Alle texte in ‘erzaehlung’



andreas ems zieht um

andreas ems stellt mit den augen seine bilder auf, sitzt dann im zimmer, das jetzt neu gestrichen ist. das weiss birgt platz fuer neue bilder, nur der boden ist bedeckt von folie, die wellen wirft, als haette er kiesel in den boden eingeworfen. ems nimmt die brille ab, hinterlaesst einen fingerabdruck auf dem linken glas. er schaut auf die fingernaegel, urteilt ein wenig darueber. wachsen sie nachts oder tagsueber schneller? er steht auf, wiederholt sich, um die stoerenden dinge vom boden aufzusammeln. die malerrolle, die pinsel und eimer traegt er aus dem raum hinaus, kehrt zurueck. auf allen vieren blaest er den staub von der folie herunter. er will nur die formen sehen, auch wenn sie nicht glattzubuegeln ist. er koennte es tun, er weiss es. doch soviel anstand will er in sich behalten, zwingt sich darueber wegzusehen, dass sie ihm nie perfekt erscheinen wird. sie soll reiner versuch bleiben, vulgaer organisch, wellen, die nicht in bewegung sind. staubmeer. als er die leuchte holen will klingelt das telefon im flur. ems eilt nicht. jemand hat sich verwaehlt und haelt ihn auf mit entschuldigungen. brav bleiben, denken beide. der ritus ist erschreckend. der anrufer holt aus, hat viele worte fuer den fehlgriff. er haette auch einfach bleiben koennen, kurz. sie wissen schon-sagen, dann waere es vorbei gewesen. ems muss den kopf zur seite drehen bei seiner ausgedachten freundlichkeit. ist es fuer dich das erste mal ? fragt er und legt den hoerer auf. die aermel sind ihm vor aufregung abgerutscht. er krempelt sie wieder auf. gleichgeschickt mit beiden armen. im angemalten raum prueft er scheu die spuren auf der wand, die kantenverlaeufe in den zimmerecken, die gleichmaessigkeit der aufgetragenen farbe. wie ein negativkuenstler, der sich selbst in neutralitaet verstecken will. nicht als haltung, sondern aus angst sich zu verlassen. die halogenlampe faellt aus, laesst ihn zurueck mit dem einfallenden kartonquadratlicht aus dem flur. ems geht zum telefon zurueck, dreht mit dem finger in der waehlscheibe, die am rand gesplittert ist. er hatte das telefon vor jahren auf einem hallenflohmarkt gekauft, den er selbst lieber als basar bezeichnete. im sommerzwielicht, unter den fallenden regalen der haendler, brach in ihm ein schuldbewusstsein auf, alte geraete stuermisch zu bewundern. er hatte damals durst im hals und anspannung im geist, da er es schwer ertragen konnte, sich eine schwaeche einzugestehen. besonders apparate, die nach mehr als fuenfzig jahren noch funktionierten schaute er gerne an. sich in den formen aufzuloesen, an matten farben zu erdruecken tut ihm gleichzeitig gut und weh.ems wundert sich ueber sich selbst und legt die hand an die altmodische gabel. hebt den hoerer und schliesst beim freizeichen die augen. er empfindet sich ploetzlich als klischee. er braucht keine steckenpferde. ems entzieht der agierenden hand die muskelspannung, laesst den hoerer achtlos auf den boden fallen. retrospektive. er kaufte damals, wie er immer kaufen wuerde. grundlos in sich vergessen. die schwarze schnur des telefons hatte er mit ausladenden schlaegen einwickeln muessen. in eine tuete gesteckt. sich selbst in einen bus gesteckt. eine halbe stunde fahrt geschluckt. einen fussmarsch von der station, die treppen rauf, die schluesselsuche und das ablegen. du hast mich viel gekostet, viel mehr, als ich bezahlt habe, sagt er jetzt laut und hoert seine stimme seit langer zeit ausgesprochen. er lacht und steigt ueber die kartons in das malzimmer zurueck.

der flohmarkt war in einer anderen stadt. die neue ist kleiner und enger, hier wird der himmel nachts noch dunkel und nicht erleuchtet, nicht lichtverschmutzt. ems schaut aus dem fenster. er kriegt kopfschmerzen. natuerlich schaue ich aus dem fenster und nicht durch die wand. an der wand haengen vielleicht bilder oder sie bleibt leer. bei jeder erfindung die der mensch macht, erfindet er auch die dazugehoerigen probleme. erst ist die freude gross bei eisenbahn und gluehbirne. dann schaemt der mensch sich fuer das zugunglueck, oder weint, weil er die sterne nicht mehr sehen kann. jetzt eine stunde spaeter will ems doch mit dem fremden sprechen, der sich verwaehlt hat. die raeume werden abends groesser. er geht die wohnung im dunkeln ab, da er keine fassungen gekauft hat. im schlafzimmer stehen kartons und die wenigen moebel, die er besitzt. ein nierentisch auf drei beinen, auf ihm papiere. zwei buecherregale liegen unaufgebaut auf den dielen, die dazugehoerigen gebundenen gedanken sind noch eingesperrt. ems zieht aus dem stapel ein buch heraus, blaettert einmal hindurch. sieht den toten autor neben sich stehen und ueber die schulter schauen. es sind keine eselsohren darin, sagt ems, auch keine flecken. hab keine angst. beinah nur literatur von toten in den haenden, er weiss nicht ob es gut ist oder nicht. ihm wird kalt. in der kueche steht er herum, haelt das brillenglas ein drittes mal unter den hahn, wischt, schaut. das wasser perlt. die kopfschmerzen sind verschwunden. ems traegt keine uhr, merkt aber, dass es spaet ist. er legt sich nicht aus muedigkeit auf die matratze, sondern aus vernunft. er liegt lange wach. [pn]

totret wird tetrot

wer ihm begegnet, zweifelt nicht, dass es geister gibt. bleich ist er, wird von den schatten gezogen. seine wuensche haelt er nicht zurueck. der name ist in seinen oberarm eingeschnitten. sein vater war so guetig, dass er ihn nicht vergessen kann. er schlug immer mit der offenen hand, die richtungen waehlte er nach belieben, nur der schwung war aehnlich stark. die arme waren nicht behaart, sondern glatt. seiner mutter wollte er nie begegnen, sie verschwand in der flasche und sorgte sich nicht. ihre augen waren klar, ihre haut perlmutt. ihr hatte er es auch zu verdanken, dass seine haesslichkeit nicht zu vollstaendig war. es lag eine morbide schoenheit auf ihm. blasse falten und glatze, rote augen und helle brauen. mit den langen fingern, die er peinlichst pflegte, konnte er jedes messer halten. zum rasieren schloss er gerne die augen und spiegelte sich an der innenseite. seit der pubertaet schwollen seine beine an und fuellten sich abwechselnd mit fluessigkeiten, so dass er an beiden beinen humpeln lernte. die schnelligkeit langte jedoch, dass er beinah jedem davonlief. in seinem gang versteckt die wuerde eines prinzen ohne koenigreich. er trug gerne braune cordhosen und dunkle oberbekleidung, in der papier und tabak steckten. der anzug verblichen und verbeult , von den schwingenden armen, die zu lang fuer den koerper waren. er kaute oft an den innenseiten der backen, deshalb waren diese regelmaessig entzuendet und grau. seine wimpern mochte er mit asche tuschen, so laesterten die leute. tatsaechlich waren sie von aussergewohnlicher eleganz und laenge. keine frau konnte es ihm in dieser hinsicht gleichtun und seine blicken ebbten die situationen ein, zwangen zum wegschauen , nahmen gefangen in diesem verzweifelten gesicht. seine stimme war tief und kratzig, er stiess die luft aus den schweren lungen aus, beissend in den endungen der kurzen worte, die nur durch notwendigkeiten bedingt waren, die das zusammenleben in der stadt bedurfte.

er zwang sich durch die gassen, in dem eindruck an die waende gepresst zu werden. die backsteine klebten an seinem ruecken. er triumphierte mit den grimassen. begegnete ihm eine schoene frau, so strich er seinen gang zurueck und beugte die schultern auseinander, schob das hinkende bein wie einen stock nach vorne und sah sie scharf an. sobald sie verschwunden war sank er in seine schatten zusammen. die schirme wurden vor ihm ausgeklappt und manch einer der herren trug seine dame zur sicherheit auf die andere seite der strasse. an einigen tagen wusch er sich lange das gesicht und schaute in seine eigenen augen, in denen er sich erneut gespiegelt sah. dann nahm er ein stueck kachel und zog ein oberlid herunter. er wollte sich mit einem schmatzenden geraeusch den apfel entfernen, damit er dahinter sehen konnte. meistens geschah dies an einem sonntag, wenn er das geld ausgegeben hatte und der wind um die ecken seines hauses draengte. dann brannten in der wohnung kerzen auf dem boden, er sass in einer ecke des raumes und segelte ueber dieses flammenmeer. sog den billigen wein ueber die schmalen lippen, wartete auf die kopfschmerzen. im winter zog es ihn dann in den morgenstunden auf die strasse, wo er still das gesicht in den schnee legte und es abrieb. rot stand er dann oben vor dem spiegel. liess lange speichelfaeden aus dem mund haengen und schnitt diese mit einer schere ab.

seine lieblingstiere waren fliegen und schnecken. die faszination fuer alles was an den waenden lebte und in kleinen loechern , war schon als kind in im aufgestiegen. dann wurde er vom vater oft von seinen beobachtungen fortgetrieben, mit einem tritt in die seite oder einem schlag mit dem schuerhaken. in der schule liess er sich dann nicht sehen. der vater lachte ueber ihn und spuckte den gebrannten in den reis, den es zu fressen gab. seine stimme war auffallend hell und passte nicht zu dem hageren und trockenen mann. hohn ist der lohn, mein sohn.

dieser satz war an der wand aufgehaengt, die tuecher schwankten und schmutzten von alleine.er mochte sich heute nicht anziehen. mein name ist totret , sagte er sich und schwieg. er brachte den eimer kot auf den hof, wo eine katze aus einer pfuetze trank. er wollte sie mit einer kohle verbrennen, da stieg ein gedanke an seine freundin aus ihm heraus, blieb dann doch in ihm stecken, wie eine scherbe in einem pferdehals. er trank aus der flasche, die an seiner hand klaffte. totret leckte an der wunde, die er in die katze gezogen hatte, er sah lange in das rosa und fror dann. seine freundin hatte einen netten namen, doch er nannte sie flammenkind. er vergab andere namen und toente sie in seiner kammer. dort war sein reich. in dieser katze steckte viel leben, zart nahmen seine haende das tier und gruben ein loch, dass die finger schwarz waren und hart von der erde. totret legte blumen und bunte kiesel in das grab, es machte ihm freude und legte stille in seinen kopf, wenn er sorgfaeltig war. er war es gerne.

