Alle texte in ‘erzaehlung’



antikrimi

dies ist die beste aller moeglichen welten, sagt der dealer, als wir durch das birkenwaeldchen zum depot gehen. selbst unter seiner kapuze scheint er sich fuer die mediengerechte hornbrille zu schaemen, die er tage zuvor von seiner schwester geschenkt bekommen hat. die buergerliche veraengstigung amuesiert mich. ich sehe jedoch nur manchmal teile seiner gesichtsplatte, er dreht den kopf oft zu den seiten, um im geist nach markierten baeumen zu suchen. mein blick in die kronen wirkt wie eine hollywood vietnam postkarte, spaete nebel drehen sich dort oben. weisser atem auch vor uns, als rauchten wir staendig. ich beisse die rissigen zaehne aufeinander. sie fuehlen sich sandig an. belz hat einen schweren ast aufgehoben und beginnt abwesend die gabelungen abzubrechen. meine haende in den hosentaschen kommen mir ploetzlich nutzlos vor.

als wir den waldweg verlassen schaltet er das mitgebrachte radio aus. tragbares privates, sagt der dealer, das ist die grosse gegenwart! erst jetzt sehe ich, dass er mit einem gps-geraet navigiert. jeder ist heute steuermann. ich verurteile ihn nicht. ich war auch nie bei den pfadfindern. vergeblich versuche ich mich an die moosregel zu erinnern, mit der man die himmelsrichtung feststellen kann. faustregel, daumenregel. durchschnitt. bolz schleudert den ast ins dickicht hinein. mir ist schlecht. ich frage mich, ob wir den wagen vorhin wirklich abgeschlossen haben, aergere mich ueber die zurueckgelassene wasserflasche.

natuerliche knallteufel. unsere schuhe treten auf hartgefrorene erdstuecke, die sich knackend oeffnen und weiches inneres entlassen. anscheinend hat alles eine oberflaeche. der dealer erzaehlt jetzt etwas ueber die letzte documenta. von der renaissance gottes und falscher befangenheit vor sich selbst. er ist toleranzmuede, wie so viele unserer generation. wenn es nach ihm ginge, wuerde er sich am haertesten bestrafen. ohne zu wissen, was er bereits geschluckt hat, fuehle ich trotzdem ekel vor seiner falschen euphorie in mir aufsteigen. ich kann nur noch an die packung denken und krieche deshalb in mich zurueck, ziehe dabei die tuer lautlos zu. immerhin hat belz aufgehoert sich staendig das gesicht zu reiben. seine telefone klingeln im minutentakt. er drueckt die kunden immer wieder weg. ich muss an schlaeger denken, die opfer von sich schubsen und dabei komm her! schreien.

waldgeraeusche durch temperaturwechsel. the sound of nature, wie belz sagt. wir graben abwechselnd mit blossen haenden und teilen uns die letzte zigarette dabei. der dealer hat vergessen, wie tief der stoff liegt. als mensch ist er sich seiner staendig bewusst. seine koerperhaltung wirkt immer gestellt. belz raucht die kippe nass, rueckt sich die brille auf die nase zurueck. eine unangenehme hektik liegt in der szene. unter meinen fingernaegeln wird es kalt. ausser einem tristen ohrwurm ist mein kopf leer.

nachdem wir uns ein briefchen geteilt haben, schweigen wir erwartungsgemaess. belz wirft portionen in seinen rucksack. er merkt nicht, dass er duemmlich summt. wir verwischen das loch und gehen weiter. auf einer lichtung finden wir abgeschnittene baumstaemme, die mit neonmarkierungen uebersaeht sind. holzfaellergeheimnisse. fuer alles gibt es eine subkultur. ich habe lust zu lachen, schaffe es aber nicht richtig. wir setzen uns, finden jedoch nichts zum zuruecksinken. die staemme sind zu glitschig und zu rund. ich hasse es high zu sein. die gefuehle und ideen stroemen in mich zurueck. einerseits und andererseits. dampf steigt vom waldboden. ein passendes bild fuer meine lebensvermutungen. in entfernung hoere ich eine unsichtbare autobahn. belz richtet beim gehen die schultern auf. ein arm haengt schlaff an ihm herab.

der dealer zeigt mir seine verklemmte faust. die finger haben sich tief ins fleisch der handflaeche gebohrt. belz lacht und sagt, dass er epileptiker ist. einbeinig balanciert er jetzt im gruen und fischt aus seiner jacke etwas pulver heraus, um es auf die wunde zu streuen. wunde, fragt er, oder wunder ? ich schwitze. belz beginnt mich zu stoeren, gleichzeitig habe ich mitleid mit ihm. ich sollte mir diesen trost eigentlich fuer mich selbst aufsparen, denke ich. das gehen tut wieder gut, obwohl es mich vor augenblicken langweilte. der dealer ist aus meiner sicht verschwunden.

als ich ihn wiederfinde, steht er am rand einer illegalen muellkippe. dutzende plastiktueten liegen zwischen halbgeoffneten kuehlschraenken, zerissenen einkaufswagen und buntem glas. es raschelt vor ratten. die sonne ueber uns ist ruhig geworden. belz steht ebenfalls atypisch still vor einigen kleidungsstuecken, die im dreck liegen. es macht mich nervoes soetwas zu finden, sagt er, ohne sich umzudrehen. gut. ich koennte sein gesicht jetzt sowieso nicht ertragen. irgendwie bin ich erleichtert. wenigstens bringt ihn seine angst noch zum schweigen. aufgeweichte werbeprospekte bedecken den boden. ich frage belz, ob er manchmal eine der lachenden personen darin sein moechte. nein.

lass uns gehen, bevor wir hier noch einen toten finden, sagt belz. schaum klebt in seinen mundwinkeln. sein drogenrucksack wirkt jetzt wie ein schultornister. ich sehe belz mutter foermlich im kuechenfenster stehen und ihm hinterherschauen. manchmal vergisst sie seine brote einzupacken und laeuft dann auf die strasse hinaus. es ist belz damals peinlich. heute denkt er nicht daran.

meine beine sind im stehen eingeschlafen. der dealer setzt sich stumm auf seine eigenen hacken. er hat stressschatten im gesicht, bereitet deshalb eine frische portion vor. eine sehnsucht nach bedingungsloser wirklichkeit beginnt in mir zu wachsen. ich sehe mich bereits klar und deutlich bei zukuenftigen richtigen handlungen, waehrend ich es gleichzeitig verstehe fehlern geschickt aus dem weg zu gehen. es ist doch alles recht einfach. in vorbereitung auf den lichtdurchlaessigen neubeginn schaue ich auf mein telefon, um erst einmal den wochentag zu erinnern. ein duesenjaeger zerkratzt ueber uns den himmel. der dealer reisst sofort den kopf nach oben und will beinah einsteigen. ich habe das starke gefuehl bereits an diesem ort gewesen zu sein. als ich belz gaehnend beruhigen will, erkenne ich hinter ihm, unter blauen muellsaecken, einen fahlen duennen koerper. gleich sage ich es belz und werde mit dem finger darauf zeigen. [pn]

ruebenfeld

regen laeuft an den sechs meter hohen fenstern ab. die waende holzbedeckte flaechen. dunkel lackierte maserungen sind vollstaendig darin eingeschlossen. glattpoliert reizen sie zum anfassen und darueberstreichen, als koennte so ein besseres verstaendnis entstehen. ein trugschluss, der sich immer wieder fuehren laesst. die museumsbesucher verschraenken ihre arme auf dem ruecken. kontemplative teufel. sie zwingen sich innerlich zum bremsen, bevor sie fortgerissen werden. die bilder und skulpturen zaehlen nicht. blosse ankerpunkte zum verweilen und herantreten. die meisten schweigen, fluestern fast, nur manchmal benutzen sie die stimme. echozirkel beim betrachten und vergegenwaertigen. koepfedrehen in der wellenform. all das licht, das faellt, vergeht. konsistenzpruefungen. meinungen werden fuer bereits gehandeltes getauscht. der irrglaube, dass die beurteilung eigentstaendig ist: ich kann das besser. das gerechte lachen. die neue wirklichkeit ist denjenigen zu echt, die sich nach alter glaubwuerdigkeit sehnen. nostalgie? manchmal eine doppeldeutige chance. retrospektiven liegen zu nah, dicht bei der mattscheibe. bessere televisionen. dort beliebtheitstabellen. wann schreitet aber der fortschritt selbst fort? schleifenexistenz. alltag, sagen die kollegen und haben recht kein drama daraus zu machen. da muss man schliesslich durch. den beteiligten fehlt der mut fehler zu begehen, denkt der pfleger, um sich schnell zu beschwichtigen. die lust zu scheitern ist gering. der pfleger kann es verstehen. er will auch auf die richtige seite und schaut schon immerzu herueber.

er merkt, dass er den eintritt bereits bezahlt hat. er hat vergessen seine abscheu mit der regennassen jacke in der garderobe abzugeben. das soll ihm keine ausrede sein. dies ist jetzt bloss eine freizeit. fest verschraubt. zu schade zum verschwenden. er will auftanken. im beruf wirft er gelbsuchtgetraenkte einwegskalpelle in plastikeimer. nicht die gesamte zeit.

er hat sodbrennen. kollateralschaden. im krankenhaus: einwegoperationen von einwegkoerpern. schon mal patientenkolonnen gesehen? dem kartenabreisser haengt die haut um die augenoeffnungen herunter. der pfleger kennt den namen dieses geburtsfehlers nicht. er aergert sich und will es bei gelegenheit nachschlagen.

letzte woche haben sie einer alten frau einen reissverschluss eingenaeht. der krebs fuellte sie gewissenhaft mit blut,eiter und scheisse. das gewebe hielt die taeglichen oeffnungen zur bauchspuelung nicht aus. jeder mensch ist einzigartig. schlagartiges zitat. der pfleger lacht vor dem naechsten austellungsstueck. nicht ueber die antiquitaet, sondern bewusst ueber die fussbodenfugen davor. er will sich staendig zuvorkommen, um den zufall zu verwirren.

die angehoerigen im krankenhaus sahen die liebe oma immer nur bis zum hals mit weissgewaschener bettwaesche zugedeckt. sie liegt im koma, sagten die aerzte. oma schlaeft, sagten die enkel. und sie lebt. hurra. volle wucht. wir tragen unsere leichen bereits mit uns, denkt der pfleger ploetzlich. langweilt der kampf mit uns selbst, hacken wir die anderen klein. ein gemaelde laesst ihm doch noch die gedanken stolpern.

der pfleger laesst dies auessert ungern zu. es gibt kein ausserhalb. chirurgen rauchen oft schwarz und kette. na und? das nie endende probieren aller situationen macht die zunge muede. mal fuer fuenf minuten die fresse halten. zeilensprung um zeilensprung. erst tatsaechlich erlebtes laesst sich erheblich wiederkauen. der pfleger denkt nicht gerne nach. stagnation legt sich um ihn wie eine ungeschickte liebhaberin. statt kokonehrfurcht muss jedoch beleidigt werden. die bequemlichkeit siegt jetzt. feinaufgeloeste datenstroeme. bildschirmdurst, statt firstlifeverrecken. digitale slums mit blattgold im trinkwasser. langsam,langsam mit den jungen pferden! wer sich so verhaelt kann weder rechnen, noch mit geld umgehen.

der naechste hohe mattgraue betonraum. in den glaskaesten sind echte christliche reliquien aufgebaut. bruchstuecke der dornenkrone in einem prunkvollen goldschrein. daneben ein stueck vom kreuz. bitte nicht beschaedigen. es ist unangenehn, dass der raum, den diese gegenstaende einnehmen, selbst schon eine erwartung ist. hiervor wird jedoch nicht gekniet. weder innen noch aussen. stattdessen aseptisch gewartet. das christentum ist eine wartende maschine, denkt der pfleger. was wird jesus sagen, wenn er wiederkommt und alle diese kreuzanhaenger um die haelse baumeln? hoffentlich versteht er es nicht falsch.

der pfleger beobachtet die anwesenden, die dicht bei den vitrinen stehen. schliesslich wird suchend darum gekreist. erst dumm, dann richtig. aufenthaltsgravitation, bis zum ende der oeffnungszeiten. dieser glaube im kopf muss ernsthaft gefallen, um zu wirken. abseits davon ein potential fuer eine abgenutzte erinnerung, daneben rezeptoren fuer die erkenntnis eine augenblicksvorstellung zu besitzen. die zeit schiebt gleichzeitig alles unvorhersehbar voran. es gibt hier keine energiekrise.

der pfleger sitzt jetzt auf einem hellbraunen lederquader. er sieht die raumaufsicht regungslos in der ecke stehen. jede halbe stunde tauschen die wachen die raeume. diese summe aus sich ueberschneidenden parallelogrammen erzeugt in dem pfleger kopfschmerzen. der betrachter verdirbt jeden ort mit seiner anwesenheit. in diesem moment durchschreitet der museumsangstellte die halle, mit der absicht dem pfleger zu sagen, dass dessen kopfschmerzen fuer ihn irrelevant sind und es bleiben werden. [pn]

cargo

die geschwindigkeit der arbeiter beim ziegellegen. niemand kann derart lange in der anspannung leben. das augenreiben veraendert nicht die welt, es bleicht nur die konturen. nichts erfahrbares mehr, alles wird zurueckgelassen, mulipliziert die alptraeume. stellvertretertode, rodungen von wertvollem holz, ich scheiss auf das artensterben. was geht es mich an. meine art vergeht, meine gefahren enden. leeres geschwaetz. begegnungen voll von rechtschreibfehlern. koerpererfahrung belebt. sommersprossen. zwei winter pro jahr. ich verkomme zu einer maschine und wehre mich kaum. der menschliche arbeitsvorgang wird mechanisch. worte zu wiederholen ist fahrlaessig. die welt wirkt wie ein grosses haben-wollen, sagen die geschwaechten. alle anderen werden still vor dem einschlafen. keine feinde finden. feinde aus sich selbst heraus klonen. teilnehmer und elemente sind kugelsicher. das zuschauen nicht mehr frenetisch. es wird als verpflichtung erlebt. die einen verrotten in ihrem hunger, andere verlegen ihr portemonaie. dinge passieren, sind meist gelungene spitzen. erschrecken ueber das bereits geschehene. dazu willkuer in den gesichtsausdruecken auf der strasse. kometen auf dem buergersteig. eine angst in allen, die dressur zuzugeben. spaesse werden staendig erfunden, schlagen ins gemuet wie granaten. fiktion der fiktion. fluchtschlaf ins private. na und? bereits gesehen und zu boden gehalten. wieso kann die welt nur durch hinzugabe verbessert werden?

