesem marathonlauf. ein blauer bmw erfasst mich auf der strasse, bremst schrill in meine seite. ein geraeusch, wie von einem verbrannten toast gekratzt. die huefte bricht entzwei, wo deine hand einst lag. der hals in gegenrichtung fortgerissen, die arme grob gehoben. sie drehen sich jetzt zu straff, verlassen ihre ankerpunkte folgenschwer. kein blut zu sehen, es tropt ins innere. rippen gleiten in die lunge, am herz vorbei. im flug kippt mein kopf ein dutzendmal zur seite, muskelfasern schlagen mir beulen in die haut. attrappengleich steig ich empor. das kinn schlaegt mir am ruecken auf. den gelangweilten asphalt bemale ich weissrot, schlucke zaehne dabei, ein laecheln wird mir eingeschnitten. die handgelenke splittern fein. das angeschwollene gesicht riecht nach bittermandelkonzentrat. erst hier dringt ein schmatzender laut aus mir heraus. ich denke an das aufstehen, bleibe jedoch faul liegen. heisses fliesst mir in die augen. ein zeitungsartikel ueber organspende faellt mir ein. ein quadratzentimenter haut kostet neunzig cent. was hast du auf dem ausweis ausgespart? das sentimentale herz. nein, den dominanten kopf. ich muss schnell zwinkern, beweisen das sich eine reparatur wirtschaftlich lohnt. dann sehe ich meine rechte hand, daran ein karussell aus naegellosen fingern angebracht. doppel s, doppel l. es dreht sich nicht mehr und zittert leicht. [pn]

unterzucker

angespitzte nerven weit entfernt
im punkt winkel angemessen
voegel singen hundelaerm
bewegungsfreudig die agenten
leben bekannte konturen
in kanadischer haerte ruck zur vorsicht
glatte farbe ist jetzt im wagen ausgekippt
luegen ergeben sich perfektem sinn.

[pn]

trophaeen

verblasste menschen zu abstossereignissen verkeilt.
ungewollte potentiale entweichen, gegen sich selbst
bewusst abgenutzt. knochen dickes porzellan,
ihre muskeln wuensche. haut aus irrtuemern,
die die farbe aendern.
kuesse in die kehle. auge-bild-raum-kette
kalt in den photos einsehbar.
dein digitales paradigma,
antlitz aus braver eins und null,
harmlos neu ohne beruehrung,
kann geloescht, nicht mehr zerrissen werden.

[pn]

sonnenauf- und untergang verlieren ihre funktion

sanfte vanitas im reproduktionszyklus. er wird falsch verstanden. in-a-gadda-da-vida. die eitelkeiten aufgerissener haut. elektrische sicherungen springen heraus. der mann wechselt deshalb die schaedliche gluebirne in der deckenlampe. seine hautschuppen liegen danach auf dem kirschholzparkett. ein imitat. sie hat ihren unterkoerper wieder zugedeckt. mit der nazidecke, wie sie sagt. nur weil der stoff braun ist. in der raumecke bewohnen duenne spinnen ihre netze. brauchbares wird fuer eine zukunft zurueckgelegt. grzech schaut der erwartung der tiere zu und zieht sein unterhemd wieder an. er beneidet die spinnen kurz um ihre hoffnungen, schuettelt den kopf innerlich und dreht sich zu der frau zurueck. ihre haende riechen nach kaltem espresso. grzech muss ploetzlich an gott und seine propaganda denken. im winter bleiben die fenster und jalouisen verschlossen. es ist zu warm, wirklichkeit reicht nicht mehr als nahrungsmittel. im radio fluechten eine million menschen vor einem hurricane. das vorstellungsvermoegen endet abrupt. was ist eine wettervorhersage? maentel und stiefel kommen durch sie von dachboeden und kellern an die oberflaeche. binaercodes meteorologischer computer kleiden den menschen. grzech kann nicht mehr laenger in seiner phantasie bleiben. er wird in seinen koerper gespuelt. statt notwendiger fragen ist ein hochfrequenter ton in ihm entstanden. sie presst ihre beine zusammen. hoer auf, sagt sie in einer angst, wenn grzech dumme versprechen haelt. [pn]