beinah der gesamte nachmittag war verstrichen und der abend kam zu besuch. totret sass lange an der kleinen grube und weinte. eine nachbarin ging kopfschuettelnd an ihm vorbei. sie hatte wirre blonde haare und muehte sich mit einem sack mehl. er wusste, dass es unnoetig war ihr zu helfen. sie hatten alle angst vor ihm. fraufrau war schon bei den netten treppenstupfen, die in den bernsteinturm fuehrten. der sack hatte eine braune faerbung, sah unappetitlich aus. willst wohl schmutzkuchen backen? totret stand so schnell auf, dass die luft um ihn absackte. er wischte sich das pfeifen aus dem gesicht und trat naeher, weil er die schweissperlen auf der stirn und lippe der fraufrau sehen wollte. ihr gesicht war toter als seins. mit schmalen alten schultern zog sie das schwere mehl in die wohnung im parterre.

totret haette gerne hineingeschaut, die tuer wurde ihm zugeschlagen. er blieb im flur, wo dass licht schon ausgefallen war. dort stand er und roch das holz und das fett der armen leute. ihm gefielen nur der tag und die nacht. daemmerung und morgenroete langweilten ihn, so schloss er lange die augen, wenn sie eintraten. kontrollierte vorsichtig die fortschritte. totret hatte hunger, spuerte in seinen innereien einen kreuzzug und leere, frauen weinten um ihre maenner. soldaten ruhten auf den huegeln und verachteten die marschaelle, die ihre befehle gegeben hatten. artig blieben sie und hungerten. totret sang bei jeder stufe einige worte aus seinem ausgedachten lied ohne ende. jedesmal wenn er sein dickes bein hochgezogen hatte fielen ameisen ueber das andere her, die muskeln waren hart und unnachgiebig, sehnten sich nach ruhe. vor seiner tuer hielt er inne und oeffnete die holzkontruktion einen spalt, fasste mit der hand hindurch, die er lieber hatte. seine verhasste hand musste immer alle niederen arbeiten uebernehmen, deshalb waren seine arme auch von einer grotesken asymmetrie, die ihm gefiel. er fuehlte die kalte luft an sich vorbeistroemen, sein brustkorb senkte sich, als betaeubte ihn die guete des moments. totret stieg mit schwung hinein und wischte ueber seine stirn. er brauchte die tuer nicht zu schliessen, niemand haette es gewagt in seine zimmer einzutreten. stoisch stellte er die schwarzen stiefel an die tuer, so dass sie einwaerts zeigten, die spitzen gerade, die loecher zu seinem mekka gewand. es war dunkel und stickig in den raeumen. haette ein lichtstrahl platz gefunden, waere der staub in ihm getanzt. tetrot wollte noch ein bisschen schweigen, bevor er lamentieren wollte, stundenlang. zuvor ass er ein wenig brot und schmierte mit der schlechten butter ueber den tisch und seine kante. so konnte er am naechsten morgen mit den fliegen erwachen, liess sie auf sich landen, war dann ganz ruhig und stellte sich so manche frage, wenn er zusah, wie sie ihre beine aneinander rieben, um dann ueber ihn zu steigen und zu kitzeln, dass er lange lachen musste.

in dem pyjama war es heiss, er steckte unter vielen decken eingeklemmt. sie kratzten, doch er wollte sie behalten. an seinen haenden schwere handschuhe, wie sie die maenner oft am hafen trugen, wenn sie eisenteile schweissen wollten. er hatte sie beobachtet, das war schon lange her, doch war er wiedergekommen, bis er handschuhe zusammenfinden konnte. leider zwei linke und kein ganzes paar, es war ihm recht, ein grund fuer seinen stolz. totret fand sich huebsch in seiner muetze, die er zum schlafen trug. in einem alten geschaeft hatte er einst ein schild gesehen aus emaille, auf dem ein junge in einem sprossenbett gefangen war und seine haende zum mond erhob. dort wo der mond die fratze hatte, war wohl ein glaesschen mit einem brei abgebildet. totret zog die winkel nach oben. der junge wollte den wohl gerne fressen und hatte doch sein muetzchen an. es war sehr fein mit einem grossen roten bommel, der wippen wuerde, doch war die zeichnung starr. totret hatte oft gesucht und hoffnung lag in seinem mund, doch nirgends zog er eine solche muetze aus dem schlamm. er kaufte eine andere, kaum schoener, am markt. welch eine freude, dass er nun mehr keine kraempfe hatte, wenn er einschlief. muetzengerechtigkeit, sagte er und schwitze unter der last der decken. zur strafe ueber seinen gedanken legte er sich die stoffe bis an seinen hals, damit er durch ein muenzengrosses loch atmen musste. genau zaehlte er jetzt die schafe, liess sie hoch springen und wartete auf den schlaf.

der wird mich schon nicht fressen. totret stand unter der laterne, dem neonneon und betrachtete die strasse wild. so viele geher und die ziele? ich bin ein weiser. zog den rotz tief ein. an dieser kreuzung fahren alle autos gleich, erbost lief er zur ampel und griff nach der strippe, die eine glocke laeuten liess, damit noch alle herschauten, wenn ein koenig ueber den zebrastreifen ging.

er war erneut so muede, dass er frauen folgen wollte. am liebsten denen, die den kinderwagen schoben, mit einer undurchsichtigen abfolge an schritten, die er anschwellen und verebben liess, machte er ihnen gerne angst. tief in ihm eingeschlossen, die bunten wuensche eines mannes , der vieles nehmen und nichts bekommen kann. die gischt an seinen mundwinkeln und der gang tobten einen angstpfeil in die koepfe dieser muetter. sehr still war er dann, wenn kraeftige maenner um die ecke bogen, machte sich dann klein und zu einem schwaechling, damit er nicht die fremden faeuste fressen musste. anmutig sah er eine dame von der seite an  die wissbegierig das hutgeschaeft betrachtete. er nahm sich eine rede vor, die seine guten seiten zeigen sollte. bei diesem witz musste er dann doch noch prusten, sehr stark. zerwuerfnisse, dachte totret. die hand der frau sammelte mit einem spitzentaschentuch den faden von dem mantel und hielt es ihm hin. er suchte nach einer erklaerung fuer diese stille, fuer seine fehlende boshaftigkeit. stattdessen nahm er vorsichtig das geschenk und laechelte. die dame erwiderte seine entbloessten zaehne mit anzueglichem blick, der vieles ahnen liess. totret stocherte in seinen taschen, fand eine zumutung an gegenstaenden, schmutzige und spitze meist. er federte auf den ballen und liess den stock kreisen.

eingehakt in seinen arm stolzierten sie den boulevard entlang, er konnte und durfte jetzt schon glaenzen. ihr rock war schwarz  ihren namen wagte er aus ihr zu holen, als sie lange nichts durch ihre schoenen lippen gesagt hatte. er mochte sie wegfressen, doch er wusste , dass er dass nicht durfte. nie duerfen wuerde. er sang ihren namen in sein inneres hinein , als er sie sprechen hoerte. lara.

ich treffe lara gleich. sagte totret und oeffnete die augen. er war in seinem zimmer. der schweiss war an den decken auf den boden getropft und hatte eine pfuetze gebildet. totret befreite sich von den decken und den schlafutensilien. war alles nur ein traum gewesen? er wollte schon hysterisch werden, dann schoss es ihm hart durch den kopf. ich sollte mich betrachten, sagte er, wie immer laut und deutlich zu sich selbst und eilte zu dem spiegel in der ecke. in den augen sah er flammen schlagen. dann legte er die wange an das spiegelglas. lara. lara. lara. war dies ausgetraeumt, im schaedel frisch gebacken, heuchelei im eigenen koerper? er stutze. so deutlich sah er sie und die begegnung. doch war er immer noch nicht sicher, kalt war ihm jetzt, er holte sich die decken und legte sie in einer zeremonie, die eine halbe stunde dauerte um den koerper. dann sehe ich doch nichts, schrie er auf und stiess die dicke wolle vom kopf. im zimmer war lara nicht, er sah aus dem fenster.

im hof stand die fraufrau und grub in seiner katzengrube. er stellte sich furios und krachte die treppenstufen herunter. trunken vor hass presste er den atem in das gesicht der schaenderin. wollte sie diese katzenliebe zerstoeren? sie sagte ruhig, dass sie zur vollstaendigen meldung an die behoerden auch beweise braeuchte, um tetrot aus der wohnung zu verscheuchen. zuchthaus, sagte sie und leckte sich die lippen, als sei honig draufgeschmiert. tetrot holte schon zum schlag aus mit der eisenstange, die er im flur gefunden hatte, hielt dann inne , verstohlen sah er sich herum. vielleicht sollten wir es drin besprechen? sagte tetrot und vergrub die spannung tief in sich. damit wir alles klaeren koennen. tetrot laechelte sich die erlaubnis dafuer zurecht. stimmt, sagte die fraufrau und wischte sich mit einem tuch eins ihrer doppelkinne sauber. er musste seinen schritt an ihren pressen , damit sie exakt zur selben zeit die wohnungstuer erreichten. hinter der schaebigen fassade, schlug er die haende mit gewohntem stoss gegen den ruecken und liess die frau schon fliegen ueber die treppen in den kohlenkeller. dann lief er schnell nach oben. ein alibi hatte er schon vorbereitet. er hatte doch geschlafen ohne zeugen, weil er alleine war. als beweis sollte ein traum ihm dienen, den er noch schnell erfinden wollte. selbst in der wohnung hoerte er das wimmern dieses fetten koerpers, dem jetzt die knochen aus dem fleisch ragen mussten. er wischte sich die lippen sauber. nach einigen minuten schlich er die vierzehn stockwerke hinab und hockte sich neben die sterbende, beugte sich sanft, in der hand noch einen warmen kuchen, von dem er fein die bissen nahm. in einem schatten schaelte er sich schnell ein kleines lager zurecht. mit einer decke, die er fraufrau um den kopf noch zog, daempfte er die klammen schluckgeraeusche und das keuchen. dann legte er die nackten fuesse an den hals, damit er fuehlen konnte, wie die waerme sie verliess. vielleicht bin ich ein philosoph, sagte er und staunte erfuerchtig, als er das dachte, in aufregung, dass es wahr sein koennte. das potential zum reden, habe ich ja, freute sich tetrot, der einschlief und mitten in der nacht mit kalten fuessen erwachte, die er muerrisch unter die decke zog. tritte weckten ihn, nicht gegen den schaedel , sondern auf die erde. ueber ihm riefen die kinder der fraufrau nach ihrem fressen, er musste sich die ohren zuhalten und ekelte sich vor dem kalten berg, der vor ihm lag. die sonne hatte eine schoene farbe und belebte seine sinne. lara, dachte er und fluechtete in seine wohnung, wo er muede liegenblieb.