ein ausgebleichter wunderbaum haengt am rueckspiegel. der fahrer redet schon ueber eine stunde auf mich und klio ein, waehrend der lastwagen die makellose autobahn hinabfaehrt. so spricht niemand, denke ich. vor uns ist in einem holzrahmen ein familienphoto des fahrers eingesteckt. nach dem einsteigen hat klio grundlos versucht die gesichter auszukratzen. wir bemerkten es alle aufmerksam, bis sie aufhoerte.

als ich mich ueber die tatsache wundere, dass man als insasse eines fahrzeugs staendig das gefuehl hat, sich immer nur in die gleiche richtung zu bewegen, wird der fahrer unerwartet still. pleotzlich finster. er nimmt beide haende vom steuer, um sich die dicken arme zu kratzen. schuppenregen faellt auf die gummimatten. die gleiche oder dieselbe? ich kann mich nicht mehr konzentrieren, schaue auf die holzkugelmatte seines sitzes. der fahrer versucht clever zu sein, sagt, dass er bei seinem vortrag figurenrede benutzt hat. das alles sei nicht seine meinung. klio hat glueck, ihr entgeht diese peinlichkeit. sie schlaeft mit dem kopf am fenster. deine freundin ist dumm, sagt der fahrer. ich sehe ein gruenes schild in der frontscheibe und freue mich kurz. die naechste raststaette ist noch zwoelf kilometer entfernt. sie ist nicht meine freundin. wir fahren nur zusammen per anhalter. ich antworte, da selbst die kommenden fuenf minuten jetzt lang werden. der fahrer schaltet endlich das radio ab, das die ganze zeit viel zu leise und unverstaendlich gespielt hat. in einer lautstaerke, die stoert, ohne wirklich abzulenken. rohe, eckig gepflanzte birkenwaelder ziehen vorbei. sie ist dumm, wiederholt er und drueckt jetzt konsequent auf das gaspedal. ich sehe erst jetzt, dass er barfuss faehrt. schlagloecher setzen ein. klio erwacht. sie greift erschrocken an das armaturenbrett. ihre knoechel werden weiss. der fahrer lacht dumpf auf. ich versuche, klio zu beruhigen und rieche den wunderbaum aus falscher zitrone und minze dabei. klio ist abwesend. sie drueckt ihren koerper bloss an die seitentuer. hinter uns beginnt die kaffeemaschine aus glas zu zittern.

ich ueberlege, bin aber gleichzeitig zu muede, um in schuld zu verfallen. klio nickt mir liebevoll von der seite zu. ich halte das teppichmesser in der jackentasche umschlossen, presse meine finger in die plastikrillen des griffes. ich hasse, wenn es warm wird. der fahrer glaubt, die situation zu beherrschen. eine ausfahrt verschwindet. wir rasen an vollgestellten parkplaetzen und grellen grillrestaurants vorbei. die lichter blenden uns unterschiedslos. fuer einen moment fuehlen wir, dass die naechsten schritte abwendbar und unnoetig sind. dass wir auch genausogut dort gemeinsam ueber einer tasse kaffee sitzen koennten. jeder wuerde eine belanglose wahrheit erzaehlen, wie man es nur vor fremden tut. der fahrer koennte klio vaeterlich aus der hohen fahrerkabine helfen, um mir danach kurz anspornend auf die schultern zu klopfen. klio haette ihm, aus einer falschen annahme, ein laecheln geschenkt, um ihn aufzumuntern. ich haette vielleicht etwas ueber den beeindruckenden tanklaster gesagt, den er hartnaeckig von a nach b fahren muss. alle gefahrlosen rollen haetten in einer kulisse von reisenden belegt werden koennen.

stattdessen warte ich bis wir die hundertzehn kilometer erreichen. klio oeffnet dann beinah lautlos die tuer, als ich die perforierte klinge im hals des fahrers abbreche. wir loesen unsere gurte, die surrend geschluckt werden. zzzzzzzt. dieser moment wirkt irreal. mattgraues asphaltfliessband zu ihren fuessen. schreiend bedeckt der fahrer seinen frisch entdeckten fremdkoerper. seine stimme blubbert frech. kameraauschnitt. ich stosse klio wie in einem zaubertrick hinaus. sie verschwindet sofort, bleibt immernoch stumm. der kopf des fahrers faellt weinend auf die hupe. er hat keine absicht mehr, nach vorne zu schauen. eine zeitung spiegelt sich in der scheibe. automatische schlangenlinien setzen ein. ich muss an sizilien denken, wo ich an der kueste sass und mich im selben augenblick schon virtuell bei google maps sah. verdammte vogelperspektive. verdammte computer. ich gebe dem fahrer im nachhinein recht. das leben ist jetzt keine fabel mehr. er versucht, das rostfreie edelstahl vergeblich aus seinem muskelfleisch zu ziehen. das messer kostet einen euro, faellt mir ein. ich schaue ihm kurz zu und rutsche auf flauschigem fell zur windschluckenden tuer. kruemel beruehren meine haut. sein wagen wird gleich nicht in einem eindrucksvollen feuerball vergehen. der fahrer wird nur im erhitzten metall zerquetscht werden, womoeglich dank der kolossalen medizintechnik sogar ueberleben. ich hoere die suessen sirenen zu seinen ehren schon singen. unbekannte retter werden sich selbstlos um ihn kuemmern.

waehrend ich falle wird meine zeit stereotypisch gezerrt. ich bedaure, dass ich klio so wenig kannte. sie wirkte sehr nett und eigenstaendig. man kann sich leider nie sicher sein. wir haetten uns wahrscheinlich schnell belogen. der fahrer sollte jedoch gluecklich und zukunftsgerichtet denken. jeder irrsinn hat die chance auf eine verfilmung.

[pn]

mars

walzer. das wort wirkt, als fehlte in ihm ein buchstabe, obwohl es es doch vollstaendig ist. dieser turniertanz wird in einem gebaeude ausserhalb der stadt in einer generalprobe aufgefuehrt, als wir woanders aus der ubahn steigen, ohne uns umzuschauen. der schnellste tanz des welttanzprogramms. die plakate dafuer haengen ueberall. vor den gelben kachelwaenden bleiben wir stehen. am ende der rolltreppen bellen die schaeferhunde bereits, werfen sich in die halsketten hinein. du korrigierst wortlos deine halterlosen struempfe, damit wir schneller durch die kontrollen kommen. es faellt mir wie immer schwer, mich zu beherrschen, als die soldaten uns abtasten. sie fahren mit lederhandschuhen an deinen beinen entlang. mein rollstuhl wird pro forma durchsucht. zumindest werden die gewehre an diesem kontrollpunkt vorschriftsgemaess nach unten gehalten. sie riechen jedoch an allen fluessigkeiten, die wir bei uns tragen. die gesichtsscanner arbeiten elektronisch, der anwesende offizier ist betrunken. kein wunder bei seinem job. blechern stossen sie uns zu den anderen wartenden. dichte familien stehen duldsam beieinander, ihre kinder spielen mit den abfaellen, die sie in transparenten tueten bei sich tragen. die durchsagen schlucken das duenne lachen. du wirfst wieder eine pille ein. ich stecke die daumen in die faeuste und presse, bis ich das gefuehl habe, dass sie bald brechen. in einer silberwand sehe ich, dass du mir bald die haare schneiden musst.

als wir an die oberflaeche gehoben werden schlaegt regen gegen das plexiglas der fahrstuhlkabine. triste volksmusik spielt ununterbrochen. in diesem abschnitt sind die strassen ueberdacht. die verwaltung hat hier viele baeume gepflanzt, ohne zu ahnen, dass diese auch schatten werfen. du behaeltst deine sonnenbrille trotzdem die gesamte zeit auf. deine augenfarbe habe ich schon laengst vergessen. du schiebst mich hart an den holzverschlagenen schaufenstern vorbei. als ob wir es eilig haetten. mein zungenschnitt ist schlecht verheilt. ich kann dir deshalb nicht sagen, wie mir es vor der zugfahrt graut. sie haetten den transrapid auch in grossdeutschland bauen sollen, denke ich und fuehle die beine, die ich nicht mehr habe. als du mir die infusion oeffnest, fallen dir die sproeden haarlocken ins gesicht. koeterblond nennst du das, wie deine mutter immer sagte. mir wird warm, du spielst mir vorgefertigte aufnahmen auf dem rollstuhlbildschirm vor. ich kann kaum die finger heben. das morphium fuellt mir jede ader aus. ich bin ueberrascht, als du lachst, waehrend der glashimmel fuer eine werbung abgedaempft wird. jeder konflikt hat eine richtige seite, sagen sie. ich hasse das morphium, weil ich mich darin oft an das laufen erinnere. immer wieder sage ich dir, dass du mich einfach in einen graben schieben sollst, wilde fuechse wuerden es schon beenden. du schuettelst den kopf. es scheint dir irgendetwas daran zu liegen, mich zu behalten. auf der strasse schenken sie uns einen gruenen heliumballon, den du sofort als markierung am rollstuhl befestigst. undeutlich schlafe ich ein.

als ich aufwache fahren wir bereits im zug. den urinbeutel hast du schon geleert. das schienengeratter im gang ist besonders laut. es zieht furchen in meinen verstand. durch die fenstergitter sehe ich den roten sand gespiegelt. ab und zu ein blasses dorf im hintergund, ohne strom und fliessend wasser. es ist mir unverstaendlich wie dort menschen leben koennen. du stehst die ganze zeit, um mich zu provozieren. manchmal spannst du dabei sogar deine schenkelmuskel rhythmisch, damit ich ihre kontraktionen sehen kann. glaub mir, ich weiss, dass du beine hast. als du mir etwas nektar gibst, kommt der schaffner vorbei. immerhin traegt er einen schnauzer. da mein hals mit kaltem rotz gefuellt ist, tritt statt lachen nur ein versuch aus meinen mund heraus. du traegst jetzt ein gelbes kleid, mit v-auschnitt. ich kann es aus den augenwinkeln sehen. der schaffner klappert mit den augen, nickt dann in meine richtung. ich zucke mit den armen. er schliesst trocken sein maul, als er die kriegsversehrtenmedaille an dem rollstuhlruecken entdeckt. deine hand legt sich sofort demonstrativ auf meine kuenstliche schulter. als ich deine haut das letzte mal beruehrte, fuehlte sie sich ledern an. so sehr du dich auch bemuehst, sie zu cremen und zu pflegen, sie wird nie mehr zart werden.

die monde stehen jetzt weit oben. du zeigst mir spater photos von deinem zukuenftigen leben. ich schaue sie aufmerksam an. mein gedaechtnis ist zu sechzig prozent gestoert. obwohl ich dir immer wieder die gleichen fragen stelle, bleibst du geduldig. angststoss. vor den fenstern schiesst goldenes pulver aus der zugartillerie weit in die felder hinein. du gibst mir einen zungenkuss durch die plastikmaske. immerhin bin ich eine lukrative art geld zu verdienen. [pn]

zum verrat jeder notlage

windstille. der tag beginnt im aberglauben. ich werfe den ring fuer dich in den grauen fluss hinein. das wasser lacht gnadenlos ueber das schlichte silber. gereizt versuche ich dem moment einen abschliessenden sinn zu geben, richte mich dazu innerlich auf. das erinnerungswerte wird steif, wie ein plastikkorken, abdruecke von zaehnen darauf. ein papierflaches containerschiff erscheint in der fahrrinne. ich spucke hellen schaum herunter. unbeeindruckt draengt der schiffsbug weiter wellen fort. die selbstueberschaetzung laesst mich erroeten. falsches werkzeug in den entleerten haenden. endloses ausatmen. milde fliesst ueber mein gesicht. alle muessen atmen, schrieb ich dir einst. atmen trotz treibender zungenschlaege. trotz rechnungen. trotz krankheit, trotz absichtslosem warten. trotz frustration, die moeglichst schnell verschluckt wird. nein, wir duerfen vielmehr. der brustkorb hebt und senkt sich staendig, selbst das luftanhalten ist willensschwach. unheimlich, dass der koerper eigenstaendig handelt. ich bewohne mich selbst und kenne dabei wenig raeume. die langen spaziergaenge auf den fluren verwirren nur. assistenten uebermalen die aufgehaengten bilder und wechseln die rahmen. es kann immer nur ein kleiner teil des archivs betrachtet werden. manche leinwaende aus blei, sie bleiben deshalb lange haengen. die feuchtigkeit der luft zerstoert sie. staub wirbelt auf. wozu die schuhe muehsam ausziehen? ich habe schon so viele bilder kaputtgeschaut. touristengruppen werden von mir achtlos an den dauerbrennern durchgefuehrt, ihre eintrittsgelder eingeschmolzen. kopisten trauen sich nunmehr an neuinterpretationen. in besenkammer liegen leichen heimlich hinter samt. schwere duefte im museum taeuschen frische vor.

