gefuehlskleiderstaender



seit tschernobyl ist das wetter immer so schlecht, sagt die frau und nickt der anderen zu. so endet ihre beschwerde, als sie weitergeht und ihr kind hinterherzieht. sie bildet es zu ihrem doppelgaenger aus. wie viele gestische brocken bleiben in der sommerluft haengen, da niemand sie anschauen kann, weil es zu heiss dafuer ist. wir bevoelkern, ziehen uns an jedem sonnenstrahl entlang aus den hoehlen. hormonelle bewegungen und assoziationsgewitter. auf den rasenflaechen fahren paare einander durch das haar. geniessen verdientes. die spaziergaenger rundherum solo, vergessen ihre zeitverschwendung morgens vor dem spiegel. die meisten lippen bleiben ungekuesst. die frau mit kind hat freunde, die aus zahlen bestehen und anfaengen. ihre absicht ist temperaturschlag, der leiber kondensieren laesst. ihr scheint es fuer eine achtung zu spaet, so gelangt wenigstens manche haeme in fremde gewissen. sie betrachtet den mann, der lesend vor ihr liegt. ganz nah beim gehweg, wie ein hund. es ist weniger problematisch in der mitte des gruens zu liegen. dort wirkt es angepasst in eine vorstellung, wie die szene wirken sollte. wie sie scheinbar richtig waere. der mann erscheint ihr mutig, beinah vulgaer herausfordernd. aua mama, du tust mir weh. das kind reisst sich los und haelt sich die hand. die frau blinzelt, auch der mann schaut jetzt von der lektuere auf. er ueberlegt und urteilt ueber ihre attraktivitaet. naja. gestatten sie, dass ich mich vorstelle ? ich heisse oskar. oskar sand. er steht neben ihr, dabei hat sie sein herantreten nicht bemerkt. er klappt das buch auf ihrer augenhoehe zu, dass es knallt. sie nennt ihren namen. kaffee dort drueben ? einverstanden.

das kind kommt herangeeilt, wirkt unscharf in der ferne es ist fast zum horizont gelaufen. soll ich jetzt papa zu dir sagen? die mutter laeuft rot an und bestellt schnell ein eis. oskar raucht und schaut auf den see. er hat es wirklich ueberheoert. sie lachen und reden dreissig minuten. unter dem schirm seilt sich eine spinne auf den tisch herab und laeuft ueber die loeffel und leeren sahnetoepfchen. dann sagt die frau ernst :

glauben sie nicht, oskar, dass ich so eine bin. so eine verzweifelte mutter, die sich bei regen nicht auf die strasse traut und dann gleich in den park geht und einen mann trifft, wie sie. ich gebe ihnen hier meine nummer. wir koennten uns wiedersehen.

die ganze zeit traegt sie weiter ihre sonnenbrille und streicht ab und zu yvonne ueber den kopf. diese isst ein erdbeereis und spricht zu einem hund, der am nebentisch im schatten liegt. oskar trinkt einen schluck wasser und erwidert: geehrte [ er schaut kurz auf die notiz, dann wieder auf den see ] sophie, ich habe mir gar nichts gedacht. ich sah sie nur kurz und sie sind mir nicht aufgefallen. ich muss in diesem punkt ja ehrlich sein. doch ihre arrogante koerperhaltung hat mich beim zweiten blick schon interessiert. wie ein jazzstueck, dass man mehrmals hoeren muss, um nicht als amateur oder gar ignorant zu gelten.

sophie nickt kurz, lacht dann heraus: arrogant ? ja, sicher, sie hund am wegesrand. sie provokateur der kleinen leute. die meisten schauen ja in die ferne und uebersehen das, was ihnen direkt vor den fuessen liegt.

oskar laechelt und beobachtet, wie sophie ihrer tochter mit einem loeffel etwas rotes eis um den kindermund verschmiert, um es danach mit einem taschentuch abzuwischen. die restlichen gaeste schauen ihnen zoegerlich zu, scharren mit den fuessen. selbst der hund hat den heissen kopf gehoben und die ohren aufgestellt. oskar sagt diesmal direkt in ihre braunen augen : da haben sich zwei gefunden, oder nicht ? er ruft den kellner heran, damit sie getrennt bezahlen koennen.

[pn]