stunden spaeter wurde er von einem klopfen an der tuer geweckt. die polizei schlug heftig gegen holz und angel. mit tiefen stimmen befahlen sie, die tuer zu oeffnen und zur befragung in den hof zu kommen, wo sie tisch und stuhl errichtet hatten. tetrot wischte sich die mueden augen, wusch sich guetig sein gesicht, bevor er kuehn und frei von sorgen die tuer schon oeffnete und die arbeitshand zum recken straff dem polizisten gegenschob. dieser mit schnauzer und hornbrille kuemmerte sich nicht um seine haltung, befahl zum hof und stieg dann rasch die stufen runter, tetrot folgte ihm so brav er sich dies vorstellen konnte. im hof tauchten die anderen bewohner auf, kein nicken, nur die stummen augen ueberall, sie sahen einander voll misstrauen an. der schlagstock zeigte abwechselnd auf einen zeugen und holte ihn an diesen tisch. tetrot, schon klamm und voller vorfreude sah an sich herab, dann war er bleich. die haende und die arme waren rot vor blut und schmierig. wie hatte er dies uebersehen? in einer fremden brille sah er, nachdem er den entstprechenden winkel erraten hatte, dass auch sein gesicht so rot war, dass es mehr als schamesroete zeigen sollte. zum glueck stand er recht nah, an seinem fuss glaenzte eine kleine scherbe, die er in sein alibi erfassen wollte. schnell waren ein zwei schnitte im gesicht und auch an armen. das ritzen machte spass, beinah konnte er sich nicht stoppen, wurde aber aufgerufen und zum tisch geholt. besser in die klapsmuehle, als ins irrenhaus , sagte er laut und aergerte sich gleich darueber. der beamte schien es nicht gehoert zu haben, jedenfalls reagierte er nicht darauf. die fragen waren einfach, sein traum als alibi sehr stich- und hiebfest aufgenommen, dass die beamten auf den boden gucken mussten und traurig waren, ohne taeter abzuziehen. der mit der brille war gerade dabei ein kreuz im formular zu machen, an einem kasten ,wo UNFALL vorgezeichnet war, als dumpf und leise eine frage nach vorne drang, so dass sich tetrot auf die zunge beissen musste, nicht wild zu werden und sich zu drehen. jetzt erneut, lauter und verstaendlicher, dass sie im ganzen hof zu hallen anfing: was meinst du mit irrenhaus, statt zuchthaus, tetrot? tetrot sah sich auf die wunden und liess leise eine traene fallen. der beamte verstand nicht, war schwer von begriff, die kollegen schon gegangen, jetzt stutzte sogar er. sah mit den augenbrauen auf den hof und die versammelten bewohner hinab, vom stuhl herunter, auf dem er still gestanden hatte, um wuerdevoll auszusehen. er schaute so langsam, dass man ein fragezeichen in den augen entstehen sah. tetrot bitte hervortreten, schnalzte er mit der zunge. das blut um tetrot hatte kleine kreise auf den sand gemalt. er schluckte wild, trat dann mit einem schritt nach vorne. [pn]

beschreibung einer fiktiven oper

der reflex ist fair. die zuschauer , hintereinander gestaffelt im saal, stabilisieren ihren blick am horizont der buehne. auch wenn die linie schraeg im bogen verlaueft, laedt sie trotzdem einig drehend die blicke ein. die bretter der buehne sind noch aus holz, nicht aus keramik, die welt stuerzte noch nicht ein. der vorhang wird gezogen, oeffnet sich wie ein maul, vor dem gaumen steht der herold , sprueht die noten aus den kehlkopf aus. autistenchor im hintergrund, sehr leise, das geknirsche in den reihen ist vollzug, entspannt lassen sich die seelen fallen, eingebettet in anzuege und strassenschuhe. hochgesteckte frisuren, erinnerungsperlen um den hals gelegt, die vermeintliche belohnung ist der einfall, ist die reine stimulanz. nervenkichern, kinder die zu hause milch zum ueberkochen bringen. wohnungsbrand in eiliger dramatik eine haeuserzeile weiter, er versteckt sich hinter eintrittskarten. die anwesenden finden motive und behauptungen wieder, die toene stecken wie nadeln, koerperkontakt nicht gewollt, nur ausnahmsweise.

attitueden der conditio humana, die gespraeche sollen nur ansatz sein fuer beruehrungen. alle werden im opernhaus devot, umsponnen von einer herben frau, abseitig. hier denkt niemand an die blosse schoenheit, es geht um das zuruecksinken, um das herunterschlucken von verstimmungen, die unter augenlidern haengen, dann auf die trommelfelle folgen. es bleibt zu wenig fuer ein gespraech danach und zuviel, um zuvor zu schweigen. dilletant, der jetzt nicht an den alkohol gebunden ist. im kino wuerde sich der kopf erst erschrocken drehen, die blauen gesichter betrachten, gefallen finden an der erkenntnis, einer von vielen zu sein und geblendet von der furcht sich aufzuloesen.

der zuschauer wuenscht sich als omnipotenter betrachter ein freiwilliges gefaess fuer gefaellige gedanken. selbstvertrauen baut die mauern ab, ist zahnstocher fuer den geist. es befreit von der karioesen betrachtung durch das gegenueber, das die grundangst nicht anruehren mag, das zum fressen zu satt ist. es wischt sich den mund von fetten taten ab, blickt mit glanzaugen nach vorne.

auf der buehne stellt sich jetzt mehr als betaeubung ein. die fragen, die erscheinen werden wieder vergessen. gier nach moeglichkeiten, die tagesform urteilt ueber das gelingen. die staerke im kragen haelt den kopf gerade, die aermel sind schmutzig vom aufheben der eindruecke, die haende taub vom zerren am ton der situation. als richtungsweisend gelten die, die vorne oder oben in den logen sitzen. meinungsbuesten, armor im kettenhemd. gewaltenteilung fuer den geist, stolz ausgekleidet mit einer schutzschicht, wie im pappkarton. kunstfertigkeiten werden in ein rechtes licht gesetzt.

der vogelzug am himmel ist verdeckt von tapetenornamenten und kronleuchterglanz. im letzten akt haben die anwesenden das stadium des hungers ueberwunden, handinnenseiten legen sich auf knie, die gehoeren und nicht. mit seitenblicken wird die aufmerksamkeit der nachbarin geprueft, die standhaftigkeit in sequenzen unterteilt, trennlinie um trennlinie, matrizenwalze, die von der buehne rollen will, gehalten wird von rezipient zu rezipient. im orchestergraben ist in dem paukenspieler eine krankheit aufgestossen, sie faellt ueber ihn, wie ein ungewollter tausch. [pn]

goedels nachmittag

goedel stuetzt sich an der tischkante. der apfelstrudel ist noch auf dem teller. die gabel steckt in der kruste, senkt sich zur seite nach und nach. kampf um die kontrolle. kurt stellt die gabel wieder auf, obwohl er kein physiker ist. ich kannte albert einstein, denkt er, es irritiert ihn, da er in einstein eine persoenlichkeit sieht. er betrachtet den weissen teller mit blauem rand, nach einer handbewegung liegt alles auf dem teppich, in einem lichtbild, durch das sonnenlicht gesteckt. ist dies eine zahl? er schaut seine hand an und dreht sie. es ist eine alte hand geworden. goedel denkt, er wurde schon immer fuer das denken bezahlt. ernuechterung ist ein unangenehmes gefuehl. sie wiegt mehr als schmerz, da sie eine taeuschung enthaelt. sterbe ich schneller? goedel betrachtet die hautschuppen, den muskel, der sich hebt, wenn ein gedanke in ihm will. die falten auf der haut erscheinen so, als haette er sie zum ersten mal gesehen. bei welcher bewegung sind sie entstanden? bei einem haendedruck, beim oeffnen einer tuer, bei der beugung der finger an einem frauenhals ? wo ist adele ? goedel blickt sich um, er sieht die buecher an den waenden. sie machen ihn besoffen. alles besteht aus gedanken, alles. er spuert ein licht im kopf, laesst es dort gerne liegen. die beine machen einen gang zum fenster, die hand greift nach der braunen gardine. goedel fuehlt den stoff. unwillkuerlich lacht er auf. er fuehlt sich als sei er der letzte gegenstand in einem raum. als sei er eine andere farbe, oder ein anderer ton. bei allen gemeinsamkeiten mit der welt bin ich doch allein. er stellt die gabel wieder auf. steht wieder am tisch. adele ist auch alt geworden. goedel dreht die photographien in den rahmen um. er will sich nicht sehen als jungen menschen. sein geist fuehlt sich jeden morgen neu geboren und ist berechtigt eine entschuldigung auszuspucken, als sei es bloss sein erster tag. wie jeder erste schritt, ist der geteilt in angst und freude. unbehagen vor entscheidungen, das er in sich getragen hat. jetzt weiss er nicht, was er meint, wenn er verlangen hat nach impulsen, die ihn vorantrieben. an seiner tafel zieht er ein paar zahlen auf, nur um die konturen in sich aufzunehmen. addiert ein wenig, bleibt ganz schlicht in dem beruf. sie haben eine berufung, herr goedel. es ist uns eine ehre sie hier zu haben. so lachten sie und waren froh nicht selbst verloren zu sein. goedel spuert die ebene auf der er denken kann, stellt die kuchengabel wieder auf. adele ist verschwunden, sie haben sie genommen. krankheiten ueberall. dafuer gibt es ein krankenhaus und aerzte, die er schon immer bewundert hat. ihre handlungen sind weniger abstrakt. machmal schlug er einen nagel in die wand. nur um die wirklickeit zu spueren. er hoert gerne zu, wenn andere sprechen, es zerstreut ihn. goedel merkt, dass er im kreis gegangen ist. in einer ellipse vom fenster zum tisch, dann naeher an den teller gebeugt, die schaerfe verlagert sich, die augenmuskeln zerren, das gleichgewicht wird gefunden, stromschlaege im kopf, rueckkopplungen, dann vielleicht traenen oder ein kratzen oder wort. kurt trinkt ein glas wasser, spuert zahlen auf der zunge. nichts beruehrt sich wirklich. alle quantenteilchen stossen sich voneinander ab. ich habe nichts in meinem leben beruehrt. ist das meine wissenschaft? es ueberkommt ihn das wasser auszuspucken. das fenster klemmt beim oeffnen, er muss eine uhr von der fensterbank nehmen.im mund wird es warm. goedel spuckt das wasser in den busch, sieht die wasserbrocken zerreissen, in der gravitation um zusammenhalt kaempfen. ein flugzeug zieht im gleichen moment vorbei, wirft einen schatten auf die haeuser, ein passagier schaut aus dem bullauge auf goedels haus und lehnt sich dann zurueck. er sitzt im heck der maschine, spuert dort wie sich der koerper von einer anziehung befreit. goedel kennt den mann im flugzeug nicht, es ist der vater von dem krankenpfleger, der jetzt an adeles bett steht und einen arzt holt, weil sie schwerer atmet. ihr ist das gesicht schon leer geworden. sie kann sich nicht um kurt kuemmern. ihr letztes gefuehl ist verantwortungsbewusstsein. der schlaf, der ueber sie kommt, schmerzt nicht. goedel schliesst das fenster und stellt die uhr zurueck. er denkt an sein unvollstaendigkeitsgesetz, als er den kuchen betrachtet. ein wespe hat sich auf ein apfelstueck gesetzt und im zucker verfangen. ein fluegel klebt fest, riecht jetzt nach zimt. goedel holt eine pinzette vom sekretaer. er ueberlegt, ob er die wespe befreien oder hineindruecken soll. [pn]