am laufsteg

`niemand ist anonym. heute kann man nicht nur die tagebuecher oder briefe eines menschen finden und veroeffentlichen, sondern auch die googlesuchanfragen auswerten.` kilik schraubt die thermoskanne wieder zu, bewegt dann seinen mund. `zusammen mit den mobiltelefonen, den satelliten , rfid-chips, nacktscanner, ec- und kreditkarten, videokameras. das gesamte system, mann. du verstehst schon.`er klopft sich selbst auf die schulter. `vierundachtzig ist da.` er reicht mir die crackpfeife. ich gehe in die hocke, klemme das jackett unter die achsel. der brenner entzuendet den rosa brocken. noch zehn sekunden aushalten. kilik setzt gerettet seine sonnenbrille auf. lebensenergie stroemt. wir sind fuer fuenfzehn minuten freunde unter kuenstlichen palmen. ich schaue zum graniteingang. dort, am rand der idole, greifen photographenblitze in den hellen tag. unsere begleiterinnen entdecken uns. sie winken bezaubert mit ihren handtaschen. unschluessig, ob sie ihre verachtung offen zeigen. ich ziehe mich an kilik nach oben, steige in das jackett. `ich will dort nicht rein.`meine lippen sind altes leder. kilik oeffnet ein silbernes kaugummipapier, um origami zu falten. nach drei schritten landet es auf dem asphalt. `wegen den schlampen?` ich sage ihm, dass ich nicht weiss, wer diese frauen sind. eine limousine schiebt sich in das sichtfeld. schwere tueren schliessen satt. trister jubel jetzt. rothaarige claquere ueberall. in meinem kopf wird eine wohnung frei. der makler ist selbst mir unangenehm. seine kriterien sind unerfuellbar. kilik zieht mich ueber die strasse. als ich jung war hatten die wagen noch ein eigengeraeusch. die hybriden sind beinah stumm. jeder unfall klingt elektronisch bearbeitet. das reifenquitschen bleibt. das glassplittern bleibt. die schreie bleiben. nur der motor ist lautlos. gegenwart und verwunderung vor der absperrung. kilik streitet absichtlich mit den tuerstehern, die knoepfe im ohr und handschuhe tragen. der wind legt roten saharasand auf ihre lederslipper. wieso muss immer ein schwarzer kosmopolitisch an der tuer stehen. zum glueck bin ich high. wir heben die arme. metalldetektor. kilik wirft die pfeife in die plastikschale. kein wimpernzucken. kilik irrt. heutzutage ist hoeflichkeit provokant.

ich versuche zu laecheln, sehe jedoch im bergkristallspiegel an der garderobe, dass mein steifes gesicht vielmehr abstossend wirkt. ich kann nicht ablegen, da schon das hemd schweissnass ist. kilik scannt das foyer nach edelschlampen, wie er sagt. in wirklichkeit steht er dicht an der franzoesischen tapete, um den druck der schulterblaetter daran zu fuehlen. er zeigt tief in das restaurant hinein, macht ein paar unverstaendliche gesten. ich habe laengst vergessen, was fuer ein fest dies ist. `meinst du, dass sie hier ist?` kiliks stimme faellt bei der frage. ich sage ihm, dass er sein drecksmaul halten soll. er lacht, klopft einen frankfurter applaus auf die armvene. er hat recht. wir brauchen einen neuen schuss.