ich schaue auf vom quecksilberzickzack des wassers. das schiff laedt im hafen waren aus, die ich mir spaeter kaufe. als ich die bruecke verlasse empfinde ich dafuer dankbarkeit. ein leeres sicheres, aber schmerzhaft bequemes land. die gesichtsausdruecke der passanten fordern nichts ein. wir sind alle ununterscheidbar beim vorbeigehen. die zahl der inneren schauplaetze explodiert. frisch verliebte erzaehlen sich noch ausgedachte biographien der entlangstroemenden, waehrend sie auf gesponsorten parkbaenken sitzen. zumindest in einem woody allen film. spaeter ersticken sie im widerstreit des alltag. wieso habe ich loecher in den handflaechen, denke ich und stelle fest das sie intakt sind. absichten reichen nicht. handlungen entscheiden. dein ring liegt im schlick. in einigen jahren werden polizeitaucher ihn finden, auf der suche nach einer kinderleiche. das parallele ist das unheimliche, nicht die alleinige menge. vielleicht schwimmen wale gerade in die ostsee ein. keine sorge. der kopf reduziert beindruckend leistungsstark. in der innenstadt schwingen die einkaufstaschen wie uhrpendel. jemand sagt im fernsehen, dass es nicht lohnt sich dagegen zu wehren. ich schalte zu spaet ein und frage mich: wogegen? mitzugehen sei die neue art der kritik, nur aus der bewegung heraus koenne man die situationen verstehen. ich lache darueber, als ich die einkaufsstrasse entlanglaufe. schon gut, denke ich und fuehle dabei ein abartig sanftes kopfstreicheln, mit dem man kinder verdummt. gerade hier, in den hellerleuchteten eingaengen, liegt friede und anstrengung nah beieinander. ich will auch etwas fuer mein geld. die zahlen in den schaufenstern wirken wie entbloesste geschlechtsteile. die phantasie des begehrens macht sie attraktiv und anziehend, nicht der kalte anblick allein. ich zwinge mich in die beobachterperspektive zweiten grades und sehe mich selbst unauffaellig in dem leipziger allerlei aus koerpern verschwinden.

solidaritaet der wuensche, ich habe ebenfalls durst. wir sind bunt und schadenfroh. mein gehen ist nicht ziellos, es reguliert sich nur unbestaendig. es ist merkwuerdig, dass ich noch an dich denken muss, obwohl immer mehr milchglasscheiben zwischen uns geschoben werden. keine lasik wird dafuer verschwendet. ich gehe jetzt schneller, versuche die spitze einzuholen in diesem marathonlauf. ein blauer bmw erfasst mich auf der strasse, bremst schrill in meine seite. ein geraeusch, wie von einem verbrannten toast gekratzt. die huefte bricht entzwei, wo deine hand einst lag. der hals in gegenrichtung fortgerissen, die arme grob gehoben. sie drehen sich jetzt zu straff, verlassen ihre ankerpunkte folgenschwer. kein blut zu sehen, es tropt ins innere. rippen gleiten in die lunge, am herz vorbei. im flug kippt mein kopf ein dutzendmal zur seite, muskelfasern schlagen mir beulen in die haut. attrappengleich steig ich empor. das kinn schlaegt mir am ruecken auf. den gelangweilten asphalt bemale ich weissrot, schlucke zaehne dabei, ein laecheln wird mir eingeschnitten. die handgelenke splittern fein. das angeschwollene gesicht riecht nach bittermandelkonzentrat. erst hier dringt ein schmatzender laut aus mir heraus. ich denke an das aufstehen, bleibe jedoch faul liegen. heisses fliesst mir in die augen. ein zeitungsartikel ueber organspende faellt mir ein. ein quadratzentimenter haut kostet neunzig cent. was hast du auf dem ausweis ausgespart? das sentimentale herz. nein, den dominanten kopf. ich muss schnell zwinkern, beweisen das sich eine reparatur wirtschaftlich lohnt. dann sehe ich meine rechte hand, daran ein karussell aus naegellosen fingern angebracht. doppel s, doppel l. es dreht sich nicht mehr und zittert leicht. [pn]

am laufsteg

`niemand ist anonym. heute kann man nicht nur die tagebuecher oder briefe eines menschen finden und veroeffentlichen, sondern auch die googlesuchanfragen auswerten.` kilik schraubt die thermoskanne wieder zu, bewegt dann seinen mund. `zusammen mit den mobiltelefonen, den satelliten , rfid-chips, nacktscanner, ec- und kreditkarten, videokameras. das gesamte system, mann. du verstehst schon.`er klopft sich selbst auf die schulter. `vierundachtzig ist da.` er reicht mir die crackpfeife. ich gehe in die hocke, klemme das jackett unter die achsel. der brenner entzuendet den rosa brocken. noch zehn sekunden aushalten. kilik setzt gerettet seine sonnenbrille auf. lebensenergie stroemt. wir sind fuer fuenfzehn minuten freunde unter kuenstlichen palmen. ich schaue zum graniteingang. dort, am rand der idole, greifen photographenblitze in den hellen tag. unsere begleiterinnen entdecken uns. sie winken bezaubert mit ihren handtaschen. unschluessig, ob sie ihre verachtung offen zeigen. ich ziehe mich an kilik nach oben, steige in das jackett. `ich will dort nicht rein.`meine lippen sind altes leder. kilik oeffnet ein silbernes kaugummipapier, um origami zu falten. nach drei schritten landet es auf dem asphalt. `wegen den schlampen?` ich sage ihm, dass ich nicht weiss, wer diese frauen sind. eine limousine schiebt sich in das sichtfeld. schwere tueren schliessen satt. trister jubel jetzt. rothaarige claquere ueberall. in meinem kopf wird eine wohnung frei. der makler ist selbst mir unangenehm. seine kriterien sind unerfuellbar. kilik zieht mich ueber die strasse. als ich jung war hatten die wagen noch ein eigengeraeusch. die hybriden sind beinah stumm. jeder unfall klingt elektronisch bearbeitet. das reifenquitschen bleibt. das glassplittern bleibt. die schreie bleiben. nur der motor ist lautlos. gegenwart und verwunderung vor der absperrung. kilik streitet absichtlich mit den tuerstehern, die knoepfe im ohr und handschuhe tragen. der wind legt roten saharasand auf ihre lederslipper. wieso muss immer ein schwarzer kosmopolitisch an der tuer stehen. zum glueck bin ich high. wir heben die arme. metalldetektor. kilik wirft die pfeife in die plastikschale. kein wimpernzucken. kilik irrt. heutzutage ist hoeflichkeit provokant.

ich versuche zu laecheln, sehe jedoch im bergkristallspiegel an der garderobe, dass mein steifes gesicht vielmehr abstossend wirkt. ich kann nicht ablegen, da schon das hemd schweissnass ist. kilik scannt das foyer nach edelschlampen, wie er sagt. in wirklichkeit steht er dicht an der franzoesischen tapete, um den druck der schulterblaetter daran zu fuehlen. er zeigt tief in das restaurant hinein, macht ein paar unverstaendliche gesten. ich habe laengst vergessen, was fuer ein fest dies ist. `meinst du, dass sie hier ist?` kiliks stimme faellt bei der frage. ich sage ihm, dass er sein drecksmaul halten soll. er lacht, klopft einen frankfurter applaus auf die armvene. er hat recht. wir brauchen einen neuen schuss.

unter den gaesten sind viele unbekannte netzsternchen, die durch das fegefeuer der medien gehen. fette lokalpolititker und operierte geschaeftsleute mit jungen flittchen an ihren seiten. ich presse daumen und zeigefinger in den traenenkanal. mein gehirn versucht silberne druckbilder in das augenschwarz zu stanzen. `komm schon. du verschreckst alle.` sagt kilik aus seinem wachsgesicht. wir ziehen engelsstaub auf der toilette. ich spucke in das waschbecken, als ein mann mit weissem schnauzer seinen smoking richtet. wortlos spuelt er mein blut mit seife in den abfluss. kilik steht angeschnitten am spiegelrand und photographiert uns drei. er feixt. der alte zeigt ihm beim gehen den mittelfinger. ich kann mich schwer konzentrieren. die jazzmusik irritiert. sie ist zu laut. ein dickes frisches handtuch wird mir von einem blinden toilettenbutler gereicht. mir gefaellt, dass er arbeit hier gefunden hat. fuer alle gibt es einen platz auf erden.

im restaurant schlage ich kiliks laecherliche zigarettenspitze auf den boden. das elfenbein zerbricht. er schaut mich fassungslos an, stottert etwas von klasse und alten filmen. minuten spaeter ist alles vergessen. beim essen klatscht kilik den knappbekleideten kellnerinnen mehrfach auf den arsch. ich versuche seine stimme zu daempfen, indem ich ihm staendig wein einschenken lasse. er fabuliert in seinen theorien, verschwindet darin. die datenverarbeitung der augen verbraucht einen grossteil der ressourcen im gehirn. gut, dass man eine person herausfiltern kann, sobald man sie etwas kennt. ich sehe die safrangelbe sonne im deckenlicht abdrehen. die stimmung wird durch leuchten in den waenden kuenstlich verstaerkt. in einem nebenraum choreographiert ein regisseur die abendveranstaltung. temperatur. musik. licht. alles. trotzdem hat das sicherheitspersonal uns im auge. im schlichten dienstcomputer wird unsere identitaet diskret kontrolliert. ich proste ihnen zu und pfeife eine dame heran. das benutzte glas stelle ich demonstrativ auf das tablett. genscan. noch ist alles eine harmlose freude. eine zeitlang koennen die stiernacken nichts machen, da eine tierschau alle durchgaenge blockiert. geschmueckte lamas und veraengstigte gazellen werden durch die reihen gefuehrt. aus dem grossen saal kann man einen elefanten hoeren. bis auf die wenigen kinder scheint es niemanden zu interessieren. das essen ist manieristisch, aber passabel. zu viele zutaten. gabel und messer quietschen trotzdem ueber die teller, als koennte damit sinn erzeugt werden. die leere hier ist betraechtlich. ich liebe das lebenstheater. einige tische weiter schmeissen russen glaeser hinter sich. ein sogenannter brauch. oberkellner deuten wie diktatoren in die szene. neue glaeser werden von unteren klassen gebracht, solange die russen werfen und dumpf lachen. kilik hat jetzt ein down. sein kopf ist zur brust gefallen.

ich lasse ihn ausruhen und gehe auf die terasse, um eine einfache zigarette zu rauchen. wie erwartet erkenne ich dort natascha selbst aus entfernung an der koerperhaltung. ihr professor steht weltmaennisch neben ihr. wahrscheinlich um seine komplette meinung aus dem mund zu scheissen. sofort bin ich nuechtern. ein farbloses paar geht an mir vorbei. er rempelt mich aus versehen an, entschuldigt sich. ich fahre aus der haut, will ihn packen, aber reisse mich zusammen. kurz will ich zurueck, um kilik zu wecken, damit er mich vor einer dummheit bewahrt. stattdessen bleibe ich einfach stehen, um ihr zuzuschauen. sie ist ein lieblingslied, nur schneller und jetzt mit anderer melodie. ich habe ploetzlich druck auf den ohren. schlucke mein spucke, wie beim flugzeugsteigen. der professor legt einen arm um sie. sie betrachten gemeinsam das feuerwerk. als ich darueber nachdenke, ob es eine trivialere situation geben kann, beginnen jongleuere ihre auffuehrung. sie soll anscheinend sogar ein thema haben. kopfschuttelnd gehe ich zur eisenbruestung herueber. ueberall unterhaltung. musik spielt hier per klangfeldsynthese, konzentriert auf einen punkt. an terminal sage ich dem computer , dass er die wipers spielen soll und schicke den klang am eisengelaender herunter. die hoerten wir vor dem krieg. als der song natascha erreicht, dreht sie sich um, waehrend der idiot weiter benommen zum himmel starrt. sie verdient etwas besseres. kilik ruft an. ich druecke ihn weg. ich bin nicht sicher, ob sie mich erkannt hat. das kleid steht ihr nicht besonders gut. es wirkt angezogen, nicht getragen. trotzdem ist sie wunderschoen. selbst unerwiderte liebe macht toericht und blind. ich trinke etwas bitteren orangensaft. endlich geht der verdammte professor zum windelwechseln. natascha beginnt vorsichtig zu tanzen. merkt sie nicht, dass ein gewicht von ihr faellt, wenn der typ verschwindet? ich zwinge mich alles herunterzuschlucken. frauen wollen sich einfach wohlfuehlen. ich habe ihr am ende angst gemacht. ich liebe selbst ihre bewegungen. sie wird nicht kommen, ich werde nicht hingehen. ich schaetze die entfernung. vielleicht fuenfundzwanzig meter. eine ganze welt. kilik meldet sich wieder. ich verabrede mich mit ihm an der bar.

die bedienung traegt ein geschmackloses kurzes kleid. wir trinken wodka aus eckigen glaesern. das erinnert kilik an bladerunner. er sagt, dass er einen roboter ficken wuerde. ich beneide ihn. er findet andauernd etwas, indem er sich verlieren kann. selbst fuer eine halbe stunde ergibt er sich der neugefundenen absoluten hingabe. er ist nuechtern genauso. menschen missverstehen drogen, die immer nur als verstaerker der vorhandenen qualitaeten arbeiten. in wirklichkeit ist alles droge und ablenkung. jede handlung hat eine folge. das sieht man an den fetten aerschen. schlechter bildung. heisse buegeleisen in ein kindergesicht. alles makabre verbrechen. kiliks augen sind perlmutt beschlagen.`ich kann dich verstehen.` anstatt auf meine schulter, schlaegt er mit der hand ins leere. er macht ein kung fu geraeusch dazu.