der schreck

es gibt keine monster, sagt der vater und ist sich dessen selbst nicht sicher. er gewoehnt sich die manierismen im gesicht ab, er moechte ein jugendstilgesicht. mit der linken hand schaltet er das licht aus. das kind schaut ihn an, schliesst dann schnell die augen , weil der vater nur noch stimme und schatten ist. die tuer wird mit anstrengung geschlossen, sie ist zu gross fuer die zarge. am wochenende hat der mann mit werkzeug zeit sie zurechtzuschneiden. schlafe gut, sagt er in den bunten raum hinein und wundert sich ueber dieses angehaengte e an dem wort. es klingt so final. so sollte es nicht klingen. schlaf gut, wiederholt er. der vater schuettelt sich im flur, hoert sich selbst atmen. die bilder sind noch nicht aufgehaengt, braune umzugskisten, die jetzt grau sind in der dunkelheit. die buecherregale passen hier nicht mehr hinein. er laesst sich nicht die stimmung verderben. wieso magst du kein licht? fragt ihn das kind. er weiss es nicht. es wird wohl besser sein. jetzt ist die nacht doch da. er lacht, verschluckt die laute, muss sie im hals zusammendruecken, damit er keinen laerm macht.es soll doch schlafen koennen. das lachen kitzelt wieder im hals. aus der kueche holt er ein wasserglas, beim zurueckgehen tritt er nicht von der teppichkante herunter. er will sich nicht verbrennen, das waere ein schwerer fehler. der vater, er ist ein bisschen dunkel angezogen, legt das duennwandige glas an die kinderzimmertuer, presst vorsichtig ein ohr daran. er hoert nichts. mit einem finger kratzt er leise an das holz , erst vorsichtig, damit es aufwacht und zeit hat den schlaf abzustreifen, dann mit dem fingernagel unter den weissen lack. es soll beinah echt sein. er hoert das rascheln der gestaerkten decke, wie spitze ellenbogen den verschreckten oberkoerper stuetzen. der vater schlaegt jetzt dumpf und leise gegen die trennwand. von unten. rollt ein tiefes geraeusch aus sich heraus, scharrt mit den fuessen. ein stethoskop waere besser. er trommelt mit den fingerspitzen einen takt zurecht, bis er ein kleines weinen hoert. er sieht wie die decke ueber einen kopf gezogen wird, fuehlt das zittern bis in den korridor hinein. mit grossen weichen schritten geht er auf der kante in das bad. dreht dort die sanduhr um, die ihm die dauer des zaehneputzens zeigt. die buerste traegt gebissabdruecke, weil er sie oft lange im mund behaelt. als er im eigenen bett ist, wird er im schlaf in seinem traum eingesperrt. er steht in einem feld von winterweizen. blosse aehren, die in den himmel zeigen, in dem nichts ist. es ist kein ton zu hoeren. er hat hier keine schuhe an. das gehen ueber diesen grund ist ihm nicht angenehm. er wuerde gerne sitzen, doch ist hier nie ein stuhl zu finden. es gibt hier nichts zu tun, wie jede nacht. er wartet ab, bis es vorbei ist, bis er erwachen darf. am naechsten morgen laeuft dann die routine ab. doch diesmal ist es anders, der schwarze mann hat diese nacht sein kind gefressen. [pn]

marlene dietrich an der front

nahe der stadt nancy, der jeep saegt sich den huegel hinauf. dietrich haelt den kopf nach unten, das gesicht gegen die knie, die zaehne aufeinander. bei jedem erdloch hat sie angst blaue flecke auf das porzellan zu bekommen.die wollen nur zehn minuten ablenkung, sagte der von der armee, wenn die dietrich bei den jungs ist, kann es nicht so schlimm bestellt sein. grelle faustschlaege um das fahrzeug, es faehrt scheinbar im kreis. die tuer wird geoeffnet, selbst aus dieser schutzhaltung entsteigt die grosse frau, wie aus einer maerchenkutsche. schlanke stiefel aus kalbsleder treten auf dunkelgruenes moos. in der baracke ist es dunkel, zwei GIs halten wunderkerzen und eine flasche in der hand. der vorgesetzte zoegert, er weiss nicht, wie er sie begruessen soll. marlene trinkt zwei glaeser calvados auf leeren magen, uebergibt sich auf der toilette. das erste lied singt sie leise, ein akkordeonspieler begleitet sie. die maenner schauen durch sie hindurch, unrasiert. beim zweiten lied breitet sie ihre stimme aus, ein nachtvogel hat sich im tarnnetz zwischen den baeumen verfangen, bricht mit seinem geschrei hinein. sein fluegelschlag ist aufgebracht und trocken. schichtwechsel, die eintretenden sehen als erstes die zusammengebundenen haare der frau. eine frau. die dietrich beherrscht sich grosse bewegungen zu machen, sie kann nur einen teil der hoffnungen wecken. wer von ihnen ist selbst musiker oder poet? wer ist es nicht, der hier auch sterben wird. in diesem augenblick geht das licht ganz aus. jemand stoesst ihr einen finger in den ruecken. sie zuckt zusammen, wird hinausgezogen. am horizont sieht sie bunte kurze blitze und wundert sich ueber die ruhe. der offizier, der ihren arm haelt, sagt , dass diese uhrzeit nachtruhe heisst, selbst die haubitzen schlafen dann fuer eine stunde. sie gehen zum naechsten unterstand, im orangen himmel steht ein aufgetuermter cumulus.

die dietrich singt das naechste lied, die flasche calvados haelt der offizier hinter dem ruecken bereit. wenn ich gefangen werde, sagte marlene dietrich vor dem abflug, dann glauben sie nicht, was ich im radio sage. die zwingen mich dazu. davor und nicht vor dem tod, habe ich angst. der general oder sonstwer gibt ihr eine kleine pistole, nur symbolisch. die soldaten zwaengen sich zusammen, die dietrich steht in einem kreis voll sehnsucht nach ruhe. jeder moerder wird im krieg gesund. ein mann macht sich die zigarette heiss, gestern hats dem freund die lippen ausgerissen. solche kuesse hat die saengerin noch nicht gesehen. sie strengt sich an nicht wie ein eindringling zu wirken, sie bleibt drei tage, das sollen die soldaten nicht sehen, die staendig stahl umarmen. sich haende verbrennen am heissgeschossenen gewehr. sie wollen alles klar und deutlich sehen, jetzt die frau mit langen haaren, morgen den feind im birkenwald. infantrie, heutzutage ohne trommler und stolze pferde. draussen wird gehupt, das rote kreuz ist da, die toten aufzusammeln. leuchtraketen von beiden seiten markieren die waffenruhe fuer eine stunde. die dietrich raucht eine zigarette, spuckt die tabakkruemel auf den boden. sie sah hundert zuendhoelzer, die ihr hingehalten wurden. sie gab sich selbst feuer, um niemanden zu kraenken. tragen und helfer laufen fuer sie durcheinander. als sie sieht, dass zwei maenner am huegelrand mit fernstechern stehen und in feindesrichtung schauen, hat sie eine idee. die folgenden dreissig minuten legt sich ihre stimme ueber das feld und dringt bis zu den deutschen. es hallen mehrere schuesse der bestaetigung, als sie lili marlen singt. auch hier auf der anderen seite sammeln die soldaten ihre koerper wieder auf und denken an einen anderen ort. [pn]

mouches volantes

im zweifelsfall in den irrgarten gehen, welch eine direkte beschreibung. ich streife nur so durch die stadt, in der hoffnung dich zu finden. es ist erschreckend heiss, dies ist etwas , was ich fuehlen kann. dessen bin ich sicher. ich habe weisse waende geliebt, jetzt habe ich sie satt, weil ich darauf meine muecken tanzen lassen kann. wieso ich dies erwaehne, weil sie nicht gehen wollen,sie zwingen mich zum augenschliessen, zur krummen handlung, zur einfachen tat. die kranken augen wechseln nur die kranken ohren ab, sie haben sich geschworen mir etwas zu zeigen, einen oder zwei punkte auf die welt zu zeichnen, damit ich erinnert werde, an meine lebensweise. affektorientierung, als sei eine oper abgebrannt, haette ihre ueberreste stehenlassen, eine kultur , die sich von maschinen ficken laesst. neben mir streifen sich die maedchen die haare aus den gesichtern, alle hoehnen sie mich an, beweisen mir, dass sie ueber mich herrschen, weil sie bedrohlich weit weg sind, nach beruehrungen gieren. in meinem kopf senkt sich nicht nur der glaube, sondern die hoffnung. suendenpfuhl, in konzentrischen kreisen gehe ich, scheinbar auf einen kern zu, doch im augenblick scheint der weg in die entgegengesetzte richtung zu weisen. ich habe dieses konjunktiv satt, die wandernden augen. die schluckbewegungen des kehlkopfes , die suche nach dir in einem fremdgewordenen stattdir. wenn ich meinen namen sage, fallen die zeiten ueber mich her, jemand hoert mich an, ich bin kurz froh, dass die augen klar sind. ich werde den weissen winter hassen, die kaelte wird mir die glaskoerper der augen haerten, in einer merkwuerdigen toleranz. ich sitze still und schaue mich um, rieche den zwanghaften zug, die spaltung in meinem charakter, weil die wuensche gestorben sind. soweit darf man nicht gehen, denn es kann nur in zerstoerung fuehren, wie jede sekunde entsteht, sinnlos schwingend. der suchtgedanke, das potential zur freiheit, die idee sich eine eigenschaft zum feind zu machen, phobie oder stoerung nur ein mittel der gestaltung. in einer welt wo die normalitaet der absurditaet gleicht. nur kein hungergefuehl, sich in den spiegel hineinstellen und den speichel bitter finden, den bauch eingezogen, die haare im gesicht, fehlverhalten in der stuetze, nach vorne gebaut das rueckgrat, weil die blicke gesenkt sind auf den asphalt. so geht man den kirchengaengern hinterher, die pfluege ziehen. es ist schwierig, alles baustelle. gleichzeitig halt. die konzentration schwindet, bewegliche kameras studieren uns, folgen als mechanische puppen. kleist wunderte sich, es fehlte ihm der abstand zu sich selbst. deshalb folgte ihm eine frau und zeigte ihm, was liebe genannt wird. in das chaos hinein, dort wo er die glieder an stricken tanzen sah. das wissen um ein gewissen, im griff der moral gefangen wird die tat zu einer geste, die unverstanden bleibt. es werden ebenen montiert und gefunden. abstraktionswuensche in einer blockierten welt. es stinkt nach petroleum in den strassen. ich sehne mich nach den gaslaternen zurueck, globalisierungkrieg in der sicheren zukunft. die staedte im neonlicht nachts erstahlen lassen und im schmutzigen morgenlicht vermischt das elend zeigen. dies ist unser plastik, das trage ich im mund. nur in der liebe sind die mittel frei, im krieg schon lange nicht mehr. in den haenden der passanten um mich herum strassenkarten, die an die orte fuehren, die lebendig eingemauert sind. in einer starre fuer immer tourist sein. man moechte das wort bild und inhalt nicht mehr in den mund nehmen. die gasse fuehrt in die interpretation, aus der es zu viele auswege gibt. die intelligenzia stirbt heute nicht mehr aufgrund der falschen politischen coleur, sie wird nicht entfernt durch unfreiheit, sondern durch zu starken antrieb, eine geschwindigkeit, die sie zerreibt und untaetig macht, wie einen verwundeten, der im bett gefangen ist, dem die sinne schwinden. es kostet viel das weghoeren und zustechen, zu bett gehen mit der richtigen erfahrung, ich befinde mich in der metabolischen windstille, die tabletten treiben mich voran, wie ein illegaler motor in einer bucht, wo nur segel im meer stecken. klavierstimmer gehen an mir vorbei, ich lege ihnen die berufe ueber das gesicht, diese papiere, nur pergament, sie reissen ein und zeigen die pest, weil ich diese sehen will. [pn]