unter den gaesten sind viele unbekannte netzsternchen, die durch das fegefeuer der medien gehen. fette lokalpolititker und operierte geschaeftsleute mit jungen flittchen an ihren seiten. ich presse daumen und zeigefinger in den traenenkanal. mein gehirn versucht silberne druckbilder in das augenschwarz zu stanzen. `komm schon. du verschreckst alle.` sagt kilik aus seinem wachsgesicht. wir ziehen engelsstaub auf der toilette. ich spucke in das waschbecken, als ein mann mit weissem schnauzer seinen smoking richtet. wortlos spuelt er mein blut mit seife in den abfluss. kilik steht angeschnitten am spiegelrand und photographiert uns drei. er feixt. der alte zeigt ihm beim gehen den mittelfinger. ich kann mich schwer konzentrieren. die jazzmusik irritiert. sie ist zu laut. ein dickes frisches handtuch wird mir von einem blinden toilettenbutler gereicht. mir gefaellt, dass er arbeit hier gefunden hat. fuer alle gibt es einen platz auf erden.

im restaurant schlage ich kiliks laecherliche zigarettenspitze auf den boden. das elfenbein zerbricht. er schaut mich fassungslos an, stottert etwas von klasse und alten filmen. minuten spaeter ist alles vergessen. beim essen klatscht kilik den knappbekleideten kellnerinnen mehrfach auf den arsch. ich versuche seine stimme zu daempfen, indem ich ihm staendig wein einschenken lasse. er fabuliert in seinen theorien, verschwindet darin. die datenverarbeitung der augen verbraucht einen grossteil der ressourcen im gehirn. gut, dass man eine person herausfiltern kann, sobald man sie etwas kennt. ich sehe die safrangelbe sonne im deckenlicht abdrehen. die stimmung wird durch leuchten in den waenden kuenstlich verstaerkt. in einem nebenraum choreographiert ein regisseur die abendveranstaltung. temperatur. musik. licht. alles. trotzdem hat das sicherheitspersonal uns im auge. im schlichten dienstcomputer wird unsere identitaet diskret kontrolliert. ich proste ihnen zu und pfeife eine dame heran. das benutzte glas stelle ich demonstrativ auf das tablett. genscan. noch ist alles eine harmlose freude. eine zeitlang koennen die stiernacken nichts machen, da eine tierschau alle durchgaenge blockiert. geschmueckte lamas und veraengstigte gazellen werden durch die reihen gefuehrt. aus dem grossen saal kann man einen elefanten hoeren. bis auf die wenigen kinder scheint es niemanden zu interessieren. das essen ist manieristisch, aber passabel. zu viele zutaten. gabel und messer quietschen trotzdem ueber die teller, als koennte damit sinn erzeugt werden. die leere hier ist betraechtlich. ich liebe das lebenstheater. einige tische weiter schmeissen russen glaeser hinter sich. ein sogenannter brauch. oberkellner deuten wie diktatoren in die szene. neue glaeser werden von unteren klassen gebracht, solange die russen werfen und dumpf lachen. kilik hat jetzt ein down. sein kopf ist zur brust gefallen.