das personal hat sich umgezogen. merkwuerdige pfauenfederbesetzte kopfbedeckungen. gruene netzschleier vor den gesichtern, dazu scheppernde schellen um die arme gebunden. das saallicht ist dunkelblau heruntergedaempft. aus der ecke erklingt pianomusik siamesischer zwillinge. ich beschliesse offiziell das crack aufzugeben. eine englaenderin unterhaelt sich fluesternd mit kilik. bingo. sie scheint nichts gegen seine kontrolle zu haben, zeigt ihm ihren hals. kilik strahlt mich daemlich an. seine verletzung ist unuebersehbar. ich zucke mit den schultern. aus meiner perspektive waechst ihm eine zierpflanze in den kopf. jeder hat eine. was? verletzung. perspektive. pflanze. scheiss drauf. es ist nicht gesund zu viele stille selbstgespraeche zu fuehren. grosses finale. natascha laeuft im hintergrund vorbei. sie ist heller als alle anderen. ihr kleid verfaengt sich zwischen den stuehlen. ich ueberlege, ob ich dem professor spaeter eine gabel in den adamsapfel steche. waege die konsequenzen ab. wuerde sie das beeindrucken? ich schwanke noch. spuere bereits den widerstand beim herausziehen der gabelspitzen aus dem knorpel. das arschloch folgt ihr eilig. ich hoffe auf einen streit. menschen sind zu banal. ich nehme deshalb meinen wunsch zurueck. [pn]

invasion

smog. wir schaben ihnen manchmal noch die gesichter mit den spaten ab, um ihnen die wuerde zu bewahren. vor jedem stich schaut mein nebenmann mich seltsam an, als koennte ich etwa seinen fuss lenken, den er auf die schaufelkante tritt. er weint vielleicht dabei. ich weiss es nicht, schaue zu oft zu boden. mittlerweile sitzen die soldaten auf den stotternden lkws. sie lachen nicht mehr. in ihren uniformen wirken sie dafuer schon zu konkret. sie sind wohl hungrig, wie wir. der strassenzug ist bald gesaeubert, denke ich und greife einer aufgedunsenen frau an die knoechel, um sie zum buergersteig zu ziehen. gruenes traegerloses kleid. in meiner hand zerbricht ein knochen unter ihrer haut. sauer liegt mir ein geschmack im hals. dysfunktionale geraeusche. die dolmetscher warnen uns unaufhoerlich durch die megaphone. sie sprechen schlechtes muedes deutsch. kleine geste begleiten ihre wuensche. missbrauch von wissen, selbst dort. im hintergrund brennt bunt die heimatstadt. gebaeude schmelzen gallertartig unter hitzestrahlern, die innenraeume zerreiben sich samt inhalt, wirbeln zwischen panzerketten. nur durst jetzt, sie geben uns zu trinken. fabrikneue trinkflaschen der cola company. ich streiche ueber das matte graue plastik. you can´t beat the feeling. kegelblitze am gestauchten himmel. ich sehe den nebenmann nicht mehr. schuesse fallen ploetzlich, doch niemand zuckt. mein turkey ist seit tagen vorbei. ich sollte den besatzern dafuer dankbar sein. wir gehen in tausendfuesslerkolonnen. am naechsten checkpoint liegen tote hunde breit verstreut. der mond wirkt zu gross. optische taeuschung aufgrund der hochhaueser am bildrand. diese strassenecke ist kaum zerstoert. die leuchtreklamen funktionieren sogar. wir werden zum schlafen in eine schule hineingetrieben. die scheiben sind intakt. vor wochen hat hier noch niemand an krieg gedacht. vor vierundvierzig tagen stand ich nervoes in deinem zimmer und suchte dir unterwaesche aus dem schrank. ich war nochmal in die wohnung gekommen, um meine restlichen sachen zu holen. als ich gerade photos dramatisch von den waenden nahm, rief mich einer der nachbar an, um mir zu sagen, dass du mit einer nierenentzuendung im krankenhaus liegst. ich schaemte mich kurz , da ich angenommen hatte, dass du an diesem morgen bei einem anderen mann im bett bist. eigentlich ging mich das damals nichts mehr an. entscheidung. scheidung. wegscheidung. ich dachte ueber worte nach und wusste gleichzeitig nicht, was ich fuer dich packen sollte. die ganze zeit das gefuehl mich beeilen zu muessen. alles wirkte wie eine schlechte filmszene. nachlaessig und allein fuer den effekt komprimiert. mein wagen sprang vor dem haus natuerlich nicht an. eigentlich war es ein warmer fruehlingstag. trotzdem hatte ich grundlos einen regenschirm mitgenommen. zur klinik war es nicht weit. ahnungslose passanten um mich herum. zu fuss durch den park. eine deiner taschen in meiner hand. die gaenge im krankenhaus gewohnt trostlos und leer. dein zimmer irgendeine hunderternummer. vor der gruenen tuer zoegere ich mit dem anklopfen. du richtest dich blass auf, als ich eintrete. keine schwaeche zeigen. duell. du bist von tabletten benommen und bietest mir eine davon an. ich nehme sie, ohne darueber nachzudenken. altmodische glasflaschen mit mineralwasser stehen auf dem beistelltisch. du oeffnest ein fenster. der geruch im raum ist dir unangenehm. ich sehe deine bewegungen. wir reden ein wenig und trinken den geschmacklosen kaffee, der fahrbar in grossen kannen auf dem flur steht. sind uns ambivalent. halbfreude. schoen bist du. beschuetzenswert. der regenschirm rutscht mit einem knall vom stuhl. wir gehen die flure entlang, in denen man schlurfende pantoffeln erwartet. es ist jedoch leise. die wenigen krankenschwestern wirken wie nonnen. das krankenhaus muss frueher ein kloster gewesen sein. im fahrstuhl lachen wir ueber ein plakat, dass seniorenmusik bewirbt. wir lachen nur um platz zu schaffen. die cafeteria hat nicht wirklich geoffnet. deshalb koennen wir nicht zu mittag essen. klassisch. du hast fruchtkompott. mein apfelkuchen ist klebrig und zu suess. wieder kaffee. das lokalradio spielt schlager. was sonst. einige handwerker essen torte im stehen. sie lehnen sich an das austellungsglas hinter dem die krankenhausportionen quark eingeschlossen sind. die dosenmandarinen sinken ein, bilden eine mikroskopische korona. einer der blauen flirtet mit der thekenfrau, reibt sich die sahne aus dem bart. sie traegt tatsaechlich ein haarnetz. du willst, dass ich dich nicht mehr besuche. ich rauche und nicke. klopfe mit den fingern die erwartung aus dem koerper. falte die wachspapierserviette unter deinen blicken, um sie danach unter den teller zu stecken. man kann durch die jalousien auf das kiesbedeckte flachdach schauen. draussen frieden. ich kontrolliere die uhr, dabei will ich bei dir bleiben. du trinkst etwas stilles wasser. dein blick ist wertestarr. deine augen kullern nicht. zitronenflocken kleben an der innenwand vom glas. deine lippen sind jetzt grenzenlos. du schuetzt dich selbst. wir spielen jetzt rollen unter getrennten praemissen. ich setze alles ein, um nichts zu fuehlen. eine oberflaechensituation entsteht. spaeter drehe ich beim abgehen des flures den regenschirm in schwuengen, lasse ihn kreisen. werfe damit die zerrende spannung ab. autobahnrueckblick. ich hasse jetzt, dass ich dich damals hinter der zifferntuer verschwinden lasse.
[pn]

piloten

keine angst vor dem ueberwachungsstaat. du hast angst vor mir, sagt jaegle und schaut mich an. es ist eng in der umgebauten concorde. im hinteren abschnitt des flugzeuges haben wir brom in schweren metallfaessern geladen. wir sind bereits seit tagen in der luft. alle sechstausend kilometer fuellt eine zwillingsmaschine unsere fluegel auf. jaegle schaut auf ein verschweisstes bullauge. jucken dir auch derart die ellenbogen? sie verlaesst die kniehocke und nimmt dabei keinen arm zur hilfe. eindrucksvoll in diesen schweren anzuegen. sie schlaegt mit dem handschuh gegen mein visier. bietet mir mit getoentem helm in einer eindeutigen bewegung die paarung an. auf dem boden, denke ich. die naechste stunde verbringe ich im lernschlaf. eine meldung des bordcomputers weckt mich. stumm stehen wir an den nahrungskabeln, um uns einzuklemmen. schneiders ablauf muss wieder durchgeschossen werden. er schaut zuviel fern in seinem helm. verbringt den gesamten flug nur in sich selbst. die hydraulik seines anzuges kontrolliert leise und vollstaendig seine glieder. er liegt im stehen. hoert oldies dabei. ich habe erst vierzig prozent abgegeben, um mich besser auf meine arbeit konzentrieren zu koennen. jaegle fuettert ueber ein terminal den testaffen. im neonkasten sitzt h4 hinter plexiglas, frisst mit schlaffer hand die schwarzen pellets, die hineinfallen. ich stehe in der naehe. ein teil von mir liest datenmengen aus. die restlichen anteile nutze ich, um mit jaegle ueber die hypnotischen bewegungen von giraffen zu sprechen. sie hat angeblich schon mit dieser art gearbeitet. ich gehe wortlos in neid ab, um mich bei der zentrale zu melden.

spaeter steht jaegle an den anzeigen des bromwerfers. ich erkenne, dass sie sich im anzug noch selbst bewegt. dann spuere ich einen druckausgleich. der nachbrenner zuendet. wir steigen durch die schallmauer auf siebzehn kilometer. verspruehen elf tonnen ueber oslo. die videomonitore zeigen die hinter uns entstehenden kondensstreifen. rotbraunes eis wird in den himmel gerissen. die hormonpumpe gleicht mich aus. anscheinend hat der computer schwankungen in der gruppendynamik festgestellt. jaegle gefaellt mir jetzt sogar noch besser. der autopilot wird abgeschaltet, als ich ins helle cockpit steige. die anzeigen justieren sich neu. melatonindaempfer, sagt ein stimme begeistert hinter mir. jaegle folgt bereits. wir duerfen nicht auffallen. sie wiederholt es immer wieder. nachrichtenupdate. neues kartenmaterial. schneider ist ganz versessen die koordinaten einzugeben. sein tatendrang irritiert. die kanonen pumpen unermuedlich brom. ich frage mich, wie ihre haut riecht. nach der veraetzung wird sie ebenfalls neue teile brauchen. ihre morphindosis wird seit tagen erhoeht. als sie naeherkommt nehme ich ihr profil vom schirm. ich versuche sie abzulenken. wir gehen im netz spazieren. kaufen ein paar kleidungsstuecke. ihr ebenbild ist merkwuerdig. ich verstehe den zierrat nicht. ich frage mich, ob es ihr eigener scan ist oder nur ein avatar. ich habe schon lange keine echte frau mehr nackt gesehen. sie will nicht. sie sagt, dass sie mit mir nicht tanzen geht, da menschen keine pfauen sind. ihr einwand ist interessant. ich sage ihr foermlich, dass dies nur ein test war. tanzen sei im konfliktfall verboten. sie schweigt und wechselt in sekundenbruchteilen ihr kleid. der andauernde takt der farben stresst meine augen. ihre absicht ist offensichtlich, macht deshalb muede. die baeume werden neu geladen. freiflaechen entstehen. kaputte vektoren um uns herum. bots tauchen auf. unter ihnen elektronische haendler. unsere firewall kickt jetzt energisch. reiner eklektizismus unserer gefuehle. jaegle sieht mich wuetend an. sie aktiviert einen ausgang und verlaesst das areal. ich setze mich in der simulation auf den boden und beginne nacheinander die gesamte landschaft zu entfernen.

der ton der wirklichkeit bricht langsam wieder ein. schneider lacht hysterisch. turbinenhintergrundrauschen. der dumpfe nachbrennerschub koppelt mich ab. neue anweisungen werden vom bordcomputer verteilt. ich sehe jaegle immernoch ausgeschaltet und klar an der wand stehen. sie bleibt mit beschlagenem visier noch drinnen. kursaenderung. das flugzeug steigt ab. im heck quaelt schneider h4 mit elektroschocks. ich filtere das affenkreischen aus dem ohr und muss ueber nachahmungstriebe nachdenken. waehrend ich programmiere, werfen sich affenpranken gegen die scheibe. duenner rauch steigt in der box auf. ich amuesiere mich still ueber den verzweifelten tanz des echten affen. habe ich mich womoeglich in schneider getaeuscht? nanobots saeubern sofort den speichel vom sichtfenster. jaegle erwacht. als sie schneider vor dem tobenden tier sieht, faellt mir ihr name endlich ein. ich gebe die befehle durch. [pn]

marathonmoench

eine gerade ist die kuerzeste verbindung zwischen zwei punkten. beim lesen des satzes zieht der moench die stirn zusammen. die folgenden seiten sind herausgerissen. blitze schlagen ihm loecher in den blick, als er den ratgeber auf den plastikboden gleiten laesst. moench komar steht auf und schaltet den plattenspieler aus. spinner-musik. die nadel haengt trocknend in der letzten rille. seine einsicht : wieso habe ich die gedankenleere begonnen? er dreht sich mit dem oberkoerper zur wand, sucht eine flaeche in der er sich spiegeln kann. am vortag hat ein kunde nach der beichte aus verzweiflung die fensterscheibe eingerissen. kalte luft sticht am pappkarton vorbei in das zimmer. fogging-effekt an den seiten des wohnkartons.