wie gehst du mit deinen kindern um?

der streifenwagen faehrt routiniert vor, aus ihm entsteigen zwei beamte, ziehen im selben moment die plastikhandschuhe an, wie die saeuferfrau auf dem balkon ihre kleider aus. einer kann gerade noch den kopf abwenden, da platzt neben ihm eine bierflasche auf den asphalt. mach die tuer auf, ruft der andere. sie sind alte bekannte. die haustuer in dem mietsbau ist milchglas, dahinter zeigt ihm die alte ihren mittelfinger. der kollege laechelt, warte bis ich da bin, er hat keine eile. dreht sich zum neuen und empfiehlt,er solle sich die nase zuhalten. die tuer ist offen, die zarge ist braun und abgegriffen. ich will den russen hier raushaben, schreit der im unterhemd, auf dem tisch wuehlt er nach zigaretten. fussballposter und ein wandschrank. auf dem bett sitzt ein anderer. die saeuferin ist aufgeregt, keift und gestikuliert mit einem portemonaie. ich will meine siebzig euro wiederhaben. was ist hier passiert ? die hand an der dienstwaffe, aber so , dass es niemanden nervoes macht. es riecht nach schimmel und selbstgestopften. ich will den russen hier weghaben. der im unterhemd steht nicht auf, sein mund laesst spucke fallen. der neue schlichtet, sein kollege ist froh. jung aber kein dummkopf. der russe ist still. die personalien werden ueberprueft. alles in ordnung? der russe soll gehen, es wird lauter. kollege schaut auf die uhr, es ist doch erst mittag. unterhemd verneint, er habe das geld nicht. die alte kriegt einen platzverweis. routine. auf der strasse will sie zurueck, sagt sie habe das bier vergessen, eine blaue duenne jacke hat sie in den haenden, eine zigarette im mund. dem kollegen faellt eine taetowierung am oberarm auf. suende. der russe schaut auf, er sammelt etwas vom boden in der wohnung. der im unterhemd ist auf dem hocker eingeschlafen. ihm steht in wenigen wochen ein herzinfarkt bevor. der kollege sieht der saeuferin nach, sie geht an einer gruppe kinder vorbei, die ihre fahrraeder abgestellt haben. er hoert die tuer des wagens schlagen und den motor starten. das funkgeraet meldet einen exibitionisten. [pn]

andreas ems sagt

anna war schon immer so schlank gewesen, dass wir uns am anfang nichts dabei dachten, als sie ihre tage nicht bekam. eine woche spaeter , ich war gerade auf dem heimweg von der arbeit, rief sie an und bat mich einen test zu besorgen. sie wollte es jetzt wissen, das sagte sie so, als haette ich nichts damit zu tun. damals dachte ich, sie sei nur aufgeregt gewesen. ich fuehlte nichts, dazu war es zu abstrakt. in der apotheke stand ich herum und wunderte mich ueber die verschiedenen arten und preise der schwangerschaftstester. hatten einige mehr funktionen? wie kann man aus allem ein geschaeft machen ? die ironie wollte, dass eine marke tests gerade im angebot zu kaufen war. wie erbsendosen im markt standen sie auf einem tisch gestapelt. ich hatte kein bargeld dabei, weil ich es fuers essen in der pizzeria ausgegeben hatte. die kantine hatten sie uns damals schon zwei monate dichtgemacht. ich bezahlte den test mit der karte, das lesegeraet streikte so lange, bis jemand aus dem hinterraum geholt wurde. fuenf euro neunundneunzig, die dein leben veraendern koennen. den kassenbon eingesteckt. jede handlung hinausgezoegert, am liebsten haette ich die apotheke nicht mehr verlassen, nicht um anna im stich zu lassen, sondern die situation zu verhindern. der apotheker schaute neutral, so wie sie es wahrscheinlich alle beigebracht bekommen. zu jedem medikament eine leidensgeschichte, zu jedem schwangerschaftstest eine unglueckliche familie. ich war ploetzlich wuetend auf diesen fremden mann, seinen weissen sterilen kittel, waehrend ich mit einem kleinen karton, auf dem ein gefaelliges model abgebildet war, vor ihm stand. gleichzeitig dachte ich an anna, die zu hause wartete und die wut war wieder weg. draussen auf der strasse hatte sich nichts geandert. im bus las ich den beipackzettel. gibt es soetwas wie stolze furcht ? ich wusste nicht, wie ich mich fuehlen sollte. ich dachte gleichzeitig an den streit zwei tage zuvor und an das lachen von ihr. daran, dass ich ihr nicht richtig zugehoert hatte in den letzten wochen.

als ich in die wohnung kam, sass sie lesend in der kueche. sie schien nicht betruebt oder aufgewuehlt. ich legte die schachtel leise auf den tisch. danke. mit kleinen schnellen schritten ging sie ins bad. wir haben beim warten nicht so viel geredet, jedenfalls erinnere ich mich nicht an etwas besonderes, wir waren eher still. was soll man in einer solchen situation sagen ? haben eine nach der anderen geraucht. nach einigen minuten stand sie auf und ich folgte ihr, obwohl ich spuerte, dass sie es zuerst wissen wollte. ich stand auf der schwelle und sah sie an. anna kippte den indikator gegens licht. dann gab sie ihn mir, sie war sich nicht sicher. im nachhinein weiss ich jetzt wieso es teure und billige tests gibt, die billigen kann man kaum ablesen. sie war schwanger. obwohl sie noch zum arzt gehen wollte, um sicherzugehen, wussten wir es beide. wir umarmten uns, draussen fuhr ein schwerer lkw vorbei. es war ein ganz anderes gefuehl sie jetzt zu umarmen, doch ich spuerte, dass sie mit offenen augen ins leere schaute.

[pn]

die stille kassandra

hinter mir das stuehleruecken, vor mir die scheibe, dahinter ein platz. wurde ich gedreht, ohne es zu bemerken? in den knien wieder schmerzen, vom anwinkeln und strecken. ich gehe nicht zum arzt. ich habe aerzte satt.selbst das wort irritiert mich, die hilfe nehme ich nur noch im notfall in anspruch, das erkennen faellt schwer, viel schwerer als sonst. wo genau liegt der punkt der wiederkehr, der moeglichkeit, der suessen. ich befinde mich an der harten grenze dieser frage, die scheibe schweigt. klopfen von schritten, mehr menschen treten ein, immer herein, die schmerzen im kopf werden nicht mehr schlimmer.

auf den roten steinen draussen sitzen tauben, weiss und grau auf rot. hier drinnen stinkt es nach comfort und schlechtem kaffeepulver, obwohl er unter dampf gepresst wird, ausgeklopft und eingefuellt. die tassen schwer, dies ist ein gutes zeichen, sie halten temperaturen angemessen. vorsicht beim blicken, die gaeste sind beschaeftigt, halten inne, haben muehe in dem grossen raum. kugelleuchten haengen von der decke, wir haengen auf dem boden. ihr durchmesser entspricht unserem abstand beim gespraech. ich brauche keine sorgen mehr, keine quadergestalten, sehne mich nach einem EEG. presse die hand in mein gesicht, in einer frequenz, die ein trugbild eines denkers erzeugt. beim letzten bild klappe ich mein bein aus, es knackt, die muecken tanzen vor mir, in mir, in meinen augen. aufgerissen bis zum anschlag, eingeschlafen die seele. niemandem befohlen, dass er mich wecken soll.

in der platzmitte eine erhebung, ergebniss einer flucht gen osten, ein brueckenschlag ueber den fluss mit namen rhein. eisenbahnen unter dampf, nicht mehr, ich luege, nur noch elektrische entladungen. jetzt ist es hell, nur das geraeusch ist hoerbar, nicht der funkenschlag. ich warte auf kassandra. sie soll nicht sprechen, sie spricht nicht. sie ist ganz still mit ihren hellen ellenbogen, ihr nacken kalt, der blick faellt an mir vorbei. das zoegern meinerseits, als sie hereintritt ist zur abwechslung echt, innerlich stehe ich auf, will sie begruessen, bleibe doch sitzen, drehe das buch um auf dem kaffeetisch, das ich gelesen hatte. sie traegt heute anthrazit, ich mag das wort mehr, als die farbe. kassandra bleckt die zaehne , giert durch den raum, an den anderen tischen vorbei, sie weiss , dass sie gesehen wird. geisterhaende liegen auf ihr und ihren nackten waden. beim durchqueren dieser kleinen halle, bleibt sie an einem tisch kurz haften und drueckt mit drehung ihres handgelenks die zigarette aus. blaest den rauch nach oben, wir, die zuschauer steigen mit ihm auf, bis an die decke, nur um eine neue perspektive ihrer schoenheit zu erhalten. augenblicklich bricht die aufmerksamkeit auf, jeder ist zurueckgefallen, auch ich. die geschwindigkeit, die verlangsamt worden ist wird aufgeholt, eingeholt , ueberdreht. die geraeusche schwellen wieder an, sie gruesst mich, ich stehe halb auf, druecke ihre hand zu fest. wir beide haben es gemerkt. sie setzt sich. ich habe mir bereits vor stunden vorgenommen, dass nicht ich anfangen werde etwas zu sagen. jetzt staut sich meine anspannung, kassandra hat es nicht so eilig. als sie die tasse hochnimmt und an meinem kaffee nippt hoere ich mich sprechen, er sei schon kalt. ich sehe sie an, weil ich sie haben will. sie macht es kurz und sagt, es kaemen wolken durch die fensterscheibe. ich weiss, dass sie die sonne meint. ich sehe, wie sie den kellner heranwinkt.

