cargo



die geschwindigkeit der arbeiter beim ziegellegen. niemand kann derart lange in der anspannung leben. das augenreiben veraendert nicht die welt, es bleicht nur die konturen. nichts erfahrbares mehr, alles wird zurueckgelassen, mulipliziert die alptraeume. stellvertretertode, rodungen von wertvollem holz, ich scheiss auf das artensterben. was geht es mich an. meine art vergeht, meine gefahren enden. leeres geschwaetz. begegnungen voll von rechtschreibfehlern. koerpererfahrung belebt. sommersprossen. zwei winter pro jahr. ich verkomme zu einer maschine und wehre mich kaum. der menschliche arbeitsvorgang wird mechanisch. worte zu wiederholen ist fahrlaessig. die welt wirkt wie ein grosses haben-wollen, sagen die geschwaechten. alle anderen werden still vor dem einschlafen. keine feinde finden. feinde aus sich selbst heraus klonen. teilnehmer und elemente sind kugelsicher. das zuschauen nicht mehr frenetisch. es wird als verpflichtung erlebt. die einen verrotten in ihrem hunger, andere verlegen ihr portemonaie. dinge passieren, sind meist gelungene spitzen. erschrecken ueber das bereits geschehene. dazu willkuer in den gesichtsausdruecken auf der strasse. kometen auf dem buergersteig. eine angst in allen, die dressur zuzugeben. spaesse werden staendig erfunden, schlagen ins gemuet wie granaten. fiktion der fiktion. fluchtschlaf ins private. na und? bereits gesehen und zu boden gehalten. wieso kann die welt nur durch hinzugabe verbessert werden?

ein ausgebleichter wunderbaum haengt am rueckspiegel. der fahrer redet schon ueber eine stunde auf mich und klio ein, waehrend der lastwagen die makellose autobahn hinabfaehrt. so spricht niemand, denke ich. vor uns ist in einem holzrahmen ein familienphoto des fahrers eingesteckt. nach dem einsteigen hat klio grundlos versucht die gesichter auszukratzen. wir bemerkten es alle aufmerksam, bis sie aufhoerte.

als ich mich ueber die tatsache wundere, dass man als insasse eines fahrzeugs staendig das gefuehl hat, sich immer nur in die gleiche richtung zu bewegen, wird der fahrer unerwartet still. pleotzlich finster. er nimmt beide haende vom steuer, um sich die dicken arme zu kratzen. schuppenregen faellt auf die gummimatten. die gleiche oder dieselbe? ich kann mich nicht mehr konzentrieren, schaue auf die holzkugelmatte seines sitzes. der fahrer versucht clever zu sein, sagt, dass er bei seinem vortrag figurenrede benutzt hat. das alles sei nicht seine meinung. klio hat glueck, ihr entgeht diese peinlichkeit. sie schlaeft mit dem kopf am fenster. deine freundin ist dumm, sagt der fahrer. ich sehe ein gruenes schild in der frontscheibe und freue mich kurz. die naechste raststaette ist noch zwoelf kilometer entfernt. sie ist nicht meine freundin. wir fahren nur zusammen per anhalter. ich antworte, da selbst die kommenden fuenf minuten jetzt lang werden. der fahrer schaltet endlich das radio ab, das die ganze zeit viel zu leise und unverstaendlich gespielt hat. in einer lautstaerke, die stoert, ohne wirklich abzulenken. rohe, eckig gepflanzte birkenwaelder ziehen vorbei. sie ist dumm, wiederholt er und drueckt jetzt konsequent auf das gaspedal. ich sehe erst jetzt, dass er barfuss faehrt. schlagloecher setzen ein. klio erwacht. sie greift erschrocken an das armaturenbrett. ihre knoechel werden weiss. der fahrer lacht dumpf auf. ich versuche, klio zu beruhigen und rieche den wunderbaum aus falscher zitrone und minze dabei. klio ist abwesend. sie drueckt ihren koerper bloss an die seitentuer. hinter uns beginnt die kaffeemaschine aus glas zu zittern.

ich ueberlege, bin aber gleichzeitig zu muede, um in schuld zu verfallen. klio nickt mir liebevoll von der seite zu. ich halte das teppichmesser in der jackentasche umschlossen, presse meine finger in die plastikrillen des griffes. ich hasse, wenn es warm wird. der fahrer glaubt, die situation zu beherrschen. eine ausfahrt verschwindet. wir rasen an vollgestellten parkplaetzen und grellen grillrestaurants vorbei. die lichter blenden uns unterschiedslos. fuer einen moment fuehlen wir, dass die naechsten schritte abwendbar und unnoetig sind. dass wir auch genausogut dort gemeinsam ueber einer tasse kaffee sitzen koennten. jeder wuerde eine belanglose wahrheit erzaehlen, wie man es nur vor fremden tut. der fahrer koennte klio vaeterlich aus der hohen fahrerkabine helfen, um mir danach kurz anspornend auf die schultern zu klopfen. klio haette ihm, aus einer falschen annahme, ein laecheln geschenkt, um ihn aufzumuntern. ich haette vielleicht etwas ueber den beeindruckenden tanklaster gesagt, den er hartnaeckig von a nach b fahren muss. alle gefahrlosen rollen haetten in einer kulisse von reisenden belegt werden koennen.

stattdessen warte ich bis wir die hundertzehn kilometer erreichen. klio oeffnet dann beinah lautlos die tuer, als ich die perforierte klinge im hals des fahrers abbreche. wir loesen unsere gurte, die surrend geschluckt werden. zzzzzzzt. dieser moment wirkt irreal. mattgraues asphaltfliessband zu ihren fuessen. schreiend bedeckt der fahrer seinen frisch entdeckten fremdkoerper. seine stimme blubbert frech. kameraauschnitt. ich stosse klio wie in einem zaubertrick hinaus. sie verschwindet sofort, bleibt immernoch stumm. der kopf des fahrers faellt weinend auf die hupe. er hat keine absicht mehr, nach vorne zu schauen. eine zeitung spiegelt sich in der scheibe. automatische schlangenlinien setzen ein. ich muss an sizilien denken, wo ich an der kueste sass und mich im selben augenblick schon virtuell bei google maps sah. verdammte vogelperspektive. verdammte computer. ich gebe dem fahrer im nachhinein recht. das leben ist jetzt keine fabel mehr. er versucht, das rostfreie edelstahl vergeblich aus seinem muskelfleisch zu ziehen. das messer kostet einen euro, faellt mir ein. ich schaue ihm kurz zu und rutsche auf flauschigem fell zur windschluckenden tuer. kruemel beruehren meine haut. sein wagen wird gleich nicht in einem eindrucksvollen feuerball vergehen. der fahrer wird nur im erhitzten metall zerquetscht werden, womoeglich dank der kolossalen medizintechnik sogar ueberleben. ich hoere die suessen sirenen zu seinen ehren schon singen. unbekannte retter werden sich selbstlos um ihn kuemmern.

waehrend ich falle wird meine zeit stereotypisch gezerrt. ich bedaure, dass ich klio so wenig kannte. sie wirkte sehr nett und eigenstaendig. man kann sich leider nie sicher sein. wir haetten uns wahrscheinlich schnell belogen. der fahrer sollte jedoch gluecklich und zukunftsgerichtet denken. jeder irrsinn hat die chance auf eine verfilmung.

[pn]