komar hechelt bei jeder bewegung seines schwammigen leibes. draussen fallen duenne nadelstreifen. ein turm aus rauch waelzt sich am horizont entlang. komar biegt eine ecke der pappe zur seite und spuckt hinaus. er wechselt auf eine andere aussicht an der konsole. gruene huegelkuppenwueste, statt endzeit. kontrolle des eigenbildes. die wortkombination schiesst ihm in den kopf. komar will die ratgeberhetorik trainieren.

nachrichten aus der bocs. ungenauigkeit manifestiert sich durch die lautsprecher in den waenden. ladybot gibt die zahlen der verbliebenen baeume bekannt. motivationsansprache und durchhalteparole. traenenwetter. der porno des abends wird angekuendigt. ladybot hat ausgeschlagene zaehne. ein techniker stuetzt ihren hinterkopf mit einem eisenstab. er duckt sich hinter den moderationstisch, seine schultern ragen trotzdem ins bild und verdecken die traditionskarte europas. truppenbewegungen werden in bunten farben auf das display projiziert.

komar sortiert seine buecher, blaettert nebenbei durch eine biographie hitlers. strenger alter hitler! er lacht. die gabel stochert blind in der nahrungsklappe. alles aus einer wand! mit dem aermel der kutte wischt er sich das fett vom mund, laesst stuecke des kalbfleisches an sich abrutschen. in der konserve bleibt nur die gelbe gelatine zurueck. nach dem gebet wird uriniert. komar stellt sich auf die graue neutralplatte. die selbstreinigung glaettet den boden, entzieht die gerueche. luftfiltersymphonie, waehrend die abfaelle abgebaut werden. bot bot nanobot! komar streckt den mittelfinger aus. er kleidet sich in der nebenkammer an. hier ist das kreischen des phantasie-pornos leiser und kaum zu hoeren. komars lange finger greifen nach der bekleidung: gesichtssack, enge brille und trittstiefel.

die h-wache im aufzug sitzt in ihrem kaefig. komar stellt sich in eine enge menschenreihe. vierhundert personen fahren im gedimmten licht zur bodenebene hinab. eine hydraulische frau justiert neben komar leise ihr skelett. zischend steigen kleine wolken aus den kuenstlichen gelenken, ihre endorphinen schuebe bringen komar aus dem takt. laehmung vier? seine frage ist beinah unhoerbar. der druckausgleich presst alle lungenfluegel ein. die masse seufzt.

weibchen, denkt komar. sie streckt ihm die hand eckig entgegen. izzi, sagt sie dazu. ihre gesichtsplatte glaenzt und zeigt ein wunschbild aus komars gehirn. moireeffekt. es wird von stoerrischen linien druchzogen. komar ist dankbar und wundert sich ueber die blaesse seiner konstruktion. das gesicht einer pornobraut. die passagiere ekeln sich ueber die romanze. komar zeigt ihr als ausgleich sein profil und woelbt den sumobauch nach aussen. die kutte spannt sich. fahrstuhlzangen schnappen ein. izzi lacht. ihre linke schulter ist abgerutscht. es stoert ihn kaum. er ist benebelt.

die herde entweicht durch die aufzugstuer. h-wache treibt die menge an. er zerrt schreiend seine stimme, haelt eine hand an den offenen hals, um die pulsierenden baender zu baendigen. dreihundertdreissig trippelschritte bis zum ausgang. kontrolle um kontrolle. izzi schlaegt eine schneise. komar greift die henkel ihres anzugs und zieht sich auf izzis ruecken auf. sie beugt sich nieder. hydraulik pumpt. komar schwebt. wie am fliessband gleiten sie den gang herunter und werfen sich durch die expresstore nach aussen. [pn]

das rauchverbot eignet sich nicht dafuer

milch mit messern drin.im vorbeigehen fasst mir ploetzlich ein tuerke an die schulter. sehe ich schon so fertig aus? eine frau folgt ihm einige schritte, dreht sich zu mir. geht gleich weiter.

in kurzer schwaeche des aberglaubens meine ich vom todesengel beruehrt worden zu sein. ich kann den sinn nicht einordnen. das fremde paar beraet jetzt am oberen ende der treppen. als ich hochschaue sind ihre koepfe in meiner kadrage abgeschnitten. sie scheinen sich nach polizistenart zu streiten. der mann lehnt am gelaender. rotgruene lichwechsel beleuchten alles durch die rolltreppenaktivierung. mythos treppe? showtreppe. still die treppen hochschleichen. treppensturz. ort des auf und absteigens – alles kann ploetzlich thema werden. ich schaue auf den fahrplan, um mich an etwas konkretem festzuhalten und verstehe die zahlenspiele nicht.

durch die kopfhoerermusik hoere ich eine frau laut nach hilfe rufen. ihr schrei geht durch mark und bein. eine einbildung? ja. synchronizitaet der ereignisse. ich lache zum ersten mal und reagiere nicht weiter. das nichthandeln der anderen menschen legitimiert mir meine ignoranz. wir stehen gemeinsam stumm im ubahn-warteschacht. zwei jugendliche haben sich auf den blossen boden gesetzt. schnell stehen sie wieder auf, nachdem ihnen die revolte zu kalt geworden ist. kompakte einheiten schwaermen die treppen herunter.

mann mann. frau frau. frau mann.

herrlich militaerische ordung. in den plastiktueten liegt immer bier. parallel klirren dazu goennerhafte gedanken aufeinander. oder die schneidezaehne gegen eine sektflasche. jung kaputt spart altersheime. und alt? ich kann samstags nichts veruebeln, auch ich ziehe mich ins innere exil zurueck. bamm! ein gleisarbeiter laesst die schranke zum alles verschlingenden ubahntunnel zufallen. ich sehe nur noch hand und arm in uniform verschwinden. als bild zurueckgebliebene beine in der unschaerfe. ein euphemismus faellt mir dazu ein: er ist ins wasser gegangen.

ich lache innerlich sehr laut auf. draussen bringt schienengeratter die attraktionsverkleideten durcheinander. komisch, die tuer-pneumatik riecht immer nach pisse. gedraengel: zwei klingonische frauen verlassen die ubahn. star trek-convention am ende der stadt in einer klammen lagerhalle. weihnachtslametta ist jetzt sternenstaub – in der phantasie geht alles. wir sind am film entlang erzogen worden. muedes laecheln fuer ein unausgewogenes zitat. identifikation ist rettung. was bedeutet das ? ich bin nicht dran. du bist. ich hoffe, dass sie nichts kaputtes ausser ihren vorstellungen heraustragen werden und steige mit einer gruppe rasselnder skater ein.

betablockerabteil. zwei alte halten sich tuechtig die hand. sieh mal an! fehlt nur noch grillenzirpen. ich stutze. ubahnwaggons haben gar keine abteile. betrunken sehe ich nicht mehr, wie andere mich betrachten.

ein dicker rotkopf schwankt umher und produziert ein gedankenspiel: einige stunden zuvor auf seiner betriebsfeier. der mann laesst sich gehen. heute druecken alle kollegen mal ein auge zu. er persoenlich schliesst genuesslich beide lider. der rest verzieht die schnauze und fuerchtet sich vor dem eigenen blinzeln und der damit verbundenen einsamkeit. die feier endet, nachdem alle anwesenden die schwierigkeit des einzeln-nacheinander-entspannens der augen festgestellt haben. kollektives kopfschuetteln ueber die schnelllebige moderne. immer diese weichen broetchen! in einigen tausend jahren hat der mensch eine kauleiste statt gebiss, sagt eine stimme aus der zweiten reihe. souveraenes raeuspern : immer das ziel im visier behalten! sagt der chef und kratzt sich irgendwo vor ahnungslosigkeit. auf-die-uhr-schauen und verabschieden.bis morgen, klaus! aber nuechtern. haha.

zurueck in der bahn : jetzt kann klaus frei und oeffentlich die ersehnte ohnmacht simulieren. im spass faellt er zu boden.heidewitzka ! ironiebefreite beissende fahne. eine arena bildet sich. halbkreis nach innen offen. eintritt frei. klaus` kollege sitzt meter entfernt und labt sich am einfallsreichtum seines einfachen freundes. er muss morgen noch die dvd zurueckgeben. zum glueck hat er das guenstige spezialangebot wahrgenommen. frohes lachen einer skinhead-handlung ergibt sich spontan bei ihm. oder hat er noch ueber klaus gelacht? es ist schwer einzugrenzen, da er es selbst nicht weiss.

paff! nichts passiert. sofort sind klaus&kollege von allen u-bahnnauten vergessen. irritiert und verunsichert hoffen beide wenigstens einmal aufzufallen. ihr finaler traum ist es ins fernsehen zu kommen. anlass egal. stattdessen faehrt im scheibenfenster die welt unbeeindruckt als asphalt vorbei. eine flaeche die nahtlos zwei raeume verbindet. die kamera faehrt zurueck, wird neu justiert. werbung draussen und drinnen.

mein bodenblick zeigt zu viele quadratische schuhe. schnitt. ich lehne mich in die sitzschale zurueck. halte und stosse partikel weg. unertraegliches rauchverbot. ich wundere mich, wieso ich auf der strasse keine haeuserdaecher erkenne. verortung ist truegerisch. wo ich nicht bin, existiert nichts. likoerpathos: zeitgeist ist das geniessen beruehrungsfreier augenblicke in anstaendiger grundnot. der totale geistige buergerkrieg. als guerillakaempfer gegen die mediale intelligenzija vertilgen wir den bilderhunger durch bilderproduktion: sagt der photograph und besteht weiterhin darauf, mit ph geschrieben zu werden. trotzdem herrschen banalsysteme. im kopf sind hindernisse und entscheidungsklappen eingesetzt. heraus quillt die gaenze unserer vollstreckung.

in der zeitung: chinesisch-islamisches erstarken wird realbedrohung durch den europaeischen zusammenbruch des selbstverstaendnisses.

in der groben wirklichkeit, die in keine schlagzeile passt, zieht sich der ohnmachts-suechtige mit rotem kopf wieder vom boden hoch. er ist der wahre kulturfaschist. die sinne reichen ihm vollkommen. selbst der nasse tunnelblick hindert ihn nicht mit seiner ungelenken koerpersprache folgendes zu sagen :

die aufklaerung eingefaltet zu tautologischen seitenblicken. zu fruehe selbstreflektion behindert neue handlungen. das ende der geschichte durch rueckbesinnung auf bereits gelebtes. schale second hand moden. musikalische loops. die tuecke der retrospektive ist die gefahr der selbstueberschaetzung. wo schon gestriges zum leitfaden eines imaginaeren morgen ausreicht, findet sich schnell falscher stolz. die festung europa beginnt nach angst zu stinken. arrogante erhebungen durch illusion der kulturellen vielfalt und der einigkeit der teilnehmer auf die vormachtsstellung. verkappte professorenfuerze. seht mich an! ich leiste den wichtigen beitrag durch absolute deckung meines inneren mit dem aussen!

das tanzen des betrunkenen ist meine theorie geworden. beim muedewerden sitzt mein doppelgaenger im nebenvierer. vierer? di-normierter vierersitz. die schuettelrasseln der skateboarder sind leiser geworden. die euphorie des wartens hat uns gerade ueberrannt. die bahn steht bereits zehn minuten unterirdisch. wie schoen.

kurz bin ich in der lage aufrecht zu sitzen. vertrautes zusammensinken kehrt wieder. zusammensinken – eine ueberschrift, die im weissblatt auftauchen wird. die neuen medien bestehen aus weisser schrift auf weissem papier. filme ohne bild. schweigen wird gold werden. hotels mit dunkelkammern steigen dann aus der erde. wellness beginnt heute und das neue ruhe-finden von morgen ist abosulute reizlosigkeit.
oft ausgebucht.

in der gegenwart: der treue hat sich hier niemand verschrieben. freundliche tritte gegen meine rueckenlehne. endlich fahren wir los. die anspannung abstellen, nichts wollen-muessen, trotzig gewicht aufladen. ironie der geistigen und koerperlichen trennung. alkoholische kopfnuss. saettigungsempfindung. nanosekunde der unterdrueckung im wahrnehmungsstottern der bewegung. blankpause zur ertraeglichkeit. jeder nervenimpuls fordert seine zeitspanne.

aendert sich das bild noch? erstaunlicher mensch mit zahnfaeule. die rippen sind einfach da und bewegen den brustkorb dennoch. manchmal herzschlagen. ich vergesse, dass ich nur im transportmittel sitze und kratze aufmerksamkeit zusammen, damit sie mich nicht verhaften muessen. denn es ist laecherlich wie ich aus der bahn aussteige. [pn]

vicodin

als sie aufwacht ist der raum noch voller dunst. automatisch springen die filter an, die luft wird getauscht. guten morgen, guten morgen, die stimme wiederholt die worte in einem langgezogenen stueck. sie denkt an einen alten tag , in der schule, sie weiss nun, dass man das geraeusch der kreide schon im kopf erwartet, einige sekunden frueher, bevor die kreide an der tafel reisst. sie stellt die schwachen beine auf den boden. es regnet, faellt in stecknadeln. sie hat kein brot im haus, trinkt einen kaffee. ihre medikamente nimmt sie mit einem glas saft vom vortag. er ist warm, das kann sie nicht ausstehen. in ihrem mantel ist nichts, sie stellt fest, dass sie noch platz hat. auch beim atmen macht es ihr keine probleme. ihre haare sind wirklich schoen. sie denkt es sich, obwohl sie den traum vergessen hat. deshalb nimmt sie beim herausgehen zwei lange messer und steckt sie in die innentaschen.

