faradayscher kaefig



februar. der schirm im ruecksitz zeigt die aktuelle position auf einer digitalen karte. in minutenabstaenden wird die animation der imaginaeren verfolgerperspektive des flugzeugs eingeblendet. schlecht gerendert. die luft in der kabine ist trocken, zwingt zum lippenlecken. alle passagiere sind ruhig. ueberschminkte flugbegleiterinnen verkaufen parfuem und stofftiere im monotonen turbinenlaerm. garner klopft filmisch auf das uhrglas am handgelenk und bestellt eine teure cola. beim einschenken in den duennen plastikbecher sieht er, dass die landschaft auf dem computerschirm eine komplett andere als im bullauge zeigt. reif klettert darin hoch. garner presst das gesicht an das kalte fenster, probiert wie lange er direkt in die sonne schauen kann. unter ihm schwimmen in einem wolkenloch die alpen vorbei. garner laesst den augenfleck umherspringen, stanzt damit gesichter aus. ich anonymisiere wie in einem tatsachenbericht, denkt er. eine bewegung dicht neben im. laika ist von der toilette zurueckgekommen. sie ist immer noch angespannt. der druck beim steigen der maschine hat ihr waehrend des starts schmerzen bereitet. garner legt ihr jetzt seine hand aufs knie. so beruhigt er immer. laika blaettert langsam durch eine grelle illustrierte. ich kaufe sowas nur im urlaub, sagt sie.

die wollen die gletscher mit grauen planen abdecken, sagt garner. laika oeffnet die augen: ja, und nebenher laufen die schneekanonen. die zeitschrift rutscht ihr vom schoss und wird von einer stewardess aufgehoben. ihr halstuch ist schmutzig. sie beugt sich leicht herunter, um betreuung zu signalisieren. moechten sie noch etwas? laika schuettelt den kopf. der plastikbecher verschwindet in einem muellsack. garner ueberspannt die armbanduhrmechanik beim aufziehen. ein leichtes raunen geht durch die reihen, als die bildschirme das digitale flugzeug ohne hintergrund zeigen. keine sorge, lacht die abgehende stewardess, ich versichere ihnen, dass es draussen eine welt gibt. vor den fenstern ist es grau. vereinzelt suchen die insassen selbst darin bestaetigung.

die abgenutzen tragflaechen fahren in zwei stufen zur landung aus. do not step here. garner fasst an die hosentasche. die ecstasy liegen in der minzschachtel. laika sieht ihn fragend an. das signal zum anschnallen blinkt auf. er gaehnt. sie hat sich mit seiner jacke zugedeckt. ihm ist selbst kalt. er spuert seine beine kaum. hoffentlich klatscht niemand unprofessionell nach der landung, sagt jemand auf dem vordersitz.

arbeitslaecheln, als sie die maschine verlassen. wieso nennt man ein flugzeug immer maschine. es gibt doch viele maschinen, denkt garner. erfrischungstuecher werden ausgegeben. stahltreppen. das shuttle faehrt vor. die feuchte hitze legt sich ihnen sofort auf die haut. arbeiter werfen das gepaeck herum. die passagiere tragen abgeklaerte gesichter in den schmutzigen bus. der fahrer hoert einen schlagersender. er hat die langweiligste und kuerzeste route, wird im gebaeude von den kollegen ausgelacht. faehrt deshalb hart in trance der routine. die meisten wissen darum und halten sich an den ledergurten fest. die naiven schleudern umher.

salmiakgeruch. am gepaeckband wird garner bleich. im hintergrund stehen polizisten mit hunden. die uniformen wirken in diesem land martialisch. zu viele abzeichen. fuenf grosse ventilatoren drehen sich an der holzdecke. der polizist setzt einen fuss ruhig nach vorne, er hat zeit. der schaeferhund senkt den kopf zu boden. das fliessband bleibt leer. familien stehen dichtgedraengt im halbkreis. niemand versteht, dass er bloss einige schritte zuruecktreten muesste. so koennten alle gut sehen. garner stottert. angstschweiss um das gepaeck bei den anderen. laika nimmt garners hand, drueckt fest. der hund zerrt an der kurzen leine. draussen warten die palmen.

die automatischen tueren sind kaputt. der hund riecht um die aufgestellte leiter, auf der ein handwerker die lichtschranke kontrolliert. vor dem gebaeude muss garner die pillen in den bueschen zuruecklassen. der bus faehrt erst in zwanzig minuten. verdammt. er raucht zwei zigaretten heiss. laika hat etwas im auge, sie schaut in den puderdosenspiegel. garner zieht ihr einen kleinen splitter aus der rosa augenhaut. vergiss es, denkt er, dies ist urlaub.

im hotel schiesst garner einige photos. laika will nur schwarzweiss. mit diesen kleinen zahlen am rand, sagt sie. sie schlafen bei offenem fenster miteinander. laika duscht. das wasser laesst sich nicht richtig einstellen. sie hat von einem sturz einen violetten bluterguss an der wade. laika will sich endlich die haare faerben. garner reisst ein stueck brot auseinander, legt es zurueck auf den nachttisch. im fernsehen laeuft das gleiche wie zu hause. elektronisches orakel fuer geld. menschen reden mit ihren toten verwandten. es beruhigt garner nichts verstehen zu koennen. er schaltet stumm, zappt. stille ist eine grobe form der verzweiflung. jetzt sieht er ein maedchen mit vier armen. [pn]