[ kassandra hat ein muttermal auf dem linken schulterblatt. es hat keine gegenstaendliche form, auch nicht die form eines landes oder einer anderen direkten assoziation. ich werde es trotzdem nicht vergessen und koennte es jederzeit zeichnen ]

das notebook ist heruntergefallen, es ist nichts herausgebrochen. auf den ersten blick scheint es keine veraenderung an dem geraet zu geben. mit zornesschamesroete hebe ich es auf und glaette die situation. die passagiere sollen sich wieder mit sich beschaeftigen. ich denke an datensicherung und meine zittrigen haende. setze mich wieder, stecke den computer in die tasche zurueck. jetzt nach den schaeden zu schauen waere ein unpassender hoehepunkt meiner vorstellung. sollen sie doch an der neugier ersticken. die u-bahn faehrt in einen bahnhof ein. mehr menschen steigen ein, es ist heiss, selbst im november. ich habe durst. ich hasse oeffentliche verkehrsmittel, vor allem, wenn ich sie ohne ziel benutze.

das gerede ist zu laut, die farben der einrichtung erzeugen stress, kreischen mich an. an der naechsten station steige ich aus, ohne zu wissen , wo ich mich befinde. an der oberflaeche stehen hohe haeuser, endlich. ich bleibe stehen und zaehle die stockwerke. einundzwanzig, so viele querstrassen werde ich kreuzen und dann nach geschmack abbiegen. meine muedigkeit ist niederschmetternd und irritierend. ich habe sechszehn stunden geschlafen, gedoest und hin und hergedreht. woher kommt sie? nimmt mir meine konzentration, zeigt mir wie lustlos ich bin, wie gewalthungrig, abgestumpft. der asphalt ist reines grau, neue organische wagen stehen an der strasse. wenige passanten. hier werde ich nichts fuer meine absolution tun koennen. der gedanke macht mir spass, ist jedoch kein ansporn mich richtig zu verhalten. eigentlich haette ich viele dinge zu erledigen, buerokratische und persoenliche, sie wuerden mir helfen und mich naeher an die herbeigesehnte struktur, die nur abstrakt beim ausbleiben geschaetzt wird, bringen. stress durch arbeit, stress durch fehlende beschaeftigung. durch uebermass und untertreibung. wind schlaegt um die ecke.

[ zwist und trockenheit. wie viele stimmen koennen einen menschen toeten. die perfekte waffe wurde einmal von den geheimdiensten im kalten krieg gesucht. experten haben geforscht, ob es moeglich waere durch eine bestimmte frequenz und erzeugung einer schwingung durch das telefon menschen zu schaden. der perfekte anschlag. ein mensch nimmt einen hoerer ab und faellt augenblicklich um oder verliert den verstand ]

es knackt beim kauen. auch in der nacht, wenn ich mit den zaehnen knirsche. meine zaehne leiden. an die vorstellung eine kauschiene aus plastik anzulegen, kann ich mich nicht gewoehnen. sie sagte mir, dass es ihr aufgefallen waere in der nacht. ich haette geredet. ich frage mich nach dem inhalt. meine schwester sagte mir einmal, ich wuerde im schlaf singen. das mochte ich nicht. mir selbst machte es immer angst, wenn anwesende im traum gesprochen haben. so klingen tote. so empfindsam, dass mir schlecht wird.

ich wuerde mir gerne das gesicht waschen, doch soviel kaltes wasser gibt es nicht. es kommt nicht aus der leitung, ist in keinem fluss oder meer zu finden. das gesicht brennt, wie nach einer chemischen attacke, aus dem dunkeln heraus, aus dem hinterhalt. ich frage mich, wie sehr ich mich infrage stellen kann. wieviel ist notwendig? wieviel gesund? mein zustand laesst mich herumgehen, in den strassen finde ich nichts, was mich beruehrt. habe gefuehle verlernt. an dem gefaengnis mitgebaut, in dem ich insasse und waerter bin. der direktor schlaeft. er laesst uns spielen, uns quaelen. bis die grauen haare kommen, die besorgungen sich von alleine erledigen, in der erde ist es kuehl, das tut der haut gut. dort schlaegt das herz nicht so schnell, es ist ertragbar. ich schreibe keine briefe, gehe nicht an das telefon, lege es unter decken, damit ich das klingeln nicht hoeren muss, zu feige es auszuschalten.

in der strasse malen sie die haeuser an.der ameisenstaat pulsiert. lastwagen fahren, bringen den billigen wein, das obst, das aus glas oder plastik geformt ist. nicht zum verzehr geeignet. wie oft trifft dies auf menschen zu, wie oft wurde dieser gedanke ueber mich verfasst. in den schaedeln traumata, in den haenden gewichte, in den augen sehnsucht. folgen, fangen, festhalten. ovid singt seine lieder bis in unser ohr. es juckt, dann kratzt man halt. ich beherrsche mich, im kaputtschlagen war ich meister, habe lust auf plexiglas. jedes material hat eine schwachstelle, vor allem der sack seele. unfoermig liegt er irgendwo im hirn. ein punkt, ein nervengeflecht. zum heulen schoen, wir die strommenschen. stroh. bloss keine feuer und wenn ja, dann sollen sie lodern mit sicherheitsabstand. ich bin einer von den verwirrten geworden? gemacht habe ich mich selbst dazu. kognition, der naechste schritt.

an der bahnschranke vorbei, dies ist nur ein lebensmittelgeschaeft auf der linken seite. schluesselgeklapper. hinein und gluecklich kaufen. so schrott und eintoenig diese haltung. zu einfach gedacht, nicht zuende gefuehrt. nichts zuende gefuehrt. draussen kippen die menschen die koepfe. ich sehe eine schoene frau und habe nichts davon. ich trinke einen kaffee, bekomme magenschmerzen. in mir rumort es.

kassandra hat stil. dies laesst sich behaupten, deshalb tue ich es. sie bewegt sich wie eine gazelle. eine frau sollte sich bewegen koennen. ich recherchiere in mir. ich nur kern, lernte sie kennen, als sie an einer strassenecke stand. sie fragte mich nach dem weg. mich fragte jemand nach dem weg. ich wurde herausgerissen aus der starre, sie stand mit eingenickter huefte, asynchron und sagte nichts. als ich den mund oeffnete, fuehlte ich mich, als haette ich staub gegessen. ich konnte ihr nicht helfen. dann gab es eine kunstpause, die zu lang dauerte. da ich nichts mehr sagte , ging sie, hinter ihr folgten marionetten.

[ die sterne stuerben einen tod ,alle gleich, alle. der himmel machte blind ]

ich erhole mich, so scheint es. alles spielt sich auf der strasse ab. in den wohnboxen ist es still. sehen wir uns heute? ins kino, ins cafe, ins nirgendwo. verplempern unsere zeit. vielleicht. vielleicht auch nicht. der drang zu leben, auch mit abgebissenen beinen. im museumscafe eine horde auslaendischer kinder. hunderte. alle essen apfelstrudel mit sahne. trinken mocca. die lehrer nicken und wechseln sich mit der aufsicht ab, so koennen sie abwechselnd die lang ersehnte zigarette rauchen. um die ecke gehen sie hierzu, oder im anflug einer schwaeche, drehen sie sich weg von den kindern, die schon rauchen. die zigaretten viel zu lang fuer ihre finger. sehen aus wie teleskope. das geschrei schlaegt wie wellen an mich heran. dort wo ein keim fuer einen gedanken lag, fahren jetzt bulldozer.

[trugschluss: lass den ofen doch offen, das ist eine heizung, die nichts kostet.]

kassandra steckt sich die haare hoch. komisch, dass ich dabei an eine andere denken muss. die geste ist aehnlich, grundverschiedene menschen. tauche ich in fremden traeumen auf ? wieso fuehle ich es nicht, wenn an mich gedacht wird? weil ich an niemanden denke? das stimmt irgendwie nicht. ich tue es, aber nur, als haette ich eine karte gezogen und sie angeschaut. selbst der versuch, mir diese zu merken ist blanker hohn. ich ich ich, so einfaeltig ist meine welt. ich GLAUBE heisst es richtig, stattdessen benutzen beinah alle, ich DENKE , was eine uebertreibung ist.

sanftes ventilatorengeraeusch. wo sind wir? es ist beliebig und scheinbar austauschbar. so selten finde ich einen haken zum festhalten, ich stolpere ins tal mit zu hoher geschwindigkeit. kassandra hat dunkle augen, keine bestimmte farbe. sie fragt mit ihnen, obwohl sie den kopf dabei schuettelt, oder wenn man sie fragt, was sie wissen moechte. es erscheint nur, sie durchdringt, dass loest den reflex aus, eine abwehrhaltung. sie raucht nicht mehr, zieht aber oft an einer meiner zigaretten. dafuer rauche ich fuer uns beide. spaeter gehen wir spazieren, der herbst ist dieses jahr mild und unaufdringlich. wir sind kein paar, sehen anderen zu.

[auf einer photographie sieht man keine bewegungen. in einem film selten stillstand. dabei beinhalten sie sich.]

amtliche kennzeichen und gebete beim discounter. nichts gefaellt, das warten strengt an.

[ heute gestritten und in der diskothek ein maedchen gekuesst. sie hat den mund selten aufgemacht, weil sie sich zu schade war.]