draussen ist es hell. als waere ein film ueberbelichtet worden. zwei oder drei blenden. an der ecke trinkt sie ihren zweiten kaffee. wirft angewiderte blicke an die passanten. fast alle tragen weisse augen. huebsch, huebsch. die messer druecken nicht. sind angenehm an der haut. die ist ebenfalls schoen, das sagt ihr spiegel. in dem styroporbecher schwimmen fliegen, gleich zwei. der kaffee ist billig, aber sie laesst ihn stehen. die jahreszeiten wurden abgeschafft, es wird gezaehlt. es ist alles eine nummer. die dystopie ist wirklichkeit, kam schleichend. so dass alle sie gefressen haben. das fernsehen steckt man sich noch nicht in den schaedel, man ist noch nicht soweit. konventionell brennt es sich auf die retina. gefressen wird immernoch aus der tuete und mit heissen wasser gekocht. sie ist erstaunt ueber ihre kritikfaehigkeit. sie kann noch denken. wagen fahren vorbei, an ihnen pulsieren die bilder. es ist relativ still. heute muss ein konzerntag sein, denn es sind mehrere sonnen an den himmel projeziert. von ihrer position kann sie drei sehen. der kellner kommt vorbei und wischt den tisch wieder weiss. er traegt weiss, die waende sind weiss, seine augen. er fragt ,ob sie kaffee will. eine digitaluhr an der wand zeigt absteigende zahlen. solange ist der kaffee frei. sie schaut ihn nicht an. schaut auf die strasse. er wartet, dann dreht er ab.

vorbei an den fontaenen, die u-bahn ist schon seit wochen gesperrt. das gehen tut ihr gut. sie fuehlt, dass die klingen warm geworden sind. sie ueberholt. sie hat magenschmerzen und geht in eine pharmazie, die medikamente sind kostenlos und ohne geschmack. draussen schreit eine menschenmasse, doch nur wenige drehen ihren kopf. als sie heraustritt sind schwarze rettungswagen vorgefahren. und graues militaer. sie sperren die strasse und den platz, weil ein lastwagen umgefallen ist. auf dem boden um die unfallstelle liegen weisse puppen aus prozellan. dort wo die haut des tankes beschaedigt ist sinkt weisser dampf auf die strasse. die menschen werden mit stockschlaegen zurueckgedraengt. es ist ein stickstofftransport. einige augenblicke spaeter sind die hubschrauber am himmel. ihre rotoren sind gewaltig, aber lautlos. sie werfen nur schatten. sie schliesst den mantel und zieht die maske ueber das gesicht. schnee faellt in grossen mengen. puppen, die um diese uhrzeit fettbecher loeffeln oder ihre kleidung richten, schwere aktenkoffer tragen, gefuellt mit geldscheinen oder abfall. nur das affengesicht kann er nicht abstreifen. die kiemen in der maske sind verklebt. sie muss sie oeffnen. an ihr vorbei treiben die wagen. gekochtes farbiges wasser laueft an den haeusern hinab. sie glaenzen so stark, dass keiner in den himmel schauen kann. es gibt dort nichts zu sehen.

eine gruppe kinder kommt aus einem schnellrestaurant. sie sind nicht von hier, denkt sie und sieht die abzeichen an ihren jacken. nur eine werbeaktion. flugzeuge werden mit hungernden gefuellt und in den staedten gefuettert. die gesichter sind starr, mit beruhigungsmitteln aufgeschwemmt. augen klein und grau. jetzt folgen die kameras und der grinsende clown, in den letzen jahren schon oft seinefarbe geaendert. ihr ist schlecht. sie zieht die maske ganz herunter. der schnee gefriert auf ihrer haut, dann will sie sitzen. dort.

das lenkrad dreht sich zu weit nach links. der fahrer steuert gegen. sein aufgeschwemmter koerper ist in die schale eingeklemmt. als der wagen kippt zieht er funkenschlagend eine spur unter sich her, schlaegt kuessend gegen die betonpfaehle. unter der spur , zwei frauen eingeklemmt, nichts weiter. nur noch flecke. die parallele hat zwei loecher in zwei koerper geschlagen, aus dem tank quillt die fluessigkeit genauso wie aus dem mann in der kabine. er lebt noch , als sie ihn verlaesst. auf dem asphalt gefrorenes gewebe, als waere eine turbine angestellt. spaeter atmen sie schwer als sie mit schaufeln die flachen koerper schnell verstecken. adrenalin wird ihnen zugefuehrt. der polizist  der vorne steht, hat heute geburtstag.

sie hat zwei stunden gewartet. das herz ist in die richtige richtung gewandert. sie trommelt einen rhythmus auf die glaskacheln, auf denen sie sitzt. jetzt endlich kommt der stotterer, er hat einen schwungvollen gang. von weitem sieht er, wie er gaehnt. er sagt nicht gerne seine saetze. als er naeherkommt sieht sie seine schmutzige gesichtsmaske. lass sie bitte auf, draengt sie. sie kann sehen, wie er unter ihr laechelt. zwei sonnen sind ausgeschaltet worden. es ist dunkel und feucht. die silben aus seinem mund sind ihr gebet. wissen ist truegerisch. alle verhalten sich auffaellig, so kann niemand belangt werden. in der linken hand traegt er eine durchsichtige tuete mit pflanzensamen. er streut sie auf die betonflaechen. das stimmt nicht. sie schuettelt sich. er hat sie angefasst. deshalb hat sie halluzinationen. sie darf ihm nicht zunah kommen. sie bittet ihn seine handschuhe wieder anziehen. damit sie sicher sein kann. nonnen in braun spazieren vorbei. sie tragen aus religioesen gruenden keine masken, ihre haut ist grau. wasserstoff ist in der luft. sie hoert gebete zur postmoderne. es regnet wieder.fuer einen augenblick hat sie die messer, den mann vergessen. sie nimmt keine tabletten mehr. es gibt keine. morgen ist sie frei. dies ist meine zukunftsvision, die baeume sind mir egal. hauptsache es gibt luft und sei sie aus maschinen herausgeatmet. sie kratzt sich. der stotterer moechte die messer sehen, er ist begabt. sie schuettelt den kopf, zittert. nimmt einen schluck aus der wasserflasche, die sie gekauft hat. nur eine pause. der stotterer laechelt. er weiss , dass er nichts weiss. er ist ein moderner prometheus. es ist egal, da es keine ideale gibt. es wird zuviel gesprochen. hoehe toene folgen niedrigen. es ist eine frage der frequenz. keine katastrophenmeldungen mehr. kuesse sind erlaubt, auch das nachfragen. sie steht auf. der stotterer ist gegangen. wuesste sie geschichten aus der vergangenheit, so duerfte ihr die angst in den nacken kriechen. binaeres lachen. stickstofflaster fahren abends haeufiger. chemie, in und um die koerper. sie dehnt sich und spuert sich einen augenblick. hoffentlich hat er sie nicht lange angefasst. es laesst nach, sie biegt ab , sie kennt die strassen, weil sie im kreis geht. ich habe ihn doch zulange angefasst, ihre gedanken sind durcheinander.

wir haben ihnen eine schlinge um den hals gelegt. das mag sie auf den ersten blick erschrecken, aber so koennen wir alle sicher sein,dass sie stehenbleiben. dies ist kein verhoer. nennen sie es anders. wissen sie, wieso wir unsere institution so genannt haben? weil es doch der direkteste weg ist allen mitzuteilen, dass die zukunft schon verloren ist, laecherlich, in den haenden weniger. stoert sie der rauch? sie sind doch noch ein kind. los, gib ihm etwas mit dem stock.

sie moechte nicht nach hause gehen. ihr ist der raum fremd. es klopft an den waenden. man moechte den fernseher einschalten. kommunikation ist erwuenscht. sie fragt sich selbst, wieso sie die umgebung beschreibt. die finger zucken. die messer liegen auf dem tisch. es ist merkwuerdig, doch es gibt beinah keine kriminalitaet. hoer auf, sagt sie jetzt laut. dann legt sie sich schlafen.

sie laueft am 332sten tag ihre kilometer herunter. auf den exerzierplaetzen der stadt herrscht das militaer. die politik hat sich abgesetzt, ihre wagen sind farbenfroh. ihre stimmen moduliert. es ist eine deplazierte geste, da jeder blick in gefallsucht ertrinkt. hatte ich freunde? sie bleibt stehen und trinkt. heute ich, ist die luft kalt? ihr kopf schmerzt. sie hat grosse pupillen , sagt der kellner in dem cafe. position eins, sie schaut am nachmittag einen film ueber ertrinkende. zweieinhalbstunden. das popcorn ist gratis und salzig. ein bedarfsarbeiter kommt auf sie zu , er hat duenne arme und einen rasierten kopf. seine uniform ist nagelneu und stinkt nachfabrik und plastik. er ist freiwilliger  sagt er und saugt die spucke durch die zaehne. er moechte mit ihr ausgehen. sie schaut nach einem informationsmast und meldet ihn der polizei. am abend wird er mit stoecken halb totgeschlagen. zuvor gibt ihr der zustaendige beamte einen zugangscode, damit sie dem geschehen elektronisch beiwohnen kann.

an den autobahnen, die aus der stadt in die naechste fuehren liegen die handelsgelaende. hohe containerstaedte. ihre waende sind aus blei, trotzdem kommen die menschen um an den matten oberflaechen zu lecken. sie probieren, ob man den dreck und den regen mit menschenkraft und ohne haende loesen kann.

war das eine schoene geschichte ? dann sei brav und geh schlafen. wir gehen noch aus. ruf uns an, wenn etwas nicht in ordnung sein sollte, wir schliessen unser erdloch mit wellblechpappe. du rufst an mit rauchzeichen. wir gehen zur containerstadt und machen unsere traeume wahr, verstehst du? wir bezwingen die realitaet dadurch, dass wir dies verwirklichen, selbst wenn wir die containerstaedte erst noch bauen muessen. und nun schlaf.

sie wacht auf und dreht sich auf die seite. an der decke laeuft der wetterbericht entlang. heute waehlt sie mit. sie ist fuer regen. gewitter. dann denke ich an nichts, das ist schoen. sie moechte jemanden kennenlernen. in ihrem roten anzug kann sie ihre maske sogar nur soweit schliessen, dass die augen natuerlich herausschauen. alles ein bisschen matt. sie stolpert beim tanzen. die programme bringen einen wochenueberblick, den sie ausstellt. es passiert. [pn]

wehrmannrente

jede bevormundung durch die vorgesetzten ist zu vermeiden, sagt holler und kratzt sich hinter dem feuerwehrohr. die kinder klappen im hof die stuehle zusammen. holler schweigt, er hat dem schwiegersohn nichts zu sagen. dieser haelt die geputzten stiefel an den senkeln in der hand. holler vergisst selbst den vornamen oft, nennt ihn sohn, obwohl er es nicht glauben kann.
judith steht in entfernung unter den birken und winkt ihnen zu. magst du ein bier ? fragt der schwiegersohn, waehrend er in halber drehung die strenge frage stellt und holler in die augen blickt, weil es heute sein muss. holler nickt, als lernte er diesen mann gerade kennen. judith hakt sich bei ihm ein. sie traegt keine kleider mehr, es ist noch warm fuer oktober. holler wechselt das standbein, bleibt aufrecht in seinem zweimeter koerper stehen. einsachtundneunzig, lacht er jedes mal, wenn er von unten gefragt wird. zaeher braten auf den tellern, sie haben im dorf eine alte kuh geschlachtet, weil sie wegmusste. holler zieht mit dem fingernagel eine faser zwischen den zaehnen hervor. die kinder umringen ihn, wuenschen, dass er mit langen schwuengen ihre arme haelt und sich dreht. lass, sagt seine frau und schaut an ihm vorbei. lass, ist zu gefaehrlich.
holler kratzt wieder hinter dem ohr. im wohnhaus gibt es zwei duschen, den russ kann man abwaschen, an den geruch sind alle gewoehnt. streichholz nennen ihn die kinder, wenn sie durch die luft fliegen. holler trinkt ein bier und stellt es auf dem kiesweg ab, drueckt damit eine kleine mulde in die steine. vorgestern: die hitze hat ein loch in den estrich geschlagen, die fenster sind nicht zersprungen, haben sich nach aussen gewoelbt, als haette ein glasblaeser daran gearbeitet. der raum jetzt schwarz tapeziert, der fernseher ein klumpen, ein kleiner orkan in der mitte des zimmers, fetzen von briefen und buechern wirbeln umher, grobes und feines papier, die worte sinken in die lungen ohne atemgeraet. erst waren die anliegenden tueren zum brandherd geschlossen, dann waehrend der flucht der bewohner durch gleichzeitiges oeffnen – sauerstoffzufuhr – lebensspendende energie fuer das rot. temperaturanstieg, die luft hartgebrannt, wie keramik aus dem ofen. die bewohner kleideten mit jedem atemzug ihr inneres aus, ohnmachtsgesten und fersenflucht, ein aneinander vorbeikriechen am boden, in den rauch verkrallte haende, kein platz fuer hilferufe. stille, die der koerper einstellt um kraft zu sparen. holler beugt sich lange herunter fuer das bier. er sieht judith, seine tochter, mit den kindern streiten. sein schwiegersohn hat die zeigefinger in die taschen gehaengt. er unterdrueckt jetzt eine ohrfeige. [pn]

der zermalmte hund

kopschmerzen,
an der spitze ist die leere suess, bricht diese ab fliesst eiter. lassen sie sich nicht aufhalten. jederzeit ist eine kontrolle moeglich, wird ausgefuehrt. die stille, die hinter den brillenglaesern sitzt ist eingetrocknet. wundmale lassen sich nur schwer finden. einen arzt erkennt man am stethoskop oder kittel, nicht am gesicht.