ich lasse ihn ausruhen und gehe auf die terasse, um eine einfache zigarette zu rauchen. wie erwartet erkenne ich dort natascha selbst aus entfernung an der koerperhaltung. ihr professor steht weltmaennisch neben ihr. wahrscheinlich um seine komplette meinung aus dem mund zu scheissen. sofort bin ich nuechtern. ein farbloses paar geht an mir vorbei. er rempelt mich aus versehen an, entschuldigt sich. ich fahre aus der haut, will ihn packen, aber reisse mich zusammen. kurz will ich zurueck, um kilik zu wecken, damit er mich vor einer dummheit bewahrt. stattdessen bleibe ich einfach stehen, um ihr zuzuschauen. sie ist ein lieblingslied, nur schneller und jetzt mit anderer melodie. ich habe ploetzlich druck auf den ohren. schlucke mein spucke, wie beim flugzeugsteigen. der professor legt einen arm um sie. sie betrachten gemeinsam das feuerwerk. als ich darueber nachdenke, ob es eine trivialere situation geben kann, beginnen jongleuere ihre auffuehrung. sie soll anscheinend sogar ein thema haben. kopfschuttelnd gehe ich zur eisenbruestung herueber. ueberall unterhaltung. musik spielt hier per klangfeldsynthese, konzentriert auf einen punkt. an terminal sage ich dem computer , dass er die wipers spielen soll und schicke den klang am eisengelaender herunter. die hoerten wir vor dem krieg. als der song natascha erreicht, dreht sie sich um, waehrend der idiot weiter benommen zum himmel starrt. sie verdient etwas besseres. kilik ruft an. ich druecke ihn weg. ich bin nicht sicher, ob sie mich erkannt hat. das kleid steht ihr nicht besonders gut. es wirkt angezogen, nicht getragen. trotzdem ist sie wunderschoen. selbst unerwiderte liebe macht toericht und blind. ich trinke etwas bitteren orangensaft. endlich geht der verdammte professor zum windelwechseln. natascha beginnt vorsichtig zu tanzen. merkt sie nicht, dass ein gewicht von ihr faellt, wenn der typ verschwindet? ich zwinge mich alles herunterzuschlucken. frauen wollen sich einfach wohlfuehlen. ich habe ihr am ende angst gemacht. ich liebe selbst ihre bewegungen. sie wird nicht kommen, ich werde nicht hingehen. ich schaetze die entfernung. vielleicht fuenfundzwanzig meter. eine ganze welt. kilik meldet sich wieder. ich verabrede mich mit ihm an der bar.

die bedienung traegt ein geschmackloses kurzes kleid. wir trinken wodka aus eckigen glaesern. das erinnert kilik an bladerunner. er sagt, dass er einen roboter ficken wuerde. ich beneide ihn. er findet andauernd etwas, indem er sich verlieren kann. selbst fuer eine halbe stunde ergibt er sich der neugefundenen absoluten hingabe. er ist nuechtern genauso. menschen missverstehen drogen, die immer nur als verstaerker der vorhandenen qualitaeten arbeiten. in wirklichkeit ist alles droge und ablenkung. jede handlung hat eine folge. das sieht man an den fetten aerschen. schlechter bildung. heisse buegeleisen in ein kindergesicht. alles makabre verbrechen. kiliks augen sind perlmutt beschlagen.`ich kann dich verstehen.` anstatt auf meine schulter, schlaegt er mit der hand ins leere. er macht ein kung fu geraeusch dazu.

das personal hat sich umgezogen. merkwuerdige pfauenfederbesetzte kopfbedeckungen. gruene netzschleier vor den gesichtern, dazu scheppernde schellen um die arme gebunden. das saallicht ist dunkelblau heruntergedaempft. aus der ecke erklingt pianomusik siamesischer zwillinge. ich beschliesse offiziell das crack aufzugeben. eine englaenderin unterhaelt sich fluesternd mit kilik. bingo. sie scheint nichts gegen seine kontrolle zu haben, zeigt ihm ihren hals. kilik strahlt mich daemlich an. seine verletzung ist unuebersehbar. ich zucke mit den schultern. aus meiner perspektive waechst ihm eine zierpflanze in den kopf. jeder hat eine. was? verletzung. perspektive. pflanze. scheiss drauf. es ist nicht gesund zu viele stille selbstgespraeche zu fuehren. grosses finale. natascha laeuft im hintergrund vorbei. sie ist heller als alle anderen. ihr kleid verfaengt sich zwischen den stuehlen. ich ueberlege, ob ich dem professor spaeter eine gabel in den adamsapfel steche. waege die konsequenzen ab. wuerde sie das beeindrucken? ich schwanke noch. spuere bereits den widerstand beim herausziehen der gabelspitzen aus dem knorpel. das arschloch folgt ihr eilig. ich hoffe auf einen streit. menschen sind zu banal. ich nehme deshalb meinen wunsch zurueck. [pn]