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sobaka

abgewoehnen. das musst du dir abgewoehnen, sobaka, sage ich und gehe die treppenstufen herunter. sind die immer so steil gewesen? trolleys und wartende. blaue koffer und gefangene. ich stelle mir vor, wie es waere stehenzubleiben. im zug koennen wir unsere beine austrecken. sobaka schaut zu den lieferwagen, die ueber eine bruecke fahren. sie verschmieren alles, stossen ihr licht in die daemmerung, die keine mehr ist. er hat einen parka an, zieht ihn zu. wir fahren nach koeln. vor dem einsteigen werden noch zigaretten geraucht. zwei. sicher, dass wir im nichtraucher sitzen. die anderen schauen aus den erleuchteten wagen zu uns heraus. ihre gesichter noch voll schlaf bekuemmert. einige aufgeregt. russische kinder begeistert ueber touchscreens der deutschen bahn. sie kaufen keine tickets. sie tauschen zeit. kauen brote, die ihnen eine besorgte mutter zubereitet hat. thermoskannen und rote gesichter. sobaka seufzt und rotzt auf den boden. noch zwei minuten, der zug faehrt ab. zum glueck sehen wir heute keine wasserflaechen, sonst muesste ich kotzen. im inneren stehen wir in dem zwischenabteil und schauen lange, wir haben karten, trennen uns nicht von den reisenden, haben nichts vor. stehen. die laternen sind noch an, stoeren uns nicht. sobaka hat einen kaugummi im mund, spricht so undeutlich, dass ich ihm nicht zuhoeren kann. bewege den kopf zufaellig. der kontrolleur kommt, er ist in der mitte dick, hat ein schlankes gesicht. sein arm ist muede geowrden vom jahrelangen austrecken und entgegennehmen der fahrscheine. ich taeusche mich wahrscheinlich.

im ruecken will ich keine lachenden sprecher haben. keine kopfhoerer und bedingungen. kratzender pullover. ich stelle den sitz imaginaer nach hinten und tue so , als wuerde ich schlafen. sobaka starrt haessliche frauen an, die uns jetzt gegenuebersitzen. wenn wir fahren geben wir uns gerne als journalisten aus, die brauchen nichts zu koennen und haben meist nur stift und papier in der hand. wenn einer von uns schreibt , schaut der andere gedankenverloren auf die landschaft und greift sich ans kinn. rodin haette eine freude daran. freundlichkeit und bestimmtheit.sobaka hat den ganzen jargon drauf, so gut, dass wir noch nicht einmal ein telefon ans ohr halten muessen. die frauen haben sich nichts zu sagen. mit jedem kilometer werden sie dicker und duemmer. sobaka laufen die traenen herunter, er denkt an seine mutter, die vorgestern gestorben ist. im droehnenden zwischenteil rauche ich eine weitere zigarette, obwohl es verboten ist. mir ist nicht kalt , obwohl ich nicht geschlafen habe. der geschmack von rotwein ist unter der zahnpasta. kein akkordeon, keine mundharmonika. dies waren und sind bedingungen. sobaka hat eine merkwuerdige fresse , als ich wieder ins grossabteil trete. seine zehen zeigen in richtung fleisch. mir wird doch uebel. eine durchsage, rauschend und unvollstaendig. wir fahren mit der d-bahn. an der naechsten station sehe ich einen beleuchteten automaten,als ich versuche die preise zu lesen wird neben mir ein fenster aufgerissen. arbeiter steigen hinzu. ein mann mit billigem anzug sitzt einige plaetze hinter mir. er wird der chef genannt. spricht durch die kehle. gruesst artig und schwach. hinter seinem ruecken wird er niedergemacht. artig gruessen auch die angestellten, wuenschen ihm ein gutes neues jahr. sobaka stoesst mich an, gestern war silvester. jetzt ist erneut der januar beinah vorbei.in der kneipe haben wir gefeiert, sind nur kurz aufgestanden. haben angestossen mit glaesern , die nicht nach glas klingen, sondern nach plastik. wie der sekt, den wir tranken. dieses jahr stehe ich zum ersten mal nicht vor der tuer, umarme niemanden. keine glueckwuensche. stattdessen wird weitergetrunken. ich habe getraeumt von aufklebern und der ex. hat wieder keinen sinn ergeben. durch die halbgeoffneten augen sehe ich, dass sobaka mit den frauen beim rauchen ist. zufrieden strecke ich die beine aus. ziehe sie zurueck , als sie wiederkommen. ich merke, dass wir eine weile fahren, als die ersten papiere rascheln und die gespraeche verebben. es riecht nach wurst und kaese. wieso gibt es diese vorstellung der bekanntschaften, die man waehrend einer zugfahrt machen kann ? niemand spricht einen fremden an, es sei denn ihm ist wirklich schlecht und er hilfe braucht. sobaka und die frauen ziehen einen gestank von nikotin hinter sich her. ich koennte wieder rauchen. erneut eine station. mehr arbeiter. mehr schweigen. mehr wurstbrote. gruene jacken. die polizisten , die von bundesland zu bundesland geschoben werden fahren mit dem zug. planspiel. entweder rechnen sie am monatsende ab oder kriegen eine monatskarte zweiter klasse gestellt. schiefe gesichter , blonde pferdezoepfe und bundeswehrruecken. dies ist buergerdienst. grobe rucksaecke und frisuren. die polizisten essen eierbrote und trinken cola light. rinnsale von paragraphen. die augen wachsam gegen die decke gerichtet. sobaka ist nervoes, da er ein wenig grass dabei hat. er reibt sich ueber die brusttasche seiner jacke, verteilt so den geruch. solange keine hunde da sind, denkt er, denke ich fuer ihn. er schaut mich an. ich erkenne und tue so , als waeren wir wieder in einem gespraech gelandet , dass wir vor kurzen fuehrten. die frauen schauen zu den bullen.ordnung muss sein. vielleicht hoffen sie jemanden wiederzuerkennen aus einschlaegigen polizeisendungen. je weniger sterne auf den schultern umso wuerdevoller wird geordnet und angeordnet. mit nachdruck. ich reibe mir erst die haende und dann die augen, da mir langweilig ist. der zug rutscht auf der schiene entlang. hatten die vorfahren noch angst bei fuenfzig kmh zu verbrennen oder den verstand zu verlieren , gaehnen wir und hoffen auf den tod. es geht uns nicht schnell genug. im fernsehen sah ich neulich eine sendung,in der ein pianist erklaerte wie der blick der menschen sich veraendert haette. er sprach ueber die interpretation von kompositionen, laut ihm spielten viele pianisten zu schnell. fixiert man im zug einen punkt statt fern nur nah, wenige meter vor das abteilfenster, so hat das auge keinen platz etwas festzuhalten. es stolpert wirklich, alles verwischt. liegt der blick jedoch am horizont, ruht er dort. den betrachter ueberkommt ein gefuehl entsprechend der geschwindigkeit. lustlosigkeit , da man vermeintlich neben dem zug herlaufen koennte. wir sind mobile fernrohre. die lange brennweite laesst alles flaechig und langsam erscheinen. ein bild kann nur eine gewisse zeitspanne ueberdauern, bis es verdaut ist. lassen wir uns darauf ein hat es bereits eine kriterienliste passiert, im schlechtesten fall sediert es nur. der blick hat sich geandert, sagt der pianist und kriegt sein gutes geld dafuer. tut doch niemandem was, klimpert so herum. wenn es keine koerper rettet, so dringt manches in den geist. ich moechte dies gern alles ausprobieren. muss lange duldsam auf die polster schauen, da es draussen noch dunkel ist. sobaka hat die zigarettenpackung in den zu kleinen behaelter gedrueckt. er laesst sich jetzt nicht mehr schliessen. wurde noch nie geleert. keine obligatorische bananenschale. ist anders eingeschmiert mit essensresten und papier. eine pepsidose, noch klar im design, noch nicht erdrueckt von gewinnspiel und aktionstreuepunkten ist der beweis. schlicht, wie aus einer zeitmaschine ist sie entstiegen. selbst die werbung hatte damals einen stolz. damals? vor kurzem.

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gezeiten

junge und maedchen laufen durch den dunklen wald, die zweige schlagen an ihren gesichtern vorbei, er hat seine hatz und seinen schutz um sie gelegt und macht ihr angst. achtet auf geraeusche und zeigt zwischen die baueme. heerscharen ueberfallen sie, richten ihre haare auf, die farben werden umspuelt. keine brueche, sie waren spazieren , hoer auf, sagt sie und hat grosse augen, er fuehlt sich sicher, sein glaube an monster ist schwach. naiv sehnt er die moeglichkeiten herbei. sie gehen ueber moosflaechen und grau. sie glaubt an ihr unglueck, traegt einen ruecken und auf ihm einen schatten. der junge haelt ihre hand, die weich ist vor angst. er denkt an kannibalen und an ihren mund, ihre grauen lippen, die zoegerlich die zunge geben, harte abgeschliffene zaehne. in ihm die gefuehle einer anderen nacht. sie fuehlt ihre liebe gehen und ist froh darueber, wie spaet ist es ? er hat keine uhr, sie traegt keine, weil es unglueck bringt, ihre beine sind in der bewegung eingeschlafen. sie greifen sich an, er stoesst sie vor sich her, sie solle doch gehen, es gaebe nichts wovor man sich fuerchten muesste. er ziert sich, will stark erscheinen, dabei hat er schmale schultern. vor dem spiegel stehen sie gemeinsam, er greift um ihre taille, sie traeumen von einem geist, der seelen schmelzen laesst, bis nur noch ein kern bleibt. klartraum. der junge stellt sich vor , dass er das boese sein koennte. in seiner anwesenheit fallen die gegenstaende aus den haenden , drohen unfaelle. schlagen menschen um sich und gegen ihre koepfe. er zerrt sich die phantasie zurecht, er drueckt sie gegen einen baum, will sie entkleiden, kann den hosenknopf nicht oeffnen, es ist eng, er hasst die tulpen, die sie liebt. sie denkt nicht an blumen, sie denkt an einen anderen. ihre angst ist fatalistisch. anklopfen an der wand, wenn jemand stirbt, jeder kennt die geschichte der grossvateruhr, die stehenbleibt. sie ist selbst die bewegung, das kratzen des zeigers, ihre schritte fliessen ueber dornen und waldeshaut. deshalb bleibt stehen. was soll das ? ihre frage ist banal und drohend. er schleudert seinen kopf in eine andere richtung, die erste die ihm einfaellt, zu ihr. er sieht sie an. trotz der dunkelheit dringt er in sie ein, spiegelt sich auf der pupille, kein mondlicht. das licht strahlt aus ihr. er stellt sich selbst die fragen, hoer ihr nicht zu. verstehst du nicht, dass ich dich liebe? das maedchen zieht die blaetter von einem ast, zaehlt keinen abzaehlreim, ihre finger wollen etwas spueren, nicht ihn. sie reisst ein stueck rinde vom baum, der streifen des himmels durchlaesst, die sie blenden. wir muessen weiter. sie denken sich eine abkehr, ein loslassen. glaubst du an geister? er will hoehnisch klingen, die stimme ueberschlaegt sich, als sei er wieder jung. angst ist eine maschine, eine die durch zeit reisen kann. glaubst du daran? sie will nichts sagen, spuert nur die splitter unter den naegeln, heiss wird ihr. etwas aendert sich, sie fuehlt sich wohl, schaut genauer hin, wird ruhig. sie weiss, dass sie geben kann, verteilt ihren zweifel auf die umgebung.