abends im laternenlicht gehen wir spazieren, unterdruecken dabei freiwillig eine welt. nur die baumkronen empfinden das gelbstichige kunstlicht als nahrstoffarm. E120 ist die klassifikationsnummer des farbstoffs in deinem campari, eingestanzte laeuse, vielleicht trinken wir deshalb so gerne den chininsaft. angebliche horrorgeschichten der lebensmittelindurstrie, die unterhaltsam von ihren wahren schrecken abhalten. ploetzlich ist es tag, mir kommt es vor, als sei der sproede schlaf umsonst gewesen. er deckt die traeume des gestrigen tages zu. heute folgten anrufe der verzweiflung, versuche der konzentration am telefon, umstossende bemerkungen. glatte sommerbeine, eingelaufene kleidung, verwaschene gesichter. gespraeche unter uns, die verdoppelt wirkten. zum ersten mal fuehle ich den boden in dieser stadt, die langsam in mich einkriecht. im hellen schwitzt sie, schiebt passanten umher, nachts schliesst sie in klimatisierten fahrten oberirdisch koerper ein. du siehst jetzt anders aus vor dem bauzaun und den abgestellten fahrraedern. an der station haengen die menschen und trauen sich jetzt alles im halbdunkeln, was ihnen im sonnenlicht zu grausam oder peinlich erscheint. aber da irre ich mich erneut, du ermunterst mich zum hoffnungsvollen glauben, selbst wenn du an den falschen stellen lachst, wenn ich erst ernst geworden bin oder muede. naiv, sage ich und weiss nicht mehr, welchen teil ich in mir meine. stop rufen, doch dann ist das wochenende vorbei, das gute gefuehl verschwindet mit. dieses jahr schwingt sich eine abschnittslosigkeit hinauf. schnitte koennen nur anhand des grob gewordenen kalenders entstehen, dabei benutze ich schon die fernsehzeitung dazu. so finden wir eine gemeinsame sprache. gluck gluck, macht es wenn du trinkst. ich hasse diese lautmalerei in der beschreibung, aber es soll mir beim erinnern auch kalt am ruecken werden. zurueck, im park beobachten wir die frau im mantel, „in den spaeteren jahren ziehen manche frauen die wangen nach innen, fuerchten sich aber vor ausgewoelbten schenkeln.“ an einer ausgesprochen langen leine fuehrt die spezielle person einen hund herum. doch dort, wo er ohren hat, klemmen nadeln. er schuettelt sich, will kuehl sein in dieser sommerhitze. der hund hat einen bruder verloren unter den reifen eines lastwagens.

[ wahrscheinlich stammt diese bezeichnung aus dem dritten reich. die dazugehoerige ladung entschied ueber sieg oder niederlage, waren es knoepfe fuer uniformen oder granathuelsen, die gleichsam in den boden und zu boden fielen, an ihren seiten handabruecke, fingerabdruecke und schweiss. geschichten einer achtzehn stunden schicht unter zwang und mit schlechter nahrung. weniger fleisch, als der uebriggebliebene hund heute bekommt ]

„erstaunlich, dass selbst die groessten menschlichen anstrengungen und katastrophen letztendlich von mikroskopischen bewegungen einzelner abhaengen,“ stellen wir fest und ich beruehre erst deine und dann meine haut, um einen unterschied festzustellen. [pn]

verzehrt-pause-verzerrt

alles ist herrlich und gruen. echte ziele gibt es vielleicht nichtmehr, sagt sie und zieht die beiden letzten worte zusammen, wirft sich zurueck aufs bett. dort versteckt sie sich unter der decke, nur der rauch entkommt und ihre beine. sonic youth im lautsprecher spielen einen song von ihrem 88er album. ich kann mir die titel nicht mehr merken, denke ich. der laser faehrt gleichmaessig ueber die scheibe.cross the breeze. wir leben doch schon in der zukunft. sie kichert. beim aufstehen kippe ich auf dem bodem ein glas um. das wasser faerbt den teppich dunkel. expandiert. bei mir erst aerger, dann ein stich im kopf. mit der rechten schlaefe streife ich den boden. fallgesetz, der koerper verfaerbt sich, die kleidung zieht mich zu sehr herunter. es rauscht in den ohren, als ich aufschlage. die haende verspaeten sich, sie stehen selbst unter schock. ich schaue mir kurz von aussen zu, im zitternden bild stehen tischbeine. unter ihnen liegt eine muenze, die ich seit zwei tagen suche. dann spuere ich eine hand auf dem nacken. was ist los? oh gott? was ist? dies ist das erste mal, dass ich sie soetwas sagen hoere. in den augenwinkeln sehe ich ihr buendiges erschrecken. mit verzogenen augenbrauen hilft sie mir mich aufzurichten. meine glitschigen fuesse wollen nicht stehen, deshalb hocke ich auf der bettkante. ich habe mir auf die zunge gebissen, halte mir eine hand vor den mund, damit ich bloss kein stueck auspucken muss. sie sagt immernoch nichts, schaut mit grossen augen. ihr arm will sich auf meine schulter legen. eine beruehrung ist das letzte was ich will, ich zucke, bevor sie ganz in meiner naehe ist. alles in ordnung? bei der dritten nachfrage stehe ich schreiend auf. hoer auf, sage ich und habe blut um den mund verschmiert. darauf hat sie gewartet. automatisch zeigt sie mir ihre handflaechen und gefriert im gesicht fuer einen augenblick, bevor sie anfaengt stur zu laecheln. sie bietet mir ihre gesichtsausdruecke an, als brauchte ich nur stopp zu sagen. macht pausen dazwischen, gleitet in die leere, um nach panischen wechseln beim mitleid zu verharren. perfide schlaegt sie auf die oberschenkel einen takt dazu, signalisiert so ihre abwesenheit. hinter ihr faellt ein photo von der wand. synkronizitaet. ich schaue genau, praege mir ihre zwischenschritte ein, beim naechsten mal, wenn wir in ruhe stehen, rufe ich mir etwas davon ab. die schwingung, die zu diesem tag erhalten bleibt, lege ich in eine schublade, markiere sie sorgfaeltig, damit ich nichts zu suchen habe. jetzt laechle auch ich und verschraenke die arme am ruecken, reisse sie mir heimlich aus. frontal betrachtet wirke ich teilnahmslos, blosse leinwand fuer ihre projektion. wir bestrahlen uns gegenseitig, werden wohl blind davon. an der ihr abgewandten seite entlaedt sich in der schulter spannung, die muskeln uebersaeuern. bauernthaeter. als sie anfaengt laut zu lachen gehe ich ins badezimmer und schlage dort mit der faust drei weisse kacheln ein.

ich mag tiere auch. aber deshalb gehe ich nicht in den zoo. ich schaue ihr zu, wenn sie photographiert und mit zwiespaeltigem blick durch die gitter nach tieren sucht. sie liebt sie. ich sie. wir uns? manchmal sind kurze gedanken besser. es gibt schliesslich andere anachronismen, wie den circus. dahin geht man mit kindern. liebende gehen in den park. brrrr. zieh die jacke an, sage ich zu mir selbst. im affenhaus schmieren die bewohner verstaendlicherweise ihren dreck an die plastikscheiben. der affe ist doof, sagt ein kleines unbestimmbares kind an die mutterhand angehaengt. ich muss darueber lachen. in der anderen hand haelt es ein buendel werbeprospekte. ich beuge mich zu dem kleinen kopf herunter und sage, dass die herstellung der bunten zettel einen affen im dschungel toetet. die mutter hat mich nicht gehoert, schaut aber, als haette sie einen paedophilen erkannt. als sie weitergehen ist das kind still und laesst auf dem weg die werbung fallen. genugtuung gibt es dafuer nicht. ich lese etwas von den texten gegen die langeweile. ein industrieller hat dem orang utan eine zweite ebene in den kaefig ziehen lassen. jetzt glaenzt sein name in geschmackloser schrift an der messingplakette. dem affen ist es egal. zum traurigschauen braucht er keinen wintergarten. klio kehrt endlich zurueck, sie wirkt so, als haette sie auf die uhr gesehen. kreidebleich haelt sie meinen arm und sagt, dass wir gehen muessen. ich warte, nachdem auch ich blass genug bin, verlassen wir die tieranstalt.

der bus schaukelt ueber die strasse. klio haelt sich die ohren zu. die achten nur noch auf die stoss- und nicht die schalldaempfer, sagt sie. ich drehe meine kaugummiblase vor dem mund vorsichtig zu. klio misst mit beiden haenden ihren umfang, zeichnet sich mit einem kugelschreiber eine linie auf die haut. mit dem fingernagel sticht sie in die kugel, die in ihrem mund verschwindet. an der naechsten station steigt sie als gewinnerin aus. wir suchen nach einem guten platz, um tomaten zu essen. halten uns an den haenden, bis wir auf eine steile treppe stossen. fuenfhundert gramm salz kosten neunzehn cent. ich streue einen bannkreis um uns. die tomaten sind rot und saftig, schmecken nach erde. das salz ist so billig, das wir es stehenlassen. die treppe fuehrt in eine altstadt, escher gruesst cioran heftig beim vorbeilaufen. nur in der bewegung. sie koennen ebensowenig stehenbleiben, wie wir. alle kugeln sich die gelenke beim winken aus. die sonne macht uns die haare heller. ich mag den riss an deinem mundwinkel, sagt klio und zeigt sich mir als spiegel. ich fasse mir an die richtige seite. erst jetzt merke ich, wie durstig ich wirklich bin. marktplatz. an einem brunnen trinken wir, neben uns warten esel,dass man ihnen die pumpe bedient. klio besteht darauf, obwohl es stunden dauert alle tiere zu versorgen. etwas abseits sitze ich im schatten, weil der boden ueberall heiss ist. ich kann mich nicht erinnern, dass wir in den urlaub gefahren sind, sage ich zu klio und warte, dass sie mich beruhigen kann. du bist nur hingefallen, antwortet sie und haelt mir etwas kaltes vor die stirn. ich frage mich, was auf dem photo war.

[pn]

butaneule

die wohnung ist rechtwinklig geschnitten, wie das brot, welches grossmutter auf dem holzbrett schneidet. sie streicht die butter dick auf die scheibe, auch wenn calvin schreit, er koenne nicht so fett werden. sie zieht den ihr unbekannten namen beim rufen in die laenge. caalviiiin, drei brote sind fertig! sie leckt ihren finger ab, legt den aufschnitt in den kuehlschrank zurueck. das radio spielt einen schlager. es ist laut aufgedreht.

calvin hoert die grossmutter rufen, schaut mit erwachsenem blick in sein zimmer. jedenfalls stellt er sich so einen aelteren blick vor. er weiss nicht, dass menschen ihre innere integritaet vergessen, die tatsache, dass sie in jedem lebensalter nicht nur sich, sondern auch ihre probleme ernst nehmen. wieso schauen sie dann laechelnd auf die kinder und streichen ihnen sacht ueber den kopf, wenn sie sagen, dass es keine monster gibt, wenn sie das licht loeschen.obwohl sie genau wissen, dass sie luegen. calvin ist elf jahre alt, er mag die wurst nicht, die seine oma auf die brote legt. er glaubt, dass sie immernoch entzuendete augen hat. calvin ist zu besuch. er schaut wieder in sein zimmer. grossvaters kleidung haengt neben seiner jacke in dem weissen schrank. zeitschriften liegen auf dem bett. er geht zum spiegel, sein bild fasst an die roten haare, an die eigenen.

die frau in der kueche trinkt einen brennesseltee. ihr ist unwohl. sie hat das beduerfnis zu rauchen, obwohl sie es vor zwanzig jahren aufgegeben hat. ihr mann ist an lungenkrebs gestorben, an einem donnerstag. sie kann sich ihre nervoesitaet nicht erklaeren. hinter dem fenster geschieht nicht viel.

calvin dreht den schluessel im badezimmer um und spuckt in das waschbecken. von der ablage nimmt er eine deoflasche herunter. sie ist kuehl. er zieht die socken aus, bevor er in die duschkabine steigt. calvin leert das deodorant im hocken aus. das zischen riecht suess und schwer, stumpfer nebel steht in der kabine, dringt in den jungen ein. calvin atmet tief und ruhig, inhaliert, spuert das abgleiten. es aehnelt dem zucken beim einschlafen. ploetzlich spuert er bitterkeit. in zehn tagen stirbt sein hirn im staedtischen krankenhaus, zwoelf strassen weiter.

[pn]

vor der rossschlachterei

06:12

der pfoertner amon hat an der aussenwand der huette einen rueckspiegel angeschraubt, so darf er laenger sitzenbleiben. er laesst die koepfe an der scheibe warten, passierscheine werden ihm entgegengehalten. dann nickt er den gesichtern zu, umarmt dabei die tasse, stellt sie in der verschraenkten armbeuge ab. die zungenspitze faehrt ihm aus dem mund und wird trocken. amon muss sich hassen lernen, es stoert ihn nichts, noch nicht. die arbeit perlt an ihm ab. im kopf haengt das bild eines jaegers, der nichts geschossen hat. die schritte, die aus dem wald zurueckfuehren sind stets laenger und verzweifelter, als die ankommenden. amon steht auf, damit dass kreuz sich dehnen kann. an die waende kratzt er spurrillen in das holz. dalek, der vorarbeiter klopft ans glas :

dumm, dumm. die stechuhr ist korrupt. wieder einmal finden wir uns hier ein, haettest du deinen kalender nicht abgehaengt, waere dir nicht schlecht, amon. amon schaut ihn mit dem ruecken an : halt dein maul, dalek und kugel deinen arm an deiner presse aus. mich stoerts kaum hier zu sitzen, im sommer oeffne ich ein fenster, im winter stelle ich ne kohlentonne hier hinein. du musst dein hemd wohl oefter wechseln, kinderhirn?

dalek eilt weiter, hat die worte nicht mehr hoeren koennen. der kiesweg knirscht zu laut. durch das tor hinein, in einen arbeitsrausch getaumelt, am eingang gibt ihm der nacken eine arbeitspille in die hand. die dreiecksform hat einen jahrelangen eindruck in die innenflaeche seiner hand gestanzt. in welchem land wird bei zustimmung der kopf geschuettelt? er weiss es nicht mehr, hat es aber doch im fernsehen gelernt.

amon dreht auf seinem stuhl, jetzt hat er eine ruhepause am koerper, jedoch nicht im kopf. seine frau fragt abends immer nach dem spiegelpaar, damit sie ihren ruecken ruhig betrachten kann, ohne den kopf streng drehen zu muessen. amon laechelt sie still an und kaut weiter. sein gesicht bemueht sich um verschwiegenheit. in einem monat kauft er silberfarbe und streicht ihr wohl die augen an. viele wollen innenseher werden. zum mundzunaehen reicht es noch lange nicht, da wird er noch malochen muessen. das denken endet schoen. amon schaut auf die scheibe und hinaus.

11:44

hunderte sind vorbeigegangen. amon legt die hand auf das klingelnde telefon, hoert die anweisungen an. das herz schlaegt ihm in den hals. menschen vergessen oft, dass ihnen heiss vor angst werden kann. das vergessen kommt, wenn die hitze abklingt. amon wird rot und ist selbst befangen. ja, ja, ja – die lippen tun ihm davon weh. frueher hatte er einen knopf im armaturenbrett, den konnte er druecken. natuerlich nicht aus lust und laune, aber in bestimmten momenten, die eine aktivierung erforderte. der weisse knopf wurde ausgebaut. jetzt macht alles die zentrale. amon spuert den widerstand des knopfes immernoch im finger.

16:59

die sonne senkt sich steil herab. amon muss die hand ueber die augen halten, versucht die silhouetten der verlassenden zu deuten. in krummer haltung schreibt er irgendetwas in sein protokoll, wirkt geschaeftig. er sorgt sich schliesslich auch um seine anstellung. dabei sind doch alle arbeitsplaetze staatlich garantiert. diese alte gewohnheit ist reine nostalgie. morgen wird er nicht zur arbeit kommen muessen. er hat urlaub und freut sich bereits jetzt auf seine krankheitspille, die geschmacksneutral eine erkaeltung oder aehnliches hervorruft. amon wird sich sorgfaeltig an die schlaefe greifen und das fieber geniessen. dalek weiss um die tatsache und geht deshalb besonders langsam am pfoertnerhaus vorbei, die neidaugen sind rechtwinklig zum gang auf amon gerichtet, beide haben den eindruck, als dauerte die begegnung eine ewigkeit. zeitlupe. dann zieht amon seine zunge wieder ein.

[pn]

nicht in die kamera schauen

drekopf denkt gross: gauss`sche normalverteilung. mathematische roehren, deine beine. kammerflimmern. er hoert auf und stellt sich ab, will auf die fahrt achten. der waggon zieht sich an der schiene entlang. ein anderer passagier sitzt und atmet ihm gegenueber. es wirkt gestellt. drekopf bleibt in seiner vogelstarre. er haelt sich fuer einen greif, weiss aber nicht aus welchen tieren dieser genau besteht. im gespraech wuerde er eine meinung vertreten, die er sich nicht glauben kann, lauter werden und mit den fingern auf den boden zeigen. die handflaechen abwechselnd drehen, um offenheit mit staerke zu vereinen. drekopf reckt seinen hals und hofft auf ein knacken. innerlich beschaeftigt er sich mit etwas aussichtslosem. die letzten tage rauschhaft, trotzdem traege. drekopf zieht eine neue schaerfe, unstetes dringt durch die verdunkelte scheibe. der circus ist in der stadt, plaziert am hauptplatz. zaunelemente modern, aber die farbe an den naiven buden blaettert weiterhin idyllisch ab. die schausteller haben ihren romantischen hades nicht verlassen koennen. sie treten nicht auf mit neuer akrobatik oder kommentierendem spott, stattdessen verkaufen sie ihre tradition durch ein hysterisches festhalten und an sich ziehen. inzestioese riten und geheimsprache. die artisten lassen alles fallen, was sie bewahren wollen. die klassischen kostueme werden zu abbildern, auf die nichts projiziert werden kann. der leere blick bleibt uebrig. tanzlachfest mit bierbude zum verweilen. banner draussen. kreditanstalt, autohaus und circuszelt in dreifaltigkeit. gemeinsame interessen.

der spoetter kriegt ein eisbein geschlagen. ist damit abgelenkt genug in den circusfarben zu verfallen, dem clown ein lachen aus der rippe zu reissen. drekopf ist kein feind der ueberforderung, er liebt sie, obwohl sie ihn oft wundern laesst. er spielt die circusmelodie im kopf, seltsam, dass der atmer hoechstwahrscheinlich dieselbe kennt. gemeinsame worte: die nachrichtensprecherin fabuliert ein kollektives gedaechtnis herbei, in das sich ereignisse eingebrannt haben sollen. drekopf lacht ueber die medien und wischt sich eine traene aus dem auge. er vergisst jetzt und will den atmer nun doch noch herzlich begruessen, gnaediger zuhoerer sein, mit einer geschickten luege erfreuen, die zaehne entbloessen bis zum gesunden zahnfleischrand. etwas aufmerksamkeit mit ihm teilen. der atmer steigt aus.

besser fuer dich, sagt drekopf und erinnert sich nicht, wieso er negativ ueber den circus gedacht hat. es gibt doch vielleicht erneuerer. die verzichten auch auf teure tiere, oder? zum verbiegen brauchen die nicht mehr als ihre eigenen koerper. wieso keine maschinenakrobatik, keine andere symbolik? verliert der circus seine existenz durch fehlende attribute? drekopf wartet auf ein neues sproedes bild. die begutachtung der zuschauer zieht die kiefer auseinander, laesst fallen in ein gemeinsames austossen von schlechter luft, maladie kann diskret entweichen. drekopf ist froh stiller geworden zu sein. er hampelt kaum, hat sich spezialisiert. jeder tag ist von einem gedanken belegt und soll sich dann konkret in eine zahl verwandeln. drei finger haelt drekopf im dunkeln in der hand und oeffnet die augen sehr stark dabei. sein kalender beginnt mit schluckgeraeuschen, schritten aus der bahn heraus. unter den neuen reklamen hinueberlaufen zum treppenschacht. linksbuendig gehen. wochenlang nur mit loeffeln essen. heizungen regulieren und planen, was er im kopf zu halten hat. meinungsmaschine, denkt drekopf, gezwungen zu urteilen, ohne abnehmer zu haben. ungesunde oekonomie. neue idee:

ich koennte mir einen neuen haarschnitt wuenschen, etwas, dass nicht rauschhaft erlebt werden kann. geht nicht.gibt es schon, sagt die frau neben ihm und leckt sich die finger vom essen sauber. in zwanzig minuten steht drekopf in der schlange, die sich in der eintrittskartenbude verbissen hat. er vergisst sich zu schaemen.

die clowns sind beliebt und gefuerchtet. die jungen wurden zum clownsein gezwungen. familienkodex. drekopf vermeidet das lachen. es sieht ihm zu daemlich aus. lachen ist fuer volltrottel. als er spuert, das ihm die mundwinkel zittern, quetscht drekopf etwas haut am oberschenkel. im zelt stinkt es nach pferd, weil die betreiber minuten vor der vorstellung fohlen durch die manege getrieben haben. das muss so sein. die zuschauer erwarten das ganze paket. das kaempfen gegen vorlieben und vorstellung, arbeitslosigkeit gegen schwarzfahrer. drekopf entspannt sich, achtet nicht wirklich auf die darbietung. er moechte sich die vorstellung lieber hinterher ausdenken. vielmehr gestattet er sich als zuschauer, er haette darum lieber nur allein mit seiner anwesenheit bezahlt. artisten sind bessere drogenhaendler, denkt drekopf, bevor ein neuer reiz einschlaegt. damen biegen sich auf saegespaenen, ein mann in der menge hat sich die augen aus dem kopf geschaut. er schreit, wird aber schnell beruhigt. da muss auch drekopf endlich aufatmen. der circus hat ihm schon immer am besten gefallen. schon als kind. das weiss er ganz genau. [pn]

ueber das nichtanfassen

chorgesang. der himmel kann keine trennung beibehalten, will keine ertragen. das auge rutscht beilaeufig an ihm herab. jetzt treten gestopfte trompeten hinzu. der direktor spuert die gaensehaut am ruecken, schliesst die schlichte jacke. auf dem balkon blaest ihm erneut der wind die zigarette aus. gurt schaut auf den hof. die sonne scheint schneeweiss, dass ihm die augen schmerzen, als reflektierte selbst der matte baum. april. seine beine zittern, er weiss nicht warum.schnell muss er sich setzen, senkt sich auf den holzboden. gurt will jetzt keinen stuhl. die schwerkraft soll ihn flaechig niederdruecken.im zimmer liegt der plattenspieler in der letzten rille, wird dann von einer blassen hand zurueckgelegt und ausgeschaltet. die frau sagt : ist dir wieder schwarz vor augen, harald ? gurt schweigt und zieht die luft ein. ein schatten der bruestung schneidet seine haende ab. er haelt die zigarette senkrecht, damit der rauch nicht in seine augen steigt. kurz vor dem aufblicken, stellt er sich erika vor, wie sie im zimmer selbst gerade steht. das gewicht auf beide beine aufgelagert, dann der wechsel des standbeins zum spielbein. die arme schlaff nach unten haengend. ich heisse gurt, sagt er und steht vom boden auf. ihre stimme kommt ihm naeher. das ist unser nachname, harald.

gurt sitzt in der schreibstube und ordnet seine akten. er laesst einen pagen kommen und bittet ihn einige briefe wegzubringen. erika wartet die ganze zeit im tuerrahmen und isst weintrauben von einem teller, spuckt die kerne in die hand zurueck. gurt dreht sich um, weil er bemerkt, dass er sich taeuschen muss. wie koennte sie den teller halten? die trauben sind kernlos, harald. erika sagt es, als waere sie in seinem kopf gewesen. gurt fragt, ob sie sich nicht anziehen wolle. der wagen kaeme gleich.

auf dem asphalt neben dem rapsfeld. heute schauen wir uns die anlagen an. er liest den satz nochmal und faltet die notiz beim einstecken in den mantel. erika hat sich bei ihm eingehakt. sie lacht laut und mit offenem mund. der fahrer folgt ihnen im schritttempo mit dem schwarzen daimler. der wagen blitzt satt im licht und wischt die uebergaenge, seinen eigenen rahmen, aus. gurt schirmt die augen ab. am horizont liegt die fabrikenstadt. dunkle wolken steigen in das kobaltblau. sie gehen einige kilometer am feld entlang. auf der haelfte des weges zieht erika ihre schuhe aus und geht barfuss weiter.

am eingangstor spielt eine kapelle. angstellte in unterschiedlichen raengen ziehen die huete von den koepfen. begruessungen und angedeutete verneigungen folgen. der vorsteher dulde traegt ein sonntagshemd. der kragen ist eingerissen. gurt schaut nur auf die faeden, als sie miteinander sprechen. herr direktor, wir zeigen ihnen heute alles. dulde jubelt innerlich, versucht sich zu beherrschen. er ist sehr gross, muss sich herunterbeugen. alles, herr direktor, ihre ganze schoene anlage! erika laesst sich im fond des wagens spontan die fuesse waschen. die tueren stehen offen, sie raucht und summt einen schlager dabei.an einer langen kette holt gurt eine uhr hervor. achtet genau auf den sekundenzeiger. der stereoskopische blick schwindet ihm seit langer zeit. er muss die augen neu fokussieren. punkt drei. gurt faengt an herumzubruellen. die angstellten eilen los, stellen maschine um maschine nacheinander an.verkettungen von zentrifugen arbeiten in der halle. dulde beginnt zu refererieren. jedes wort soll in seiner beschreibung gleich klingen. gleichlaut und ebenbuertig betont.

gurt hat die geschichte seiner farbrik schon hundertfach gehoert. die daten und fakten haben sich ihm eingebrannt. in der halle ist es heiss. dulde schielt beim sprechen an der uranglasmaschine vorbei nach erika, die immer nickt und fuer jede information ein laecheln ausspuckt.

gurt laesst kaltes wasser bringen und beobachtet die arbeiter an den hochoefen. dulde erklaert erika mit leiser stimme eine sonderfunktion des glasofens, bis ihre augen staunen. harald, harald, ruft sie und winkt dabei. gurt schuettelt den kopf, sie stehen so nah, dass sie sich fast beruehren koennten. zu nah zum winken, sagt er und hoert dann dulde zu. waehrend sie von halle zu halle schreiten wird die fabrik erweitert. dulde zeigt in verschiedene richtungen. gebaeude waelzen sich im selben augenblick am ende seiner fingerspitze empor,befreien sich von baugeruesten, werden von arbeitern bezogen und produzieren unaufhoerlich. ab einer bestimmen groesse muss der komplex genauso energie aufbringen, wie er verbraucht. gurt baut ein negatives perpetuum mobile, eine maschine, die die welt verschlingt. [pn]