auseinander werden sie geschoben, mit zunehmender entfernung wird er unruhig, stottert ,wie auf einer zerkratzten platte. sendungsbewusstsein verschwindet, klapperschlangen im unterholz. kalte augen, um sie herum wird gelebt. gegen die natur, sagt er und wundert sich. dann kann er sie greifen, schlaegt sich in den aermel ihres pullovers, grobgestricktes. sie laesst es zu, mit geschlossen augen probiert sie , ob sie sich an sein gesicht erinnern kann. sie kann sich nicht entscheiden, es brennt. ein ast hat sie im gesicht gekuesst , der wald , sie laechelt und spuert, das sie gehen. sie ist besitz und besitzende, die bilder rauschen im kopf. was waere , wenn wir anders waeren, der zug wird stark. er moechte asphalt unter den schuhen , einen widerstand. er hoert musik im kopf, er oeffnet beinah seine lippen um zu singen. wind zieht auf.er fuehlt wie ein betrunkender. sie erreichen eine lichtung, auf der es noch dunkler ist. grobe loecher im boden, menschenwerk. ueberzeichnet und arrogant, schnelle erfolge und eilender gang. er fuehlt beinah die hitze der maschinen, die hohen geraeusche des aneinander vorbeigezogenen metalls, die motoren. sie vergisst er nicht. ihre hand ist waermer geworden. er fuehlt , als haette er nur den arm mit sich genommen.

tau liegt ueber dem sand. sie beleidigen sich mit der stille und der langsamkeit. gift in ihren leibern, dass der nachdruck zum ausdruck wird. er macht eine geste, als wolle er sie umarmen oder kuessen.haelt sie immernoch. sie wartet. ihr ist sein gesicht wieder eingefallen, doch nur eine haelfte, die andere ist mit begriffen beschmiert, zufall , dass sie seine augen liebt, auch wenn sie luegen.

ihr ist so heiss, dass sie jetzt schwitzt. auschlaege nach unten und nach oben, nur wir menschen kennen die langeweile, fragt sie und findet ihre stimme wieder. sie streiten mit sorgfalt, leise und melodisch. er denkt an umkehr, noch einmal durch den wald werden wir nicht gehen koennen, sagt er. ich weiß. das maedchen steht wieder auf, es ist schoen, besonders als silhoutte, ein filigraner scherenschnitt. es blitzt in ihrer einbildung. er haelt sie fest, dass sie kaum luft mehr atmen kann. die geste der versoehnung ist sehr grob. er faengt sein zittern ab und moechte alles ungeschehen machen. mit worten , die er vorbereitet hat. sie spuert nichts. gewachsen fuehlt sie sich, als haette sie ein leben schon gehabt, ergraut und weise, fasst ihn und streicht ihm ueber das gesicht, haelt ihr becken vor, beruehrt ihn , um sich aus seiner haltung zu loesen. wie plastik steht er da, nur ausgehoehlt, umstaendlich. sie geht nun vor, schliesst die augen, stuerzt in der drehung nochmal zu ihm, da sie ihn sehen will. sie sinkt nicht tief, nur einen meter. durch ihren ruecken stoesst ein metallrohr, ein zweites durch den hals.

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andreas ems

andreas ems hielt gestern einen diamanten in den haenden. jetzt liegen diese an die seite seines koerpers gepresst, die fingern aneinander gelegt. glaserhaende sind ruhig. zweimeterfuenfundzwanzig mal einsneununddreissig. zwoelfmal geschnitten, unpoliertes glas.
er kann nicht durchschauen bei der arbeit. das machen die kollegen. andreas ist dann naechste woche dran.

rotgeschlagene augen sieht man, auch wenn er sich selten dreht. er schlaeft schlecht. heute ist ueberstundenausgleich. beim gehen zieht er einen keil in den passantenschwarm. bewegt sich auf der richtigen seite, der vordermann gibt die richtung vor, wird dann ueberholt. die schultern beruehren sich selten, die blicke nicht. sein schneller schritt ist absicht, keine aggression, nur ab und zu greift seine hand durchs haar, eine eilige geste , die er vor jahren in einem film gesehen hat. er weiß nicht, dass er sich an menschen spiegelt, weil er spiegel nicht leiden kann. er korrigiert seine haltung, unterdrueckt die scham bei gleicher geste, die er am gegenueber erkennt. bei der arbeit ist es anders. am schneidetisch wird die platte in routine fixiert, seine bewegungen sind dann geometrische figur, er hat scharniere statt knorpel im koerper. hier unter menschen wirkt er beinah ungelenk in seiner steifheit. ems geht auf dem fliessband, auf dem hier alle gehen. die strasse faltet an den seiten ihre kostbarkeiten aus. andreas muss sich nicht die augen schuetzen, er denkt an etwas anderes, schaut nicht aus sich heraus. bleibt mit dem blick an seiner hornhaut haengen, schliesst ploetzlich sehr kurz die haende. macht faeuste mit weißen knoecheln, sein ausdruck immer noch in entfernung.

im kaufhaus auf der rolltreppe ist er einer der wenigen, die das prinzip verstanden haben. er muss sich durch die blockaden bitten. die anderen schauen ihn an, als haetten sie erst gerade bemerkt, dass sie unter menschen stehen. ems kann sich nicht entscheiden, ob er mit seiner koerpergroesse umgehen kann. auf der fahrt ins erste stockwerk handelt er entschlossen, ueberholt die paare von menschen. hinter den naechsten bleibt er stehen, als haette er seine gutscheine eingeloest. als kind hat er laub geharkt, der vater zeigt ihm mit rauchender hand als belohnung, wie man kartenhaeuser baut.auf dem kuechentisch hat ihm die zigarette gezeigt, wie man gebauede erschafft. die ruhige hand liegt in der familie. der vater ist schon zehn jahre tot, mit dem bruder spricht er alle paar monate. zu weihnachten rufen sie sich an, ein anderes fest wird selten gefeiert. der bruder ist chirurg, operiert in diesem moment. andreas ems steht in der gemueseabteilung und laesst eine gurke auf den haufen zurueckgleiten. sie kostet beinah zwei euro. er kauft eine flasche wasser mit kohlensaeure.die muenzen holt er erst direkt an der kasse heraus, damit sie nicht heiss werden. er kann sich nicht vorstellen, dass die kassiererinnen diese hitze moegen.

in der spielwarenabteilung geht er einge zeit hin und her. er sucht etwas. er kann sich nicht an seine lieblingsfarbe erinnern. er fragt sich, was das heisst, eine lieblingsfarbe zu haben. der kopf, in dem der gedanke steckt, ragt ueber die regale hinaus. ems hat zwei spielzeuge mitgenommen , er spricht mit einer verkaeuferin, legt dann eine puppe zurueck. er bezahlt mit einem geldschein, der wie gebuegelt wirkt.

beim hinaustreten aus dem gebauede atmet er tief ein und aus. raucht von einer marlboro drei zuege, wirft sie dann weg. ems hat das rauchen vor drei wochen aufgegeben. eigentlich hat er kein starkes verlangen danach, es summt nur im schaedel. es ist keine sache des willens, es ist eine sache der zeit. ein arbeitskollege hat ihm vor monaten erzaehlt, dass marlboro urspruenglich eine frauenzigarette gewesen ist und erst nach dem krieg das cowboy-image bekam. ems konnte es nicht glauben, obwohl er nie cowboy werden wollte. auf dem hof hatten seine eltern zwei pferde gehalten. die westernromantik ist fuer staedter, hatte er gedacht und ist spaeter in die stadt gezogen, um arbeit zu finden. jetzt sieht ems an den gebaeuden herab und weiß welche fassade mit dem glas seiner firma bespannt ist. er ist stolz, trotzdem trinkt er das wasser in grossen schluecken, als wuerde er sonst verdursten.

ems geht an einem imbiss vorbei, entscheidet sich um. die wurst isst er im stehen. er denkt daran, dass glas aus sand gemacht wird und wieviel schweine es wohl geben muss, damit alle in der stadt in diesem moment eine wurst essen koennen. er braucht nur zwei oder drei bissen. schlingt, laesst die pappe auf dem stehtisch liegen und eine serviette herunterfallen. ems sucht eine telefonzelle, die muenzen annimmt. er erreicht den teilnehmer oder die teilnehmerin nicht.

ems wird vom eingang in die ubahn verschluckt. ems wollte architekt werden. du bist selbst schuld, sagte der bruder vor monaten am telefon. schuld kennt andreas nur aus dem religionsunterricht in der schule, er tut nichts kriminelles. er stellt sich sachen nur vor. wie es waere mit dem teppichmesser durch ein gedraenge zu laufen. seitlich gehalten, so dass er in den massen verschwaende, waehrend sich hinter ihm die menschen an die verletzung griffen. dann muss er laecheln und an das messer in der  jackentasche denken. es ist noch eingeschweißt.

in der ubahn nimmt er eine zeitung vom sitz und liest. er ekelt sich nicht vor dem schmutz auf, sondern in der zeitung. ems hat kein problem eine toilette mit blosser hand und lappen zu putzen. er muss dazu keine handschuhe anziehen. hier in der bahn oeffnet ems das boulevardblatt gerade weit genug, dass er den kopf hineinstecken kann. er liest die kleinanzeigen und kontaktgesuche, obwohl er weiß, dass er sich nicht auf eine annonce melden wuerde. ausserdem nimmt er an, dass nur uninteressante menschen inserieren. er probiert einen text ueber sich zu formulieren. dabei fallen ihm nur aeussere umstaende ein. seine erscheinung, sein beruf und die dinge, die er besitzt. er denkt an seine tochter.

die schritte am anfang des parks sind noch eilig, dann wird ems langsamer. er scheint beinah schraeg zu gehen. an einer bank wartet seine exfrau mit seiner tocher. als das kind ihm entgegenlaeuft, geht er in die hocke. jetzt glaubt man erst, dass er kniegelenke hat. die tochter fluestert ihm ins ohr, so bleiben sie einen augenblick kopf an kopf gelehnt. ems moechte die frau begruessen. erst streckt er ihr die hand entgegen, sie zoegert, stellt stattdessen ihre tasche, die sie zwischen den beinen abgestellt hatte, auf die bank. schaut dann zur seite. er uebergeht es. die tochter zappelt an seiner hand, nimmt ihm die anspannung. die mutter laesst die beiden einige schritte vorausgehen, damit sie alle besser atmen koennen. beim naechsten telefongespraech wird er seinem bruder sagen, dass dieser seinen mund halten soll.